Schwarzenbek. Bürgermeister Norbert Lütjens spricht über die Lage der Geflüchteten in Schwarzenbek und lobt seine Mitbürger und Mitarbeiter.

Beim sogenannten Migrationsgipfel von Bund und Ländern ging es kürzlich wieder um die Aufnahme von Geflüchteten. Die Bundesländer forderten von der Bundesregierung mehr Geld für die Aufnahme und Integration. Die Stadt Schwarzenbek hat in den vergangenen Jahren viel in die Unterbringung von Geflüchteten investiert. Bürgermeister Norbert Lütjens blickt im Interview auf die Situation in der Europastadt.

Herr Lütjens, wie viele Geflüchtete leben aktuell in Schwarzenbek?

Norbert Lütjens: In der Stadt sind aktuell 264 Geflüchtete aus der Ukraine gemeldet. Darüber hinaus hat die Stadt weitere 102 Geflüchtete aus anderen Staaten in städtischen Wohnungen untergebracht. Damit liegen wir nach dem Verteilungsschlüssel bei einer Erfüllungsquote von 88 Prozent. Wir stehen im Kreisvergleich gut dar, sind aber trotzdem noch defizitär. Das bedeutet, dass wir auch weiterhin Menschen aufnehmen müssen

Wie sieht die Prognose von Stadt und Kreis aus?

Bis Jahresende müssen im Kreisgebiet noch 300 weitere Personen aufgenommen werden. Nach dem Verteilungsschlüssel muss auch Schwarzenbek weitere Menschen unterbringen. Das wird uns herausfordern.

Wie viel Platz gibt es aktuell für weitere Geflüchtete?

Das hängt immer davon ab, welche weiteren Liegenschaften wir mieten können. Ganz aktuell nehmen wir eine weitere Immobilie mit 14 Plätzen in Betrieb. Zudem haben wir noch die alte Realschule, in der wir weit über 50 Menschen unterbringen können. Langsam wird es aber eng. Wir sind für jede Liegenschaft dankbar, die wir neu akquirieren können.

Welche Pläne haben Sie für die ehemalige Realschule?

Die Schule kann aus meiner Sicht immer nur eine Zwischenlösung sein. Wir wollen auf keinen Fall eine dauerhafte, geballte Unterbringung an einem Platz. Wir sind bisher immer, auch im Jahr 2015, sehr gut mit einem dezentralen System gefahren. Das hat den Vorteil, dass die Integration und Sozialisation leichter fällt. Dadurch, dass Flüchtlinge in einem gemischten Umfeld leben, ist es einfacher, Werte, Normen und Regelwerk zu vermitteln.

Welche Nachteile bringt die dezentrale Verteilung?

Das führt zu einem größeren organisatorischen Aufwand. Da können die Mitarbeiter nicht in eine Einrichtung fahren, und danach ist alles abgehakt. Man muss dezentral ausstatten, möglicherweise kontrollieren und gucken, ob alles läuft. Der Aufwand ist größer, nach meiner Einschätzung aber dennoch sinnvoll. Ob wir diese Variante aufrechterhalten können, liegt jedoch nicht in unserer Hand, sondern ist davon abhängig, wie viele Personen zu uns kommen.

Wäre ein Containerdorf wie in Geesthacht möglich?

Es gibt zwei Faktoren, die dagegensprechen. Zum einen widerspricht das dem dezentralen System. Zum anderen haben wir in Schwarzenbek einen akuten Flächenmangel. Wir haben keinen zentrumsnahen Platz oder einen anderen Ort, an dem so ein Dorf sinnvoll wäre. Ein Containerdorf ist immer eine Wette, die man abschließt. Wie bei Neubauten dauert es ein Jahr, bis das Dorf steht. Wir wissen aber nicht, wie lange diese Reise noch geht. Ist in einem Jahr der Bedarf noch da? Bisher sind wir mit unserem Vorgehen gut gefahren. Als Puffer haben wir noch die alte Realschule in der Hinterhand. Und ohnehin: Wir brauchen händeringend eine Fläche für eine neue Kita. Da darf man auch ein bisschen egoistisch sein.

Welche weiteren Immobilien kämen in Betracht, in denen Flüchtlinge wohnen können?

Da es dabei auch um Mieten und Vertragsdetails geht, ist es schwierig, öffentlich Details zu nennen. Ein größeres Objekt haben wir zurzeit nicht im Blick. Wir wollen es aber unbedingt vermeiden, dass eine Turnhalle gesperrt wird, da das die Menschen und auch die Schulen unmittelbar betrifft.

Liegt diese Entscheidung in der Hand der Stadt?

Nein. Das hängt von den Zuweisungen des Kreises ab. Darüber steht das Land Schleswig-Holstein und schließlich der Bund. Die Zusammenarbeit mit dem Kreis Herzogtum Lauenburg empfinde ich jedoch als sehr gut. Wir stimmen miteinander ab, welche Personen zu uns kommen. Da geht es um Gruppengrößen, ob es eine Familie ist oder ob mehr Männer oder Frauen kommen. Das funktioniert sehr gut.

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Wie gelingt die Integration der Menschen, die seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine nach Schwarzenbek gekommen sind?

Das ist ein schwieriges Thema. Ich würde mir von Landes- und von Bundesseite wünschen, dass mehr in Integration und Beratungen investiert wird. Am Ende leisten die Kommunen die Arbeit. Hier vor Ort wird integriert, und das ist eine große Herausforderung. Als ehemaliger Sozialarbeiter weiß ich, welche positive Wirkung Integrationsangebote haben. Da würde ich mir mehr finanzielle Unterstützung wünschen.

Welche Folgen hat es, wenn nicht genug Geld für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung gestellt wird?

Anfangs haben wir eine ganze Menge durch das Ehrenamt kompensiert. Am Ende landen die Menschen jedoch bei uns in den Büros des Rathauses oder im Sozialamt. Bei der Institutionalisierung der Hilfsangebote brauchen wir mehr Hilfe. Ich habe in Schwarzenbek drei Asylkoordinatoren auf weniger als zwei Personalstellen. Die gehen keinem Konflikt aus dem Weg. Für das, was die drei leisten, muss ich auf die Knie gehen, weil das so toll ist. Ohne diese Menschen würde es nicht so ruhig und geordnet laufen. Daher brauchen wir mehr finanzielle Ressourcen, um dieses Angebot aufstocken zu können.

Wie nehmen sie die Stimmung in der Stadt bei dem Thema Flüchtlinge war?

Der überwiegende Teil der Menschen ist sehr konstruktiv und unterstützend. Ich sehe, dass Ehrenamtler und Stadtpolitiker die Menschen an die Hand nehmen und ihre Hilfe anbieten. Das ist jedoch ein sehr filigranes Gebilde. Ich schaue da sehr genau hin und habe nicht den Eindruck, dass die Stimmung kippt.