Geesthacht. Dreimal in der Woche besucht der Labrador die Alfred-Nobel-Schule in Geesthacht. Erstaunlich ist, was der Hund so alles bewirkt.

Betina Ahrens ist voll des Lobes. „Er ist echt ein Gewinn“, urteilt die Lehrerin. Der eine oder andere Schüler würde jetzt vielleicht verlegen auf den Füßen wippen angesichts einer solchen Würdigung. Balu nicht. Der Schulhund der Alfred-Nobel-Schule steht im Klassenzimmer weiterhin ungerührt da auf seinen vier Pfoten und verzieht weder Miene noch Schlappohren. Nur die Rute wackelt leicht.

Es ist diese freundliche Gelassenheit, die den bald vierjährigen Labrador auszeichnet. Deswegen ist der dunkelbraune Rüde so geeignet für den Einsatz als Schulbegleithund. Balu trägt sogar Schuluniform. Als einziger hier an der ANS in Geesthacht. Dreimal in der Woche bekommt er morgens zu Hause ein besonderes Halstuch umgelegt. Dann weiß Balu, dass er heute wieder im Dienst sein wird.

Was immer auch passiert, Schulhund Balu verzieht keine Miene

Der Hund mit der Bärenruhe gehört Lehrerin Annabell Lichtner. Mit vollständigem Namen heißt er A Captain named Balu vom Chaoszimmer. Chaoszimmer, das ist eine Zucht in der Lüneburger Heide. Geboren wurde Balu am 31. Januar 2020. Annabell Lichtner ist acht Wochen später, Ende März, auf den knuddeligen Hund gekommen. Nach einem ersten Wesenstest bekam er den Vorzug vor anderen Welpen. Die Lehrerin hatte da schon geplant, ihn an ihrer Schule einzusetzen.

Später wurde der heranwachsende Hund in Sachen Benehmen bei einem professionellen Stresstest so richtig unter die Lupe genommen. Ein Mann sprang überraschend hinter einer Mauer hervor, Kinder zogen laut einen engen Kreis um ihn. „Balu hat immer nur freundlich reagiert, das hat sich schon früh gezeigt“, erzählt Annabell Lichtner. Wenn er manchmal bellt, dann vor Freude. In die Hundeschule nach Langenhorn fährt er mit Frauchen weiterhin einmal in der Woche.

Balu ist der erste Schulhund an der ANS seit vielen Jahren

Neben jeder Eingangstür ist eine Plakette angebracht, um Besucher vorzuwarnen, dass sie im Schulgebäude auf einen Hund treffen könnten. Nicht jeder rechnet in dem Gebäude mit der Begegnung mit einer anderen Art.
Neben jeder Eingangstür ist eine Plakette angebracht, um Besucher vorzuwarnen, dass sie im Schulgebäude auf einen Hund treffen könnten. Nicht jeder rechnet in dem Gebäude mit der Begegnung mit einer anderen Art. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Balu ist der erste Schulhund an der ANS seit vielen Jahren. Zuletzt soll es 2010 einen Vierbeinerkollegen gegeben haben, aber nur kurz für ein Jahr. Geschätzt wird, dass in Deutschland an deutlich über 1000 Einrichtungen Schulhunde im Einsatz sind. Am häufigsten in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die Fellnase vorn in der Anzahl haben Border-Collies, Labradore und seine Retriever-Verwandten.

Bevor ein Hund zum offiziellen Schulhund befördert werden darf, müssen viele Vorarbeiten erledigt werden. In jedem Bundesland gibt es andere Richtlinien. An der ANS gehört Balu seit dem Schuljahr 2022/23 zum Team. Zuvor gab es im Februar eine Lehrer-, im Juni eine Schulkonferenz. „Ich fand die Idee gleich sehr gut“, berichtet Schulleiterin Astrid Hannemann. Oberstufenkoordinator Knut Vogeler habe vorher auch schon überlegt, ob er seinen Hund ausbilde, erzählt die Schulleiterin.

Hinter jedem Hundebesuch steht ein didaktisches Programm

Den eigenen Hund kurzerhand als Schulhund zu deklarieren, um ihn dann mit zur Arbeit nehmen zu können, das funktioniert nicht. Hinter dem Hundebesuch steht ein didaktisches Programm. Und längst nicht jeder Vierbeiner ist für den Dienst geeignet. Zur Erlangung der Genehmigung stehen eine Reihe von Tests an. Lehrerkollegen, Eltern und natürlich die Schüler müssen vorab informiert werden und zustimmen. Geklärt werden muss, wer Angst vor Hunden hat und wo Allergien gegen Hunde vorliegen.

Klingt, als ob eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten war. Aber das sei gar nicht der Fall gewesen, erzählt Annabell Lichtner. Alle Seiten wurden gut gebrieft, größere Bedenken habe es nicht gegeben, auch nicht in der Elternschaft. Selbst Schüler, die eingangs ängstlich waren, hätten sich längst an den Hund gewöhnt. Einige von ihnen gehen ihm einfach aus dem Weg, bei anderen hat sie erste, schüchterne Streichelanläufe registriert. „Durch Balu ist es in unserem Unterricht viel ruhiger und meine Angst vor Hunden viel weniger geworden“, sagt eine Schülerin der 10. Klasse.

Nach dem Hundestreicheln folgt das Händewaschen

Leise und freundlich sein, nicht füttern: Damit niemand die goldenen Regeln im Umgang mit Balu vergisst, hängen in den Klassenräumen Merkzettel aus.
Leise und freundlich sein, nicht füttern: Damit niemand die goldenen Regeln im Umgang mit Balu vergisst, hängen in den Klassenräumen Merkzettel aus. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Erstellt werden musste aber ein pädagogisches Einsatzkonzept mit Hygieneplan. Eine Regel ist, dass sich die Schüler nach einem Kontakt mit Balu die Hände waschen. Der Gang zum WC ist dafür nicht nötig, in jedem Klassenraum gibt es Wasserbecken. Das Grundlagenwerk über Balus Einsatz an der ANS hat 25 Seiten und kann auf der Homepage der Schule (www.ans-geesthacht.de) eingesehen werden. Vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur liegt eine Handreichung zum Einsatz von Schulhunden an Schulen in Schleswig-Holstein vor.

Demnach hat Annabell Lichtner die Durchführung der Einsätze und ihre Erfahrungen mit der Anwesenheit von Balu in der ANS in einem digitalen Schulbegleithundetagebuch und einem digitalen Klassenbuch schriftlich zu dokumentieren. Dabei geht es darum, Erkenntnisse zu gewinnen unter anderem über eventuell auftretende Schwierigkeiten sowie positive Effekte auf Lerngruppen, zu Verhaltensveränderungen und der Wirkung auf den Lernfortschritt durch Balus Mitarbeit.

Balu lässt sogar Schulprobleme verschwinden

Auch „die emotionale Lage“ von Hund und Schülerschaft wird ins Auge gefasst. „Dabei wird festgehalten, wie der Hund auf die Schülerinnen und Schüler reagiert und wie die Schülerinnen und Schüler auf den Hund reagieren“, steht in dem Papier. Fragt man die Betroffenen, so ist die Meinung klar: Alles ist besser mit Balu. Er lasse Problemen verschwinden, sorge für Glücksmomente und sogar für Euphorie, heißt es aus den Klassen.

„Balu ist ein sehr süßer Hund, der sich immer ruhig verhält. Er mag es sehr gern, gestreichelt zu werden, zwängt sich aber nicht auf. Wenn Balu da ist, ist die Klasse leiser, weshalb ich mich besser konzentrieren kann“, sagt ein Schüler. „Mit Balu ist der Unterricht deutlich entspannter, da es eine gelegentliche Ablenkung von den Aufgaben gibt und so neue Energie geschöpft werden kann“, hat ein anderer beobachtet. „Balu hat eine beruhigende Wirkung auf die Klasse, denn er braucht es ja ruhiger. Außerdem bringt er auch gute Laune mit, wenn er mal wieder etwas Lustiges macht“, meint eine Schülerin.

Das morgendliche Ritual: Erst mal eine Begrüßungsrunde in der Klasse

Das entspricht vollständig den theoretischen Erwartungen der pädagogischen Fachleute, basierend auf bisher gemachten Erfahrungen an anderen Einrichtungen. „Der Zauber des Einsatzes eines Schulbegleithundes liegt in der reinen Anwesenheit: Regulation der Lautstärke, erhöhte Lern-Motivation, positivere Lernatmosphäre“, heißt es in einem Behördenpapier zum Einsatz.

Die Regeln dienen aber ebenso dafür, dass es auch der Hund gut hat an seinem Arbeitsplatz. Balu dreht morgens eine Begrüßungsrunde in der Klasse. Und er zeigt gern seine Tricks. Klassiker wie Pfötchen geben hat er ohnehin drauf, aber auch eine Rolle um die eigene Achse oder sich auf Kommando auf die Seite zu legen. Solche Aufforderungen sind aber nur gestattet, wenn Annabell Lichtner es erlaubt.

Eiserne Regel: Niemand außer Frauchen gibt Leckerchen

Er schleppt ein Spielzeug herum, hat in den Klassenzimmern seines Einsatzgebietes überall einen eigenen Wassernapf. Auch bei Astrid Hannemann steht einer. Zu den eisernen Regeln für die Schüler gilt: Balu in Ruhe lassen, wenn er auf seiner Decke liegt. Und: keine Leckerchen. „Sonst bekommt er vielleicht Bauchschmerzen“, weiß ein Schüler.

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Vor Unterrichtsbeginn gibt es einen Hundedienst. Ein Türschild, das außen auf Balus Anwesenheit hinweist, wird umgedreht, sein Ruheplatz wird eingerichtet, der Wassernapf aufgefüllt. Nach der Stunde werden seine Sachen wieder weggeräumt, und es wird durchgefegt. So kommt es zu einem weiteren positiven Effekt, den selbst das Ministerium noch gar nicht erfasst hat. „Dadurch ist es ständig so schön sauber“, freut sich ein Schüler.