Lauenburg/Büchen. 2023 geriet für Kunden zur Geduldsprobe. 2024 muss vieles besser werden, vor allem die Zuverlässigkeit. Chronologie eines Desasters.
Moderne, leise Züge, besserer Service und mehr Verbindungen standen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 ganz oben auf der Wunschliste vieler Bahnkunden im Kreis Herzogtum Lauenburg. Hatte doch noch im Frühherbst 2022 die Hoffnung bestanden, die Übernahme der Bahnverbindung Kiel-Lübeck-Büchen-Lauenburg bis nach Lüneburg durch Erixx Holstein werde mit der Einführung neuer Akku-Züge einhergehen. Dass die erst etwa zehn Monate später beginnen konnten, Fahrgäste zu befördern, und es bis heute nicht verlässlich tun, ist nur eine Facette einer Umstellung mit diversen Pannen, die rasch den Titel Stotterstart erworben hatte.
Was immer mehr Bahnnutzer im Laufe des Jahres verärgert hat, ist die fehlende Planbarkeit, manche sprechen von großer Unzuverlässigkeit. Hinzu kommt, dass Erixx Holstein bis heute vorgeworfen wird, vielfältige Kommunikationsprobleme nicht in den Griff zu bekommen. Kaum eine Woche verging, in der sich genervte Leser nicht über fehlende Durchsagen bei Zugverspätungen oder Ausfällen in der Redaktion beklagten. Wartende Erixx-Kunden rätselten, ob denn noch ein Zug kommt, wo die angekündigten Ersatzbusse blieben. Oder machten einfach nur ihrem Ärger Luft, weil Erixx für Fragen nicht erreichbar war oder auf Beschwerden spät oder gar nicht reagiert.
Rückblick 2023: Erixx kämpft mit alten und neuen Problemen
Die Pläne, in Schleswig-Holstein bald auf vielen Bahnstrecken alte Diesel-Triebwagen durch moderne Akku-Züge zu ersetzen, kamen 2023 nicht so recht in Fahrt. Die Idee, auf eine kostspielige und extrem zeitaufwendige Elektrifizierung der meisten Bahntrassen im Land zu verzichten, war und ist nicht das Hauptproblem.
Auf mehreren Trassen sind im vergangenen Jahr Ladepunkte geschaffen worden, an denen hochmoderne Züge Strom tanken können, um ihre Fahrt ohne Oberleitung fortsetzen können. Der Umsteigebahnhof Büchen mit seinen längeren Zughalten, ist einer von denen, die entsprechend aufgerüstet wurden. Doch die Zug-Elektrik kämpft noch mit Kinderkrankheiten.
Die verspätete Serienreife der Züge der Firma Stadler erst Mitte 2023 lässt sich noch mit Zeitverzug in der Entwicklung erklären. Nicht aber, dass tatsächlich weitere Monate ins Land gehen mussten, bis die ersten Züge der Baureihe Flirt offiziell in Betrieb gehen konnten. Die Verantwortlichen im Land hatten es schlichtweg versäumt, die notwendige Zulassung zum Regelbetrieb zu beantragen.
Zulassung für regulären Betrieb vergessen?
Bis dahin hatte sich die Neuordnung des Bahnverkehrs auf der Nord-Süd-Verbindung längst zu einer Aneinanderreihung von Fehleinschätzungen, Planungsversagen und eigentlich vorhersehbaren Schwierigkeiten entwickelt. Auf massive Verspätungen und Zugausfälle reagierte Erixx bereits wenige Tage nach dem Fahrplanwechsel noch im Dezember 2023 mit einem ersten Notfahrplan mit deutlich eingeschränktem Angebot.
Es folgten weitere Ersatzfahrpläne, mal wegen maroden Zügen, wegen fehlendem oder erkranktem Personal, mal wegen Gleisarbeiten. Wie viele es bis heute waren, wissen bestenfalls Insider. Die meisten Erixx-Kunden haben längst den Überblick verloren.
Ersatzfahrpläne gelten genervten Kunden als Regelfall
Ein gutes Jahr nach der Streckenübernahme ist mal wieder ein Ersatzfahrplan gültig. Aktuell ist er notwendig, um trotz technischer Probleme und Ausfall von Akku-Zügen den Verkehr aufrechtzuerhalten. Ein Teil der alten Ersatzfahrzeuge hat die zuständige Nahverkehrsgesellschaft des Landes (Nah.SH) bereits an den nächsten privaten Bahnanbieter weitergereicht.
Der Beginn von Erixx Holstein war zunächst davon überschattet gewesen, dass Nah.SH sich zwar bemüht hatte, Ersatz für die noch nicht verfügbaren 26 Akku-Züge zu beschaffen. Der angemietete, zuvor von DB Regio eingesetzte Fuhrpark erwies sich jedoch als so überaltert und teils marode, dass am Beginn kaum die Hälfte der 25 benötigten Bahnen einsatzbereit war. Fehlende Ersatzteile und zu geringe Werkstattkapazitäten verzögerten die Rückkehr zum Regelfahrplan über Monate.
Stotterstart mit kaputten Zügen und fehlendem Personal
Erixx selbst trägt ebenfalls Verantwortung am Stotterstart. Die Hoffnung, es würden sich genug Bahn-Bedienstete bereitfinden, zu Erixx Holstein zu wechseln, erwies als Wunschtraum. Dem Vernehmen nach verlor das gebeutelte Tochterunternehmen der Osthannoverschen Eisenbahnen AG (OHE AG) zeitweise mehr seiner knappen Mitarbeiter, als es neue hinzugewinnen konnte.
Mit dem Anwerben und Qualifizieren von serbischen Lokführern und zusätzlichen Ausbildungsanstrengungen in Deutschland konnte von Frühjahr an der Personalmangel Schritt für Schritt eingedämmt werden.
Wenn Kundenfreundlichkeit zum Eigentor wird
Wie sehr schlechte Kommunikation zwischen Beteiligten Probleme verschärfen kann, hat sich erneut im Sommer gezeigt. Wegen Kabelarbeiten der Deutschen Bahn im Bereich zwischen Büchen und Dalldorf plante Erixx Holstein Busersatzverkehr nicht nur bis Lauenburg, sondern darüber hinaus bis Lüneburg. Die Idee: So müssten die Kunden je Fahrtrichtung nur jeweils einmal das Verkehrsmittel wechseln.
Doch Erixx hatte die Rechnung ohne die Deutsche Bahn und die Straßenbauer gemacht. Für den Sommer waren zugleich dringend notwendige Reparaturarbeiten an der Lauenburger Elbbrücke terminiert. Erwartete Bauzeit: drei Monate. Während der zeitweisen Sperrung konnten zwar weiterhin Züge passieren, nicht aber Straßenverkehr.
Brücke gesperrt: DB weist alle Verantwortung von sich
Wer es versäumt hatte, wen zu informieren, blieb zweitrangig. Die Deutsche Bahn stellte sich auf den Standpunkt, mit Ersatzbussen auf der Elbbrücke habe sie nicht rechnen müssen: Schienenersatzverkehr sei schließlich nur zwischen Büchen und Dalldorf notwendig, so damals die Erklärung der Pressestelle.
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Leidtragende waren wieder die Erixx-Kunden. Betroffene ärgerten sich im günstigsten Fall nur über immer neue Fahrpläne für den Schienenersatzverkehr und große Umwege. Busse nutzten für die Verbindung zwischen Lauenburg und Lüneburg die Geesthachter Elbbrücke.
Ersatzverkehr fährt große Umwege – wenn er denn fährt
Wer Pech hatte, war an Tagen unterwegs, an denen auch dies nicht funktionierte. Nach langem vergeblichen Warten hieß es dann, entweder nachts ein teures Taxi ergattern, oder sich zumindest bis zur Elbbrücke Richtung Lauenburg durchschlagen.
Wer diese dann in finsterer Nacht unfallfrei zu Fuß bewältigt hatte – die Beleuchtung war während der Bauarbeiten abgeschaltet – musste auf der Gegenseite nur noch den weiteren Transport zur Heimatadresse organisieren. Folge: Kunden waren für Strecken, die sie normalerweise in 15 bis 20 Minuten bewältigen, schon mal nachts vier bis fünf Stunden unterwegs, bis sie müde ins Bett sinken konnten.
Staatssekretär und Verkehrsminister machen Druck
Rekordverdächtig auch ein anderer Wert: Dass nach einer Streckenübernahme mehrfach binnen des ersten Jahres der zuständige Staatssekretär wie auch der Wirtschafts- und Verkehrsminister des Landes vor der Presse Druck machen und die Einhaltung von Verträgen einfordern, ist alles andere als alltäglich. Fazit: Es ist noch reichlich Luft nach oben.