Altes Land. Jungtier lässt sich kaum noch verscheuchen und hält sich bereits in Gärten auf. Bürgermeister wendet sich verzweifelt an Umweltminister.
- Während sich in anderen Regionen bei Hamburg die Lage entspannt, kommt es südlich der Elbe wieder vermehrt zu Wolfsattacken
- Im Alten Land hat ein Wolf zuletzt etliche Deichschafe gerissen
- Doch das Tier kann nicht abgeschossen werden – und nähert sich immer weiter den Menschen
Nach den folgenschweren Wolfsangriffen auf Deichschafe auf der Elbinsel Hahnöfersand vor knapp zwei Monaten und vor gut einer Woche will die Gemeinde Jork bei Hamburg einen Wolf loswerden, der seit Wochen auf dem Gemeindegebiet umherstreicht.
Dabei verfolgt der Ort im Alten Land einen bis dato eher ungewöhnlichen Ansatz: Statt den Wolf abzuschießen, möchte die Gemeinde, dass das Raubtier umgesiedelt wird.
Altes Land bei Hamburg: Wo Wölfe die Scheu vor den Menschen verlieren
Angesichts der Tatsache, dass eine Abschussgenehmigung – wie sie der Stader Landrat fordert – für die streng geschützten Wölfe nur sehr schwer zu erwirken ist oder aufgrund von Klagen gegen die Genehmigung ohnehin oft nicht umgesetzt wird, haben sich die Altländer etwas anderes überlegt.
Bürgermeister Matthias Riel hat sich mit der Bitte an Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) gewandt, das Jungtier, das von Anwohnern fast täglich gesichtet wird, aufgrund der konfliktträchtigen Situation mit Bewohnern und Weidetierhaltern und wegen des Deichschutzes aus dem Alten Land fortzubringen.
Wolf in Jork zeigt keine Scheu vor den Menschen
In Jork ist man zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei dem im Ort gesichteten Wolf um ein Einzeltier handelt. „Deshalb haben wir bewusst als mildesten Eingriff darum gebeten, das Wildtier mittels Lebendfalle oder Betäubung zu fangen und in einem konfliktärmeren Bereich auszuwildern“, so Riel. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es heutzutage nicht möglich ist, ein wild lebendes Tier durch eine Lebendfalle oder gezielte Betäubung zu sichern und andernorts wieder auszuwildern – gerade hier, wo es offensichtlich – noch um ein Einzeltier geht“, sagt der Bürgermeister.
Bei der Kennzeichnung von Einzeltieren mit Transpondern dürfte der Einsatz von Lebendfallen oder Betäubung bereits erprobt worden sein, meint Riel. Allerdings ist nicht klar, ob es sich in Jork wirklich um einen Einzelgänger handelt und ob dieser für die jüngsten Schafsrisse überhaupt verantwortlich ist.
Anwohner in Jork und Umgebung bangen um ihre Kinder und Haustiere
Der Bürgermeister stellt sich aber unabhängig von der aktuellen Diskussion um das Bestandsmanagement von Wölfen die Frage, warum keine Umsiedlung eines solchen einzelnen Jungtiers erfolge, das offensichtlich die Scheu vor den Menschen verloren habe.
Der Wolf werde in den Obsthöfen, an den Wirtschaftswegen und zuletzt auch auf Pferdekoppeln, auf den Hofanlagen und in Gärten gesichtet, wie Riel bereits an den Umweltminister berichtet hat. „Also im direkten Umfeld der dort lebenden Menschen. Mit wurde auch berichtet, dass sich das Tier kaum noch durch Lärm, wie durch Treckerhupen, vertreiben oder vergrämen lässt, also immer weniger scheu ist – und damit meines Erachtens ein artfremdes Verhalten zeigt.“
Küstenschutz: Region fordert wolfsfreie Zonen an den Deichen
Der Bürgermeister bestätigt, dass Anlieger daher ihre Kinder nicht mehr im Garten spielen und Tiere nicht mehr ins Freie ließen. „Die Verunsicherung der Bevölkerung ist groß und es werden dringend Unterstützung und Perspektiven benötigt“, sagt Riel.
Es sei klar, dass der Wolf zurecht unter Artenschutz stehe: „Aber für unsere Region bedarf es meines Erachtens auch unter Einbeziehung der Deichschäferei einer besonderen Abwägung mit den Belangen des Küstenschutzes, der ja auch Bevölkerungsschutz ist, und somit auch mit dem Bedarf einer wolfsfreien Zone entlang der Deiche“, fordert Jorks Bürgermeister in Richtung Umweltministerium.
Mit dem aktuellen erneuten Riss von für die Pflege der Deiche eingesetzten Deichschafen auf Hahnöfersand sei eine weitere Eskalationsstufe erreicht und Entscheidungen der Landesregierung seien zwingend geboten.
Bürgermeister: Sorgen der Menschen in Jork sind berechtigt
„Mir ist zum Glück noch kein Übergriff eines Wolfes auf Menschen bekannt, und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Dass das so bleibt, liegt aber nicht in meinen Kompetenzen und Händen, sondern in Ihren“, schreibt Jorks Bürgernmeister an den zuständigen Landesumweltminister. „Wir brauchen Unterstützung und müssen unseren Mitmenschen etwas anbieten. Die Sorgen unserer betroffenen Bevölkerung um einen quasi vor der eigenen Haustür lebenden Wolf sind berechtigt und anzugehen“, meint Riel.
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Der Jorker Gemeinderat hat sich den Forderungen des Bürgermeisters angeschlossen und bei der jüngsten Ratssitzung eine Resolution verabschiedet, verbunden mit der Erwartung an das Niedersächsische Umweltministerium, unverzüglich Entscheidungen in der Wolfsfrage im Sinne der Altländer zu treffen und zu handeln.
Fehlende Zuständigkeit, fehelnde Informationen: Jorks Bürgermeister klagt an
Inzwischen würden Rathaus-Mitarbeiter und auch der Bürgermeister sowie die Ratsmitglieder regelmäßig persönlich mit den Fragen und Sorgen der Anwohner bezüglich des Wolfes konfrontiert. „Antworten und Lösungsansätze können wir nicht geben – mangels fehlender Zuständigkeit, fehlender Entscheidungskompetenzen und vor allem mangels auch für uns verfügbarer Informationen. Das ist auch für unsere Gemeindeverwaltung und den Jorker Gemeinderat eine unbefriedigende Situation“, kritisiert Matthias Riel.
„Wir bitten deshalb die zuständigen Regierungsstellen darum, für die aktuelle Situation in der Gemeinde Jork gezielte Informationen bereitzustellen – dazu wären Handlungsempfehlungen nötig, genauso aber auch verlässliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Fragen und bei Eskalationsfällen“, so der Bürgermeister.