Lauenburg/Büchen. Die hochmodernen Akku-Züge haben Kinderkrankheiten. Dummerweise wurden alte Ersatzzüge der Bahn bereits weitergegeben.

Vor gut einem Jahr hat Erixx Holstein den Zugverkehr übernommen auf der Linie Kiel – Lübeck – Büchen – Lauenburg – Lüneburg, nach dem Stotterstart gibt es immer neue Probleme. Aber auch eine Konstante: Die Kommunikation bereitet fortwährend Probleme. Mit den Fahrgästen, mit Kooperationspartnern – aber auch mit eigenen Mitarbeitern.

Jüngst hat ein Triebwagenführer seinen Zug samt überraschten Fahrgästen in Lübeck mit den Worten verlassen, er habe jetzt Feierabend. Er könne aber auch nicht sagen, wie es jetzt weitergeht, ob ein anderer Fahrzeugführer übernehme.

Erixx: Kommunikation bleibt Dauerbaustelle

Am Anfang standen im Dezember 2022 fehlende oder schlecht abgestimmt Kommunikationswege zwischen Erixx und der Deutschen Bahn. Wartende Fahrgäste auf Bahnsteigen blieben Stunden darüber im Unklaren, warum Zug auf Zug ausfiel, warum sich Bahnen verspäteten, ob Ersatzverkehr fährt. Weil Info- oder Beschwerde-Hotlines viele Stunden unerreichbar blieben, entlud sich der Ärger schon mal in Telefon-Zentralen oder in Presse-Stellen des Erixx-Mutterkonzerns.

Die Schwierigkeiten sind bis heute nicht gänzlich ausgeräumt, bestätigte jüngst Nah.SH, Schleswig-Holsteins Nahverkehrsgesellschaft. Es habe zwar „in den vergangenen Tagen einige Verbesserungen bei den Ausfallanzeigen in den Fahrplanauskunftssystem“ gegeben. „Gegenwärtig funktionieren allerdings einige Schnittstellen noch immer nicht, wie es wünschenswert ist“, sagt Nah.SH-Sprecherin Eva Fischer mit Blick auf aktuelle Schwierigkeiten durch unzuverlässige neue Akku-Züge.

„Einige Schnittstellen funktionieren noch immer nicht“

Erixx sei „mehrfach nachdrücklich aufgefordert worden, insbesondere auch die Information von Medien und Öffentlichkeit zu intensivieren“. Wegen dieser Probleme aber besonders wegen Zugausfällen und ausgedünnten Notfahrplänen kürzte das Land Erixx bereits Zahlungen.

Zum Problem gerieten verschlungene Kommunikationswege im ersten Halbjahr 2023 auch zwischen Erixx, Nah.SH und dem Zugbauer Stadler. Der hatte seine neuentwickelten Akku-Züge der Baureihe Flirt nicht rechtzeitig zum Herbst 2022 fertig gestellt. Als sie im Sommer 2023 endlich über Nah-SH an Erixx Holstein geliefert werden sollten, kam die nächste Überraschung. Der Verkäufer, also Stadler, oder Nah.SH als Käufer hatten es versäumt, rechtzeitig notwendige Anträge zu stellen, die Züge in Deutschland für den Regelverkehr zuzulassen. Weitere Verzögerungen folgten, bis erste Flirt-Akku-Züge im Oktober den Betrieb aufnehmen konnten.

Akku-Züge erst mit einem Jahr Verspätung in Dienst

Damit Erixx Holstein im Dezember 2022 überhaupt starten konnte, hatte Nah-SH in Windeseile von DB Regio alte mit Diesel angetriebene Züge angemietet, die bis dahin den fahrplanmäßigen Linienverkehr bedient hatten. Abgesehen davon, dass viele defekt waren und es Monate dauerte, bis so viele Züge eingesetzt werden konnten, dass Erixx den vereinbarten Fahrplan zumindest auf dem Papier erfüllen konnte.

Mit Indienststellung der ersten Akku-Züge lag gleich das nächste Problem auf dem Tisch. Wie kaum anders zu erwarten, leiden die Flirt-Triebwagen noch unter Kinderkrankheiten. Von der für rund 30 Millionen Euro angemietete „Transferflotte“ verfügt Erixx aktuell jedoch über zu wenige Züge, um die Ausfälle zu kompensieren.

Warum hat niemand an Kinderkrankheiten gedacht?

„Die seit Betriebsbeginn zur Verfügung gestellte sogenannte Transferflotte mit den Diesel-Triebwagen wurde teilweise planmäßig an die NBE (Nordbahn) übergeben“, hatte Erixx-Sprecherin Kristina Görrissen bereits Anfang Dezember bedauert. Und: Alle Erixx Holstein zur Verfügung stehenden Fahrzeuge seien im Einsatz, das Unternehmen stehe mit voller Personalstärke bereit, „das vollständige Fahrplanangebot zu erfüllen“.

Solche Versprechen verfangen bei vielen Fahrgästen nicht mehr. Viele sind wieder auf eigene Pkw umgestiegen, andere haben Fahrgemeinschaften gegründet. Oder nutzen Erixx nur, wenn sie keine Termine haben oder sich ihre Arbeitszeit weitgehend frei einteilen können.

Erixx zieht erneut Notbremse, um Fahrplan zu retten

Vor rund einem Monat hatte Erixx zum wiederholten Mal die Notbremse gezogen. Um nach Technikproblemen und Ausfällen der Akku-Züge noch einen Fahrplan einhalten zu können, wurde im Großraum Kiel eine Zugverbindung eingestellt und durch Busse ersetzt.

Die bis dahin durchgehende Verbindung von Kiel bis Lüneburg wird in Lübeck geteilt. Im Norden verkehrt nur die Regionalbahn (RB 84) im Süden der Regionalexpress (RE 83). Wer weiter will, muss jeweils in Lübeck umsteigen.

Wer weiter will, muss in Lübeck umsteigen

Miriam Tezel hat die Bahnverbindung bislang genutzt, um einen Großteil der Strecke zwischen ihrem Wohnort Schnakenbek und ihrem Arbeitsort Mölln zu bewältigen. Als sie jüngst wieder vergeblich auf fahrplanmäßige Züge in Mölln wartete, hieß es zwischenzeitlich, es werde Schienenersatzverkehr (SEV) geboten. Der Zug um 14.37 Uhr fuhr ebenso wenig wie der eine Stunde später: „Von SEV war auch schon keine Rede mehr.“

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Ihr Mann versuchte derweil, über Erixx beziehungsweise Nah.SH zu erfahren, was schiefläuft. „Menschen sind bei Erixx offenbar nicht mehr zu erreichen. Am Telefon ertönt lediglich eine Ansage, die nach längerem Hinhalten (7 Minuten) erklärt, Erixx sei sehr beschäftigt und man möge doch später nochmal anrufen“, berichtet Norbert Mahringer.

Erixx nicht erreichbar – und Nah.SH nicht zuständig?

Einigermaßen fassungslos macht ihn die Antwort von Nah.SH: Man bedaure den Grund zur Unzufriedenheit, doch der operative Betrieb sei Angelegenheit von Erixx Holstein. Daher habe man die Angelegenheit dorthin weitergeleitet.

Mahringer antwortete umgehend: „Ich bin bis dato davon ausgegangen, dass NAH.SH in der Verantwortung stünde für den ÖPNV in Schleswig-Holstein. Stattdessen verstehen sie sich offenbar nur noch als Relaisstation für allerlei Informationen. Falls meine Vorstellung von (ihren) Verantwortlichkeiten nicht zutreffen, bitte ich sie, mir dies mitzuteilen. Dann korrigiere ich mich gern und ziehe meine Anfrage zurück.“