Hollenstedt/Moisburg. Niedersachsen fördert Region im Hamburger Süden im Dorfentwicklungsprogramm. Wie auch Privatleute von dem Geldsegen profitieren können.
Drei findige Bürgermeister aus der Samtgemeinde Hollenstedt haben sich zusammengetan und ihren Gemeinden damit wahrscheinlich einen großen Geldsegen beschert: Ihre Dörfer Moisburg, Hollenstedt und Regesbostel wurden als neue Dorfregion „Wir an der Este-Niederung“ in das Dorfentwicklungsprogramm des Landes Niedersachsen aufgenommen.
Das Programm ist eines der zentralen und langfristigsten Förderinstrumente für die ländlichen Räume und könnte Millionen-Investitionen in den Gemeinden freisetzen. Interessant: Auch Privatleute könnten davon massiv profitieren.
Millionen-Förderung für Dörfer im Landkreis Harburg: Wer bekommt ein Stück vom Kuchen?
Jedenfalls theoretisch, denn: „Jetzt geht die Arbeit erst richtig los“, wie Hollenstedts Bürgermeister Jürgen Böhme konstatiert. Der CDU-Mann war die treibenden Kraft hinter der Bewerbung um die Fördermittel und holte die beiden Bürgermeister aus den Nachbargemeinden – Kay Wichmann für Regesbostel und Ronald Doll für Moisburg – mit ins Boot. Alle drei arbeiten ehrenamtlich. Und das nicht zu knapp.
Denn wer an den Geldtopf möchte, muss sich ordentlich anstrengen. Zunächst mit einer ausgeklügelten Bewerbung beim zuständigen Amt für regionale Landesentwicklung: Um in das Programm aufgenommen zu werden, mussten sich die interessierten Dorfregionen in einem Wettbewerb qualifizieren.
Wichtiger Punkt: Schutz von Ressourcen in der Dorfentwicklung
Die Anträge der Dorfregionen wurden inhaltlich bewertet und einem landesweit einheitlichen Ranking unterzogen. Diesmal habe bei der Auswahl der Ressourcenschutz in der Dorfentwicklung eine wichtige Rolle gespielt, teilte das Landwirtschaftsministerium mit.
Als die drei Dörfer in Hollenstedt mit der eigens für den Wettbewerb kreierten Dorfregion „Wir an der Este-Niederung“ die Benachrichtigung von der Aufnahme ins Förderprogramm erhielten, war die Freude groß. „Wohin mit den ganzen Millionen?“ – Das sei die Reaktion einiger Ratsmitglieder gewesen, berichtet Moisburgs Bürgermeister Ronald Doll.
„So ist es aber nicht“, stellt Doll klar: „Bis das Geld fließt, sind viele weitere Schritte nötig.“ Und auch eine Menge eigenes oder geliehenes Geld. Denn trotz einer Förderung von bis zu 65 Prozent müssen die Gemeinden immer noch einen gewichtigen Teil der Investitionen selbst tragen, was gerade für kleine Dörfer mit geringen Steuereinnahmen ein Kraftakt ist.
Mitbewerber wollen auch ein Stück vom Kuchen
Doch auf dem Weg zum „Fleischtopf“ sind nicht nur finanzielle, sondern auch bürokratische Hürden zu überwinden. Und bei diesem Hindernisrennen muss man schnell sein – viele Mitbewerber möchten sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen abschneiden.
Denn mit den drei genannten Dörfer aus der Samtgemeinde Hollenstedt hat das Land Niedersachsen gleichzeitig 16 weitere Dorfregionen in sein Dorfentwicklungsprogramm aufgenommen – darunter aus der Metropolregion Hamburg auch Jork im Alten Land, die Dorfregion „Untere Ilmenau“ mit den Orten Bardowick, Handorf, Wittorf und Drage sowie Bomlitz im Heidekreis.
Bürgermeister im Ehrenamt: „Wir kamen uns ein bisschen wie Stoffel vor“
Ihre „Konkurrenten“ lernten die drei Bürgermeister aus der „Este-Niederung“ inzwischen bei behördlichen Informationsveranstaltungen zu den Förderregularien kennen. „Da waren wir die einzigen drei ehrenamtlichen Gemeindevertreter und kamen uns ein bisschen wie Stoffel vor“, sagt Wichmann.
Die drei Bürgermeister wissen allerdings genau, welche Schubkraft die Aufnahme ins Förderprogramm auslösen kann. Sie haben es in der unmittelbaren Nachbarschaft erlebt, wo sich die Gemeinde Wenzendorf während einer zehnjährigen Förderperiode rundum erneuerte. Dort waren die Kassen aber auch schon vor dem Geldsegen voll, denn die Gemeinde erhält hohe Steuereinnahmen, vor allem aus einem großen Gewerbegebiet an der A1. So war die Kofinanzierung für Wenzendorf nie ein Problem.
Insgesamt sind rund 220 Millionen Euro Fördermittel zu haben – auch für Privatleute
In Hollenstedt, Regesbostel und Moisburg sieht das etwas anders aus. Dennoch sind die Wunschlisten lang und reichen von bescheidenen Verschönerungen im Ortsbild über die Schaffung neuer Jugendtreffs bis hin zu Sanierung oder Neubau von Dorfgemeinschaftshäusern oder einer Seniorenwohnanlage, wie Moisburg sie gern bauen möchte. Auch an gemeinsame Projekte wie Bikerpark, Wanderwege, Pausenplätze für Radler, Boule- oder Skaterbahn ist gedacht.
Der Förderdeckel für einzelne Maßnahmen liegt bei 500.000 Euro, jedes einzelne Projekt muss beantragt und genehmigt werden. Insgesamt sind rund 220 Millionen Euro Fördermittel hinterlegt. Auch Privatleute können im Rahmen der Förderung Unterstützung für Projekte im Sinne der Dorferneuerung beantragen – etwa, wenn sie ein neues Reetdach benötigen, ein altes Haus sanieren oder eine Scheune in Wohnraum umwandeln wollen.
Das lohnt sich: „Hier liegt die Förderung bei bis zu 40 Prozent auf die Nettosumme“, erläutert Böhme. „Da dürften große Begehrlichkeiten entstehen.“
Auch Beteiligung und aktive Mitarbeit der Einwohner ist gefragt
Als nächsten Schritt müssen die Gemeinde aus dem Förderprogramm unter Beteiligung der Bürger einen Dorfentwicklungsplan aufstellen. „Die Dorfgemeinschaften sollen in Eigenverantwortung Zukunftsbilder entwickeln, eigene Ziele, Projekte und Initiativen definieren“, lautet die Vorgabe dabei vom Land.
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Durch Eigeninitiative, Eigenleistung und kreative Umsetzungsmöglichkeiten würden in den Dörfern kleine wie größere Projekte angestoßen – zum Beispiel im Bereich der Um- und Nachnutzung ortsbildprägender Bausubstanz oder Projekte, die das soziale Miteinander in den Dörfern unterstützen oder kleinerer Maßnahmen, wie etwa Treffpunkte oder gemeinsame Pflanzmaßnahmen. Zudem löse die Dorfentwicklung Investitionen im ländlichen Raum aus, die wiederum den dort ansässigen Betrieben und dem Erhalt der Arbeitsplätze zugutekämen.
Dorferneuerung in Wenzendorf: Auch 17 Privatleute erhielten Förderung der EU
In Wenzendorf hat das gut funktioniert – dank eines agilen Bürgermeisters mit Stehvermögen und einer aktiven Dorfgemeinschaft, die einen 386-seitigen Plan für die Dorferneuerung entwickelte. Der 1400-Einwohner-Ort hat sich mit vielen Fördermillionen aufpoliert und unter anderem neue Straßen, eine schicke Dorfmitte und ein neues Gemeindehaus gebaut.
Und auch von den 18 beantragten Projekten von Privatleuten erhielten dort 17 eine Förderzusage. Insgesamt wurden rund 9 Millionen Euro investiert, rund 3,6 Millionen Euro wurden dem Ort an Fördergeldern bewilligt. Dort hat es mit dem Geldsegen also geklappt – nach harter und jahrelanger Arbeit.