Undeloh. Offizieller Naturistenweg lockt Besucher aus ganz Deutschland in die Lüneburger Heide. Doch was bewegt Menschen, die nackt wandern gehen?

  • Für Naturisten ist der hautnahe Kontakt zur Natur der wichtigste Grund, warum sie ihre Umgebung unbekleidet spüren möchten
  • Doch nackt auf eine Wanderung zu gehen, ist aus guten Gründen in Deutschland verboten
  • Um den offiziellen Naturistenweg bei Undeloh zu erkunden, nehmen Wanderfreunde deshalb weite Wege auf sich

Klaus aus Gütersloh ist schon weit gefahren an diesem Sonntagvormittag. Nun hat er sein Ziel im Landkreis Harburg erreicht. Zufrieden sitzt er auf einer Bank am Parkplatz zwischen Wesel und Wehlen, mitten im Naturschutzpark Lüneburger Heide. Gleich wird Klaus auf dem Naturistenweg Undeloh zu einer Wanderung starten.

Nackt durch die Lüneburger Heide wandern: Besucher kommen aus ganz Deutschland

An den Füßen trägt er kernige Schnürschuhe, ansonsten aber ist er nackt. So wie auch Michael aus Hamburg und Udo aus Hollenstedt, die wenig später dazukommen. Sie haben sich über das Internet verabredet, um so unterwegs zu sein, wie sie es am schönsten finden: völlig hüllenlos.

Klaus und Udo Klaus lieben es, den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren – und auch den Regen.
Klaus und Udo Klaus lieben es, den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren – und auch den Regen. © HA | nanette franke

Der Naturistenweg Undeloh ist neben einem Wanderweg bei Wippra im Ostharz der einzige Weg in Deutschland, auf dem unbekleidetes Wandern und Radfahren erlaubt ist. Grund genug, für Klaus frühmorgens in sein Auto zu steigen und 220 Kilometer zu fahren.

„Wenn wenn man woanders nackt herumläuft, kann es sein, dass man Probleme bekommt, und ich will keinen Ärger“, sagt er. Heute ist ein Tag nach seinem Geschmack. Etwas windig, um die 20 Grad. Klaus liebt es, den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren, und auch den Regen.

Unbekleidet in die Natur: Klaus und Udo auf ihrer Wanderung durch die Lüneburger Heide.
Unbekleidet in die Natur: Klaus und Udo auf ihrer Wanderung durch die Lüneburger Heide. © HA | nanette franke

Kleidung beim Wandern? Für den 63-Jährigen einfach nur beengend. Klebt, wenn man schwitzt, hinterher muss man sich umziehen. Nacktwandern dagegen – eine Erfahrung der Leichtigkeit, das ist „fast wie schwerelos auf dem Mond“.

Erste Erfahrungen mit dem FKK-Wandern im ehemaligen Jugoslawien

Seine ersten Erfahrungen mit dem FKK-Wandern hat Klaus im damaligen Jugoslawien gemacht, wo er Ferien-Resorts kennenlernte, in deren Wäldern Nudisten sich völlig frei bewegen konnten. Warum es so wenig Angebote in Deutschland gibt, will dem Ruheständler nicht in den Kopf. „Wir tun doch niemandem was.“

Zerbeult und beschmiert: das Schild am Naturistenparkplatz
Zerbeult und beschmiert: das Schild am Naturistenparkplatz © HA | nanette franke

Seit 2012 gibt es den Naturistenweg in der Heide. Der Undeloher Gemeinderat votierte einstimmig dafür, die Strecke für Nacktwanderer freizugeben. Wie die unterschiedlichen Autokennzeichen auf dem Parkplatz verraten, kommen Touristen aus ganz Deutschland hierher.

Die Freikörperkultur hat in der Heide Tradition. Im nahe gelegenen Egestorf betrieb Robert Laurer, Verleger der FKK-Zeitschrift „Lachendes Leben“, von 1926 bis zum Zweiten Weltkrieg den „Jungborn Sonnenland“, der internationale Gäste anzog und Sonne und Nacktheit als Weg zur Gesundung anpries. Heute befindet sich auf dem Gelände der Barfußpark.

Nackte in der Heide scheinen nicht allen zu gefallen

Obwohl inzwischen Oben-ohne in vielen öffentlichen Freibädern auch für Frauen erlaubt ist, scheinen Nackte in der Heide noch immer manchem zu missfallen. Auf dem Schild, das den Rundwanderweg ausweist, wurde das Wort „nackt“ mit Akribie und Marker geschwärzt.

Mit dem gelben N ist der Naturistenweg durchgängig gekennzeichnet.
Mit dem gelben N ist der Naturistenweg durchgängig gekennzeichnet. © HA | nanette franke

„Wir haben schon mehrfach erlebt, dass das Schild ganz entfernt wurde, samt schwerem Holzpfahl einfach aus dem Erdreich gerissen“, berichtet Michael, der zur Projektgruppe Naturistenweg gehört. Dieses Team hatte die Einrichtung des Weges initiiert. Inzwischen betreut Michael einen Verteiler mit über 100 Adressen, in dem er gemeinsame Touren ankündigt, gelegentlich auch mit dem Rad.

Nichts kneift, nichts stört: Naturisten empfinden Kleidung als Zwangsjacke

Michael ist schon immer gern nackt gewandert. Er genießt es, sich frei in der Natur zu bewegen. Nichts kneift, nichts stört. Klaus pflichtet ihm bei: „Wenn man hinterher wieder in die Klamotten steigt, fühlen die sich fast an wie eine Zwangsjacke.“ Inzwischen ist ein junges Paar auf dem Parkplatz eingetroffen. Mit Rucksack und ohne Kleidung machen sie sich auf den Weg. Doch angesprochen werden wollen sie möglichst nicht: „Der Job, Sie wissen schon.“

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Überhaupt sind junge Leute eher selten unter den Nacktwanderern, hat Udo beobachtet. Woran das liegt? Vielleicht ist es ein Generationenproblem. „Wir sind damals noch freier erzogen worden“, sagt der 59-Jährige. Schon als Kind hat er mit den Eltern FKK-Urlaub gemacht und ist jetzt froh, dass er in der Heide wieder Gelegenheit dazu findet.

Nacktwandern wirkt stablisierend auf die Seele

Für ihn hat das Nacktwandern eine auch seelisch stabilisierende Funktion. Das Sich-Selbst-Spüren, darauf komme es ihm an. Deshalb ist Udo dort, wo keine Steine liegen, barfuß unterwegs. Mit den Füßen die Erde zu berühren und sich anhand der Bodenbeschaffenheit zu orientieren, das ist für ihn ein siebter Sinn, der im Alltag verkümmert ist.

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Er stört sich nicht an vereinzelten neugierigen oder erstaunten Blicken derer, die sich komplett angekleidet auf den Naturistenweg begeben. Dieser ist schließlich seit 2017 für alle gut sichtbar durchgängig mit einer N-Markierung an Bäumen gekennzeichnet.

Bei jeder Wanderung sammelt Udo Müll ein, der entlang des Weges herumliegt

Auch Michael hat keine Berührungsängste mit Angezogenen. „Manche grinsen, andere gucken weg, mir ist noch nie ernsthaft etwas passiert.“ Was beide Nacktwanderer aber ziemlich nervt, ist der Müll, der selbst hier, in der abgeschiedenen Walachei, überall herumliegt.

Deshalb hat Udo immer eine Plastiktüte dabei, in der er die Hinterlassenschaften der zumeist angezogenen Besucher aus Wald und Heide sammelt und entsorgt.

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Gute zwei Stunden sind die nackten Männer heute auf der zehn Kilometer langen Strecke unterwegs. Ursprünglich war der Weg einmal länger. Doch die Nähe zu Jagdpächtern, zu Touristen auf dem nahe gelegenen Heidewanderweg und zu Flüchtlingen in der inzwischen leerstehenden Jugendherberge Inzmühlen erzeugte wohl Bedenken.

Naturistenpfad bei Undeloh: Vorsicht vor Jägern und Wild in der Dämmerung

Damit künftig Frieden herrscht, bittet Michael von der Projektgruppe Naturistenweg Undeloh um gegenseitige Rücksicht: In der Morgen- und Abenddämmerung ist das Wild unterwegs. Und auch der eine oder andere Jäger. In dieser Zeit sollten Wanderer den Naturistenweg meiden.

Wer sich trotz Markierung verlaufen hat und vom Weg abgekommen ist, sollte sich etwas anziehen, und wer mit heiler Haut davonkommen will, unbedingt Anti-Mückenspray benutzen. Die Stechinsekten sind im Zweifelsfall die Einzigen, die Nacktwanderern wirklich lästig werden können.