Hollenstedt. Hollenstedts Bürgermeister liegt mit seinen Gegnern über Kreuz, seitdem sie ihn des Wahlbetrugs bezichtigten.

Heiner Albers, hauptamtlicher Bürgermeister der Samtgemeinde Hollenstedt, hat Grund zum Feiern – wobei er seinen Triumph im Gerichtsverfahren um eine mögliche Wahlbeeinflussung seinerseits bei der Wahl um das Samtgemeindebürgermeisteramt im September 2021 nach dem Geschmack einiger Beobachter zu sehr auskostet. Denn der parteilose Bürgermeister fordert in einer Presseerklärung zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg nicht nur den Rücktritt des Ratsvorsitzenden Manfred Cohrs (CDU), sondern gleichzeitig auch den der Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Albers’ Reaktion wird von Kritikern als eine für einen Verwaltungschef unangemessene Retourkutsche gewertet.

Hollenstedts Bürger Albers hatte selbst Klage eingereicht

Fakt ist: Der Wahleinspruch gegen die Gültigkeit der Samtgemeindebürgermeisterwahl im September 2021 bleibt ohne Erfolg. Das OVG hat den Antrag auf Zulassung der Berufung durch den Rat der Samtgemeinde Hollenstedt jetzt endgültig abgelehnt. Der Samtgemeinderat hatte diesen Antrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg gestellt, mit dem dieses die Wahlprüfungsentscheidung des Rates zur Ungültigkeit der Samtgemeindebürgermeisterwahl aufgehoben und den Rat verpflichtet hatte, den Wahleinspruch eines Bürgers zurückzuweisen.

Albers selbst hatte Klage eingereicht, um damit gegen den Beschluss des Hollenstedter Samtgemeinderats vorzugehen, der Neuwahlen vorsah. Wie berichtet, war es in dem Gremium im Dezember 2021 zum Eklat gekommen, nachdem ein Moisburger Bürger Wahleinspruch erhoben hatte. Eine große Ratsmehrheit war dem gefolgt und hatte die Bürgermeisterwahl vom 12. September 2021 für ungültig erklärt.

Samtgemeinderat wollte die Wahl wiederholen

Der Samtgemeinderat wollte die Wahl wiederholen, weil Albers am Tag vor der Wahl den Briefkasten der Samtgemeindeverwaltung geleert hatte, in dem sich auch Wahlbriefe befanden. Damit geriet Albers, der zudem am Wahltag in den Wahllokalen Blumen an die Wahlhelfer verteilt hatte, unter Druck. Der parteilose Bürgermeister hatte die Wahl äußerst knapp mit nur 103 Stimmen Vorsprung gegen seine Herausforderin Kerstin Markus (SPD) – pikanterweise eine seiner leitenden Mitarbeiterinnen aus der Samtgemeinde-Verwaltung – gewonnen.

Heiner Albers klagte gegen den Ratsbeschluss vor dem Verwaltungsgericht in Lüneburg und bekam im vergangenen Herbst Recht: Die Wahl musste nicht wiederholt werden.

„Ich bedauere die ganze Geschichte und den unnötigen Druck auf mich persönlich.“

Daraufhin stellte der Samtgemeinderat einen Antrag auf Zulassung einer Berufung, die nun abgelehnt wurde. Die hauptsächliche Begründung: Trotz des knappen Wahlergebnisses und der möglichen Versäumnisse in der Organisation der Wahl bezüglich der Abschottung der Wahlunterlagen gegenüber einem Wahlkandidaten fehle es auch nach Auffassung des OVG-Senats an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass - wie nach dem Niedersächsischen Kommunalwahlgesetz für einen erfolgreichen Wahleinspruch erforderlich – die beanstandeten Abläufe und das Verhalten des Samtgemeindebürgermeisters am Wahltag das Wahlergebnis wesentlich beeinflusst haben könnten. Dieser Beschluss des OVG ist nicht anfechtbar.

„Ich bedauere die ganze Geschichte und den unnötigen Druck auf mich persönlich. Es war eine wirklich schwere Zeit“, so Albers in seiner Pressemitteilung.

Bürgermeister das Opfer einer Kampagne?

Er hatte sich seit dem Beschluss des Rates zur Wahlwiederholung als Opfer einer Kampagne gesehen, die ihm unterschwellig Wahlbetrug unterstelle. Gegenüber dem Abendblatt hatte Albers eingeräumt, dass sein Handeln „unüberlegt“ gewesen sei, aber nicht rechtswidrig. Nach der Ablehnung des Antrags auf Berufung teilt der erleichterte Bürgermeister nun gegen seine vermeintlichen Gegner aus: Man habe „eine unglaubliche Auflistung von Inkompetenz“ in einem mit Fehlern gespickten Verfahren erlebt. Teile des Rats unter Vorsitz des Rechtsanwalts und Notars Manfred Cohrs bezeichnet Albers in seiner Presseerklärung als „schlechte Verlierer“, zu denen die Bürger der Samtgemeinde kein Vertrauen mehr haben könnten. Sie hätten der Samtgemeinde einen Schaden zugefügt, den der Steuerzahler noch teuer würde bezahlen müssen, so der Samtgemeindebürgermeister, der nach dem Ratsbeschluss zur Wahlwiederholung von seiner Seite aus Klage erhoben hatte.

„Der Samtgemeinderat musste nach dem Bürger-Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl als erste Instanz darüber entscheiden. Das sieht das Verfahren so vor“, sagt dagegen der Ratsvorsitzende Manfred Chors. „Wir sind nur unseren Aufgaben nachgekommen und haben unsere Pflicht getan. Herr Albers hätte diesen, mit großer Mehrheit getroffenen, Ratsbeschluss ja auch einfach akzeptieren und sich Neuwahlen stellen können.“

„Merkwürdiges Rechtsverständnis“?

Die Pressemitteilung des Samtgemeindebürgermeisters sei beispiellos, meint Cohrs. Es offenbare ein merkwürdiges Rechtsverständnis, wenn aus dem Urteil abgeleitet würde, dass alle, die nicht der Meinung des Bürgermeisters sind, zurücktreten müssten, so der Ratsvorsitzende. „Ich hätte das anders formuliert und betont, dass ich glücklich bin über den Ausgang und mich gleichzeitig dafür entschuldigt, dass mein Verhalten zu diesen Folgen geführt hat“, sagt Cohrs. Etwas mehr Zurückhaltung fände er angebracht, so der Rechtsanwalt – zumal das Gericht durchaus Wahlverstöße gesehen habe, diese aber als nicht ausreichend für eine Wahlwiederholung bewertet worden seien.

Albers dagegen bewerte den Vorgang vor allem aus einer persönlichen Perspektive. „ Man sollte aber von einem Verwaltungschef vor allem in Bezug auf die künftige Zusammenarbeit mit dem Rat einen professionelleren Umgang erwarten können“, sagt Cohrs. Der Ratsvorsitzende betont: „Kein Mensch denkt daran, zurückzutreten. Das Ergebnis des Verfahrens werden wir aber respektieren und professionell damit umgehen.“ Schließlich stünden wichtige Beratungen und Entscheidungen für die Samtgemeinde an, wie die Haushaltsplanung, die Unterbringung von Flüchtlingen, der Kitaausbau und die allgemeine Entwicklung in den Mitgliedsgemeinden. „Es wäre schön, wenn der Bürgermeister in diesem Sinne seine Arbeit machen würde“, so Cohrs.

„Wir haben in der Samtgemeinde noch so viel vor“

Albers wird im Rat der Samtgemeinde Hollenstedt offenbar nur noch von der Wählergemeinschaft Hollenstedt unterstützt, die über sieben der insgesamt 29 Sitze in dem Gremium verfügt. Sowohl die Gruppe CDU/SPD als auch die Grünen haben nach Abendblatt-Informationen unabhängig von dem Streit über mögliche Wahlverstöße ihre Schwierigkeiten mit der Amtsführung des Samtgemeindebürgermeisters. Deshalb könnten die Zeiten für Albers trotz des für ihn positiven Ausgangs im Rechtsstreit über die Gültigkeit seiner Wahl schwierig bleiben.

„Wir werden den Bürgermeister und seine Amtsführung inhaltlich weiter kritisieren und mit der Kritik nun auch in die Öffentlichkeit gehen, wenn es sein muss“, kündigte Cohrs für seine Fraktion an.

Auch der Bürgermeister schaut nach vorn: „Wir haben in der Samtgemeinde noch so viel vor“ so Heiner Albers. Tausende von Euro würden nun allerdings an Rechtsanwalts- und Gerichtskosten bezahlt werden müssen. „Steuergeld, dass in Zeiten knapper Kassen besser bei den Feuerwehren oder dem Freibad eingesetzt worden wäre“, so der Verwaltungschef, der bei seinen Rücktrittsforderungen bleibt: „Wir brauchen hier eine klare Haltung“ so Albers. Das sei eine Frage der Ehre und des Anstandes.