Buchholz. Monika Brandt ist die Physiotherapeutin des Hamburger Star-Ensembles. Nun beschert sie ihrer Heimatstadt einen großen Ballett-Abend.
- „Nacht der Tänze“ in der Empore soll der Auftakt zu Veranstaltungsreihe werden
- Junge Künstler präsentieren eigene Choreografien
- Ballett-Ereignis der Extraklasse im Landkreis Harburg
Vorhang auf für junge Tänzerinnen und Tänzer des Hamburg Balletts von John Neumeier: Am Donnerstag, 21. März, 20 Uhr, steigt in der Buchholzer Empore die erste „Nacht der Tänze“. Eine Gelegenheit, die Ausnahmebegabungen zu erleben, die sonst auf der Bühne der Hamburger Staatsoper umjubelt werden. Möglich macht dieses Ballett-Ereignis der Extraklasse die Buchholzerin Monika Brandt. Diese Frau hat durch ihre 41-jährige Tätigkeit für das Hamburg Ballett allerbeste Kontakte zum Ensemble. Und sie hat eine Mission: Die 72-Jährige will aus Buchholz eine Stadt von Ballett-Freunden machen.
Der Buchholzer Tanznacht sollen weitere folgen, die nicht nur ein etabliertes Theater- und Opernpublikum anziehen, sondern vor allem junge Leute. Denn diejenigen, die im Buchholzer Veranstaltungszentrum demnächst auf der Bühne stehen werden, sind selbst jung. Sie kommen aus verschiedenen Teilen der Welt, sprechen verschiedene Sprachen, aber sie alle haben Träume, Wünsche und Gedanken, die auch ihre Altersgenossen umtreiben.
Hamburg Ballett von John Neumeier – zu Gast in der Empore Buchholz
Dank ihrer außerordentlichen körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten können sie das Lebensgefühl ihrer Generation in einer Art darstellen, die nicht nur ein ästhetischer Genuss ist, sondern unmittelbar berührt. Monika Brandt macht deutlich: „Hier geht es nicht um verstaubte Bühnenkunst für Eliten, um anmutige Mädchen im Tutu und geschminkte Männer in Strumpfhosen. Sondern um Emotionen.“
Monika Brandt ist als Sportphysiotherapeutin Betreuerin des rund 60 Mitglieder zählenden Ensembles von John Neumeier. Sie legt Hand und Bandagen an, um die beanspruchten Körper der Künstler wieder fit für die Bühne zu machen. Und ist auch erste Ansprechpartnerin bei kleineren Wehwehchen.
John Neumeiers Ensemble: Weit über die Grenzen Hamburgs hinaus anerkannt
Eher durch Zufall hat Brandt, die alle nur Moni nennen, Zugang gefunden in den Kreis von John Neumeier, der als einer der besten und einflussreichsten internationalen Choreographen und Ballettchefs gilt. Brandt, die im Buchholzer Ortsteil Trelde aufgewachsen ist und nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester weitere Ausbildungen als Heilpraktikerin und Physiotherapeutin erfolgreich abgeschlossen hat, außerdem Schmerztherapeutin, Rückentrainerin und Pilates-Expertin ist, führte damals noch eine eigene Praxis in Eppendorf mit 14 Angestellten.
Eine Tänzerin aus dem Neumeier-Ensemble suchte damals wegen Kniebeschwerden ihre Hilfe. Und Moni half. So wirksam, dass sie sich fortan vor Aufträgen kaum noch retten konnte. Nicht nur Neumeiers Tänzer, auch Musicaldarsteller aus Cats, aus Starlight Express, Schauspieler aus Schauspielhaus und Thalia-Theater kamen zu ihr.
Therapeutin aus Trelde kümmert sich um junge Tänzerinnen und Tänzer
Als Brandt begann, die Neumeier-Truppe auf ihren Auslandstourneen in alle Welt zu begleiten, ließ sich das mit der Praxisarbeit nicht mehr vereinbaren. Also schloss die junge Frau ihre Praxis und widmete sich fortan voll und ganz den Tänzern. Ein Job ohne Feierabend. Bis zu zwölf Stunden täglich ist sie im Ballettzentrum und hinter der Bühne. So wie die Tänzerinnen und Tänzer auch, die durchschnittlich zehn Mal die Woche trainieren. Dazu kommen noch die Aufführungen, auch am Sonntag.
Trotzdem sagt Brandt: „Ich freue mich jeden Tag, wenn ich zur Arbeit gehen kann.“ Sie genießt das Zusammensein mit dem internationalen Ensemble, dessen Mitglieder zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, in Ausnahmefällen auch mal 40 Jahre. „Ich hab sie alle lieb“, gesteht sie.
Die Herzlichkeit, das Miteinander gefallen ihr. „Es ist richtig kuschelig in unserer Gruppe, einer ist für den anderen da“, beschreibt die Physiotherapeutin. Eifersüchteleien, beinhart ausgefochtene Kämpfe um die Hauptrolle, all das, was den Stoff von Hollywood-Ballettfilmen ausmacht, hat Moni im Ballett Hamburg noch nie erlebt.
„Wenn Ballett-Tänzer einen Raum betreten, werden sie nie übersehen“
„John bestimmt, wer was tanzt“, stellt sie klar. Die zierliche Frau, die in allem, was sie sagt und tut, die vibrierende Energie einer Ballerina ausstrahlt, hat selbst nie ernsthaft getanzt. „Aber wenn ich Kinder hätte, würden die bestimmt Ballettunterricht bekommen“, sagt sie. Denn sie kann sich kaum eine andere Bewegungsform vorstellen, die in ähnlich eleganter Weise Physis, Haltung und Präsenz stärkt. „Wenn Ballett-Tänzer einen Raum betreten, werden sie nie übersehen“, schwärmt Moni.
Wie sie mit den oft sensiblen Seelen von Tänzerinnen und Tänzern umgehen kann, weiß sie inzwischen. „Ich mag junge Menschen, die nach vorne wollen, ich mag das Verrückte, die Trauer, das Spiel der Emotionen“, sagt sie und ist fast jederzeit für ihr Team erreichbar. Als Vertraute, als Freundin und Betreuerin, als Mama.
Und als verantwortungsvolle Fachfrau, die bei drohender Überlastung auch mal interveniert. Denn sie weiß, wie wenige Jahre eine Tänzerin, ein Tänzer auf der Bühne hat und wie wichtig es ist, das Handwerkszeug, nämlich den Körper, in Ordnung zu halten. Sich von Endorphinen getragen über die eigenen Grenzen hinwegzusetzen zahlt sich nie aus, weiß Brandt.
Auftritte und Applaus - dafür leben die jungen Künstler
Hält der Schmerz an, besteht sie immer auf einer ärztlichen Abklärung. Und besorgt mit viel Überzeugungskraft zeitnah Untersuchungs- und Behandlungstermine für die Tänzer, die sonst möglicherweise nur einen Platz auf einer Warteliste bekämen. Warten? Für Tänzerinnen und Tänzer schlimmste Folter.
Nicht nur, weil sie jeden Tag trainieren müssen, um ihr Hochleistungsniveau zu halten
. Sondern auch, weil sie leiden, wenn sie auf Proben, Gemeinschaft und das verzichten müssen, was ihr Leben ausmacht: die Auftritte und den Applaus.
Gerade klingelt das Handy von Moni. Eine junge Tänzerin ist über ihr Kostüm gestolpert und hat sich die Schulter ausgekugelt. Zum zweiten Mal in drei Monaten. Nun muss sie operiert werden. Diese Hiobsbotschaft den Betroffenen mitzuteilen, ist für die Fachfrau immer noch eine schwierige Aufgabe: „Die meisten sind nach einer Verletzung einfach nur geschockt und haben überhaupt nicht verstanden, was das für ihre Karriere bedeuten kann“, beschreibt die Spezialistin. Doch zurück auf die Bühne wollen sie alle. Lieber heute als morgen. Egal wie und wo.
Buchholzer Publikum ist begeisterungsfähig und kennt sich aus
Diese Begeisterungsfähigkeit hat Brandt dabei geholfen, die vielgerühmten Hamburger Tänzerinnen und Tänzer in die Nordheide zu locken. „Die jungen Leute wollen sich zeigen, und wenn sie dabei auch noch eine eigene Choreographie tanzen können, ist das für sie eine ganz große Sache“, weiß sie. Nach Jahren der Zusammenarbeit mit Trintla Cultura in Trelde hat Monika Brandt jetzt die Empore Bühne – „ein schnuckeliges kleines Theater“ – für ihre Leute entdeckt.
„Sie stand eines Tages einfach bei mir im Büro und hat gefragt, ob nicht Neumeier-Tänzer bei uns auftreten dürften“, beschreibt es Onne Hennecke, der noch heute erstaunt über diese Begegnung ist und seither alles möglich macht, um dem Ballett in Buchholz auf die Füße zu helfen. Anstrengungen, die das Publikum belohnt: Der Auftritt der 1. Hamburger Solistin Silvia Azzoni mit ihrem Ehemann Alexandre Riabko im vergangenen November in der Empore war ein voller Erfolg. Auch der Auftritt des Bundesjugendballetts im Januar dieses Jahres – ebenfalls von Monika Brandt eingefädelt – wurde bejubelt.
Nun also die erste Nacht der Tänze. Monika Brandt verspricht einen Abend, an dem von klassischem bis zu modernem Tanz ein breites Spektrum der Bühnenkunst geboten wird, das die Zuschauer in einer schwierigen Zeit, die durch Krieg und Inflation geprägt ist, glücklich und froh stimmen soll.
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Und noch ein Bonbon den Ballettnachwuchs: Ab dem 14. März werden einzelne Tänzer des Hamburger Ensembles, die nach einer herausfordernden Saison gerade Urlaub haben, Ballettschulen in den Landkreisen Stade, Harburg und Rotenburg besuchen und dort jeweils ein Training anleiten. Monika Brandt ist derweil nicht untätig: „ Gegenwärtig sichte ich gerade die Bewerbungen für 2025“, verrät sie, „denn ich will, dass die Nacht der Tänze eine Buchholzer Tradition wird.“