Fahrenholz. Der 60er-Jahre-Gasthof „Zum Entenkönig“ in Fahrenholz wirkt wie aus der Zeit gefallen. Doch nicht nur Nostalgiker werden hier glücklich.
In der Gastwirtschaft „Zum Entenkönig“ in Fahrenholz im Landkreis Harburg scheint die Zeit stillzustehen. Schlichte Holztische und Stühle stehen auf blank geputztem Parkett. Die Wände schmücken Medaillen von Feuerwehr-Wettkämpfen, Reh-Gehörn, Wildschweinfell und Sparclubkasten. Von der hohen Decke hängt Leuchtreklame für ein Bier, das längst nicht mehr gebraut wird.
Der Wirt Franz Twesten hatte seit der Eröffnung 1954 nie Interesse an einer Modernisierung. So wurde die Kneipe des kleinen Dorfes am Ilmenaukanal zu einem skurrilen Zeugnis der Vergangenheit – und erscheint nun trotzdem in neuem Glanz: Ulrike Fehling und ihr Lebensgefährte Thomas Mogilowski, die neuen Besitzer des großen Gaststätten- und Hofgebäudes, pflegen den 60er-Jahre-Chic ihres Hauses ganz bewusst.
Landgasthöfe Hamburg: Im „Entenkönig“ wird noch Skat gespielt und diskutiert
Hier finden regelmäßig dörfliche Skatturniere statt, Vereine treffen sich zu Clubabenden und Diskussionsrunden. Hier werden Jubiläen und Geburtstage gefeiert, hier können Tauffeste oder Trauerfeiern begangen werden. Die Rahmenbedingungen sind sehr flexibel. Regulär wiedereröffnet wird die Gastwirtschaft damit zwar nicht. Aber das Lokal steht für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung.
Wer die Räumlichkeiten mietet, kann wahlweise ein Cateringunternehmen engagieren oder sich selbst versorgen. Und auch Ulrike Fehling kann sich vorstellen, Gäste zu bewirten. „Ich habe ländliche Hauswirtschaft gelernt und fühle mich in Großküchen durchaus wohl.“ Thomas Mogilowski, versiert am Grill, serviert gern Fleisch von den hofeigenen Rindern.
Auf dem Dach brüten Störche, auf dem Tresen stehen ausgestopfte Enten
Bis zu 30 Personen finden in Gaststube und Clubraum Platz. Draußen gibt es eine Terrasse und Wiesenflächen, ländlich naturbelassen. Auf dem Nachbardach brüten Störche. Das ganze Dorf wirkt verträumt. Für den Erhalt des 60er-Jahre-Chics haben sich Ulrike Fehling und Thomas Mogilowski ganz bewusst entschieden. In der Diele haben sie sogar Tapeten entfernt und die ursprünglichen Wanddekore wieder freigelegt.
Auch die ausgestopften Enten über dem Tresen behalten selbstverständlich ihren Platz. Geschossen hat sie einst der alte Wirt, ein passionierter Entenjäger. „In der Binnenmarsch zwischen Ilau und Ilmenau gab es früher enorm viele Wasservögel“, erinnert sich Ulrike Fehling an ihre Kindheit. Dass sie der Gaststätte nun den Namen „Entenkönig“ gegeben hat, ist eine Reminiszenz an den jagdbegeisterten Wirt und alte Zeiten.
Der NDR wählte Fahrenholz als Kulisse des fiktiven Dorfs „Österbraurup“
Auch wenn es inzwischen weniger Enten geben mag – die ländliche Idylle scheint hier in der Binnenmarsch östlich von Winsen noch intakt. Auch deshalb wählte der NDR Fahrenholz als Kulisse des fiktiven Dorfes „Österbrarup“, dem Schauplatz der Serie „Da is‘ ja nix“. Viele Szenen wurden in der alten Gaststätte gedreht.
„Das gehörte zu den Requisiten“, sagt Ulrike Fehling und deutet auf eine riesige Lampe, die in der Tenne von der Decke baumelt. In der Scheune wurde einst der hölzerne Tanzboden ausgelegt. Geschwoft werden wird aber nie wieder. Denn hier plant Ulrike Fehling die Erweiterung ihrer Landkäserei und ihres Hofladens.
Ulrike Fehling vermarktet die Milch ihrer kleinen Kuhherde direkt
Seit 1995 bewirtschaftet sie das Anwesen ihrer Vorfahren. Um den 40-Hektar-Betrieb rentabel halten zu können, vermarktet sie die Milch ihrer kleinen Kuhherde direkt. Dafür hat sie die Käserei eröffnet und eine Philosophie entwickelt. „Alles, was auf dem Hof geboren und produziert wird, soll auch hier bleiben, verarbeitet und verkauft werden.“
Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei dem Tierwohl. Obwohl die Milch der Kühe für die Herstellung von Käse und Quark gebraucht wird, dürfen die Kälber drei Monate am Euter ihrer Mütter trinken, bis sie behutsam „abgestillt“ werden. Auch die jungen Ochsen werden nicht verkauft, sondern dürfen bis zur Schlachtung drei Jahre lang auf den Fahrenholzer Weiden grasen. Sie leben also doppelt so lange wie ihre Artgenossen in Mastbetrieben. Ihr Fleisch wird im Hofladen angeboten und ist heiß begehrt.
Die Milchproduktion wird in den kommenden Jahren noch steigen
In letzter Zeit wurden bei Ulrike Fehling mehr weibliche als männliche Kälber geboren. Es ist also absehbar, dass die Milchproduktion in den kommenden Jahren steigen wird. Schon jetzt reicht die räumliche Kapazität der Käserei nicht immer aus, um die täglich anfallende Menge selbst zu verarbeiten. Einen Teil muss Ulrike Fehling zuweilen an die Molkerei abgeben – was weder lohnt noch mit ihrer Philosophie in Einklang steht.
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Deshalb hofft sie inständig, dass die Finanzierung des bereits genehmigten Um- und Ausbaus des Nachbarhauses bald steht. Fördergelder über das Dorfentwicklungsprogramm des Landes Niedersachsen wären hilfreich für die Realisierung ihres Projektes.
Vielleicht wird gerade die alte Gaststätte dazu beitragen, dass Fahrenholz ins Programm aufgenommen wird. Denn Schaffung, Erhaltung und Ausbau von sozialbezogenen dörflichen Infrastruktureinrichtungen ist ein Kriterium für die Aufnahme, genau wie Revitalisierung ungenutzter und leerstehender, ortsbildprägender oder landschaftstypischer Bausubstanz.
Hofladen Fehling GbR, Schulweg 1, 21423 Drage-Fahrenholz, Tel.: 04179/7477
Öffnungszeiten Hofladen: Montag bis Freitag: 9 bis 17 Uhr, Sonnabend: 9 bis 17 Uhr. www.landkaeserei-fehling.de