Lauenburg / Büchen. Mit einem guten Jahr Verspätung rollen jetzt moderne Züge im Bahnverkehr. Doch Verspätungen und Zugausfälle verärgern weiter Kunden.

Beim Bahnanbieter Erixx Holstein sind über das Jahr 2023 Ersatz- und Notfallfahrpläne fast zur Regel geworden. Aktuell sind vor allem die Verbindungen um Kiel wie auch zwischen der Landeshauptstadt und Lübeck betroffen. Tatsächlich strahlen die Probleme weit in den Kreis Herzogtum Lauenburg und bis nach Lüneburg. Mit der Umstellung auf erste, lang erwartete hochmoderne Akku-Züge der Firma Stadler hat sich die angespannte Situation tatsächlich kaum gebessert.

Bahnverkehr: Akku-Züge bereiten Erixx massive Probleme

Wie Landeswirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) am Dienstag (19. November) in Kiel mitteilte, sei nicht vor dem 7. Januar 2024 mit nur leichten Verbesserungen zu rechnen. Die Hoffnung, dass mit den ersten der 55 vom Land 2022 bestellten Akku-Züge sich die Situation rasch entspannt, ist seit Herbst zerstoben.

„Ich kann doch meinen Stiefsohn nicht jede Woche zum Training fahren, damit er mal pünktlich ist“, schimpft Sabrina Schneider. Jonas (14) müsse nur einmal in Büchen von einer Bahn in die nächste umsteigen, um nach Lauenburg zu gelangen. „Bis zum Fahrplanwechsel vor einem Jahr hat das in der Regel funktioniert, doch seitdem fährt Erixx die Strecke – oder häufig eben nicht.“

Was geschieht, wenn es wirklich kalt wird?

Die neuen Züge machten zwar einen guten Eindruck, wirkten modern und aufgeräumt. „Doch was hilft dies, wenn die Akkus für die Strecke offenbar nicht reichen, wenn sie immer wieder außerplanmäßig aufgeladen werden müssen?“

Eher verärgert als weihnachtlich gestimmt: Claus Ruhe Madsen, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus in Schleswig-Holstein, während einer  Pressekonferenz über die Bahnversorgung in Schleswig-Holstein.
Eher verärgert als weihnachtlich gestimmt: Claus Ruhe Madsen, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus in Schleswig-Holstein, während einer Pressekonferenz über die Bahnversorgung in Schleswig-Holstein. © DPA Images | Christian Charisius

Jonas Trainer habe kürzlich selbst eine Testfahrt gemacht. Der Mann ist im Hauptberuf Lehrer. Sabrina Schneider: „Wenn die Akku-Züge schon bei milden Temperaturen schlapp machen, wolle er sich lieber nicht vorstellen, was bei Dauerfrost geschieht.“

In strengen Winter frieren Weichen sowieso ein

Tanja Volkening reicht es so schon. „Ich sorge mich nicht über zusätzliche Probleme von Akku-Zügen im Winter. Bei strengem Frost sind doch sowieso die Weichen eingefroren.“ Seit gut 20 Jahren habe sie immer wieder die Bahn genutzt, um von Ratzeburg zu ihrem Arbeitsplatz nach Büchen zu kommen.

„Eigentlich sollte das kein Problem sein, ich muss ja nicht mal umsteigen.“ Doch seit Erixx Holstein die Strecke von Kiel/Lübeck über Ratzeburg, Büchen und Lauenburg bis Lüneburg übernommen habe, reißen die Probleme nicht ab.

Bahnfahren nur, wenn keine Termine anliegen

„Heute nutze ich die Bahn nur noch, wenn ich keine Termine habe“, sagt die leitende Verwaltungsbeamtin. Ansonsten müsse sie sich zuhause im Kampf um das Familienauto durchsetzen. „Doch was machen die vielen Schulkinder, die aus dem Norden nach Büchen oder Lauenburg müssen?“

Was sie besonders ärgert, ist die desolate Informationspolitik. „Kürzlich hieß es, der Zug verspäte sich. Als der kam, drängten sich viele Menschen in die Wagen – doch die bis dahin mitgefahren waren, stiegen alle aus.“ Des Rätsels Lösung: Den Fahrgästen war mitgeteilt worden, die Regionalbahn ende schon vor dem Zielbahnhof.

Fahrt endet schon vor dem Zielbahnhof

Wenn angekündigt wird, ein Zug verspäte sich um einige Minuten und nach geraumer Zeit dann die Durchsage folgt, die Verbindung falle aus, kommt Tanja Volkening ins Grübeln. „Wenn die Bahn auf der eingleisigen Strecke liegengeblieben wäre, wäre die Trasse blockiert. Oder aber sie hat es irgendwie geschafft abzubiegen, wie und wohin auch immer.“

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Waren es zunächst Zugausfälle wegen maroder, von DB-Regio übernommener alter Diesel-Triebwagen und fehlendem Personal, dezimierten bald Krankheitswellen und Kündigungen von Mitarbeitern die gestresste Erixx-Belegschaft weiter. Umgeschulte Lokführer aus Serbien halfen im Frühsommer, einige Lücken zu schließen. Doch die ungenügende Zahl einsatzbereiter Diesel-Triebwagen und zunächst unzureichende Reparatur-Kapazitäten der DB AG bremsten Erixx weiter aus.

Kommunikation bleibt ein Riesenproblem

„Das Unternehmen ist nicht lernfähig, die Kommunikation ist bis heute eine Katastrophe“, sagt Uwe Möller. Büchens Bürgermeister ist selbst überzeugter Bahnfahrer, und für viele Nutzer Zuhörer, wenn sie von ihren Problemen mit Erixx berichten.

„Ich weiß inzwischen nicht mehr, was die Kunden mehr ärgert. Wenn sich ihre Züge verspäten oder ganz ausfallen?“, so Möller. „Oder wenn sie lange Zeit auf Bahnsteigen warten, ohne zu erfahren, wann der nächste Zug kommt. Oder warum der vorherige ausgefallen ist.“

Wenn der Zugführer aussteigt und Feierabend macht

Als Paradebeispiel ist ihm der Bericht einer Erixx-Kundin von Ende November im Ohr. „Die Frau hat mir erzählt, in Lübeck sei der Zugführer ausgestiegen und habe den überraschten Fahrgästen mitgeteilt, er habe jetzt Feierabend. Er könne ihnen auch nicht verraten, wie es für sie weitergeht.“

Noch mit Kinderkrankheiten, aber im Sommer schon auf Werbetour: Ein Muster Akku-Zug der Firma Stadler steht vor einer Präsentationsfahrt im Erfurter Hauptbahnhof.
Noch mit Kinderkrankheiten, aber im Sommer schon auf Werbetour: Ein Muster Akku-Zug der Firma Stadler steht vor einer Präsentationsfahrt im Erfurter Hauptbahnhof. © dpa | Martin Schutt

Möglicherweise ist auch die interne Kommunikation im Unternehmen noch stark verbesserungswürdig. Tatsächlich enden in Lübeck aktuell aus Kiel kommende Regionalbahnen (RB 84). Die Erixx-Kunden, die weiter Richtung Süden wollen, müssen auf einen Regionalexpress (RE 83) umsteigen, der derzeit allein die Verbindung zwischen Lübeck, Lauenburg und Lüneburg bedient.

„Komplexe Hochtechnologie“ mit Kinderkrankheiten

Dauerhafte Besserung ist nach Auskunft von Hersteller Stadler in Sicht, sobald es gelingt, dem neuen Akku-Zug Flirt seine Kinderkrankheiten auszutreiben. Die resultieren demnach nicht aus Kälteempfindlichkeit der Akkus, sondern aus Softwareproblemen. Bei Einführung eines „komplexen Hochtechnologie-Produktes“, so Stadler-Chef Jure Mikolčić, seien diese Schwierigkeiten keineswegs ungewöhnlich.