Wilsede. Nun wird es voll auf den Wanderwegen: Die Heideblüte zieht Besucher in ihren Bann. Für alle, die es stiller mögen: Bitte hier entlang!
- In der Lüneburger Heide hat die Hochsaison begonnen: Der lilafarbene Blütenteppich präsentiert sich aktuell in voller Pracht
- Unser Tipp: Kurz nach Sonnenaufgang sind noch deutlich weniger Menschen unterwegs
- Bei einer geführten Wanderung lassen sich die Schönheiten und Besonderheiten ungestört erfahren
Ein kräftiges „Mähhh“ ist das erste deutliche Zeichen dafür, dass an diesem Morgen noch weitere Lebewesen in der Lüneburger Heide unterwegs sind. Da haben wir schon den Wilseder Berg bestiegen, Heidelbeeren am Wegrand genascht, einiges über diese besondere Kulturlandschaft gelernt – und natürlich immer wieder Fotos von der lilafarbenen Heide um uns herum gemacht.
Wanderung in der Lüneburger Heide: Am frühen Morgen hat man sie fast für sich
Zur Heideblüte, die jetzt, Mitte August, ihren Höchststand erreicht, ist die Lüneburger Heide bei Urlaubern und Tagestouristen besonders beliebt. Vor allem am Wochenende wird es schon mal voll auf den Wanderwegen, die sich schleifenförmig durch den Naturpark ziehen. Auch der Wilseder Berg zählt zu den Hotspots, die viele Menschen ansteuern.
Davon ist am frühen Morgen noch nichts zu bemerken. Die Naturführung beginnt um viertel vor sieben am Stimbekhof in Oberhaverbeck. Eine Handvoll Hotelgäste hat sich um den Wanderführer versammelt, ein Paar aus dem Sauerland ist dabei und eine alleinreisende Lehrerin. Einige halten sich noch an einem warmen Becher Tee oder Kaffee fest.
Zwei Frauen haben große Hotelregenschirme dabei. Nur sicherheitshalber, meinen sie, als sie die belustigten Blicke der anderen Teilnehmer sehen. 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit hat die Wetter-App kurz zuvor angezeigt, laut Regenradar soll es trocken bleiben.
Seit fünf Jahren: Wanderführer bietet Touren durch die Nordheide an
Florian Wunder geht flott voran, erstes Ziel ist der Turmberg. Der Naturführer bietet unter dem Namen Frei-Gang seit fünf Jahren Wanderungen für Gruppen durch die Nordheide an. Dabei erzählt er etwas über die Natur und ihre Besonderheiten, beantwortet Fragen und weist auf weniger bekannte Stellen hin, die sich für ein beschauliches Picknick oder eine ruhige Auszeit in die Heide gut eignen.
Noch vor dem ersten Etappenziel fällt der Blick auf einen riesigen zylinderförmigen Stein, der auf einem Nachbarhof installiert ist. Ein Mahlstein, vermuten wir Hobbywanderer sogleich. Nein, eine Walze, korrigiert Florian Wunder. Ein Relikt aus dem frühen 19. Jahrhundert, als Napoleon in der Region Straßen bauen ließ.
Kurzer Halt am großen Hünengrab – welche Geschichte verbirgt sich hier?
Beim Abstieg vom Turmberg setzt Nieselregen ein, die ersten Teilnehmer streifen ihre dünnen Regenjacken über. Die Blätter der kleinen Birken, die aus der blühenden Heide ragen, rascheln im Wind. An einem großen Hünengrab halten wir kurz an.
Warum die Menschen vor etwa 5000 Jahren die großen Steine – sicher unter enormen Anstrengungen – derart aufgeschichtet haben, sei bis heute nicht geklärt, sagt Wunder. Sicher ist nur, dass sie in der vorletzten Eiszeit durch die Bewegung der Gletscher hierher geschoben wurden.
Der breite Kopfsteinpflasterweg wird zu einem schmalen Pfad, der sich zwischen Heide und Wald entlang schlängelt. Es geht jetzt leicht bergauf, über einen Boden aus Sand, Steinen und weichen Nadeln. Wer die Natur noch intensiver spüren will, sollte es hier mal barfuß versuchen, so ein Tipp des Wildnistrainers.
Die Heidelbeeren schmecken, wie sie aussehen: intensiv, süßlich und saftig
Auf dem Bolterberg genießen wir die Aussicht auf die sanft geschwungene Heidelandschaft, die hier von ausladenden Blütenteppichen bedeckt ist. Die Pflanzen werden künstlich kurz gehalten, durch Heidschnucken, Trecker oder indem Flächen abgefackelt werden. Und was, wenn man sie einfach wachsen ließe, will jemand wissen. „Dann sähe es aus wie auf der anderen Seite“, erklärt der Naturführer und deutet auf die Waldfläche hinter uns. Auch sie sind Teil des Naturschutzgebiets, das wiederum zum Naturpark Lüneburger Heide zählt.
Hier muss sich man als Wanderer natürlich besonders rücksichtsvoll verhalten. Nebenbei ein paar Heidelbeeren zu naschen, ist aber kein Problem. Die Büsche am Wegrand tragen nur wenige dunkellilafarbene Beeren, doch diese schmecken, wie sie aussehen: intensiv, süßlich, saftig.
Alle Gäste wollen auf den Wilseder Berg – aber warum eigentlich?
Obwohl der Bolterberg der zweithöchste Berg der Lüneburger Heide ist, treffe man hier nur auf wenige Menschen, sagt Florian Wunder. „Alle wollen zum Wilseder Berg. Aber der Bolterberg ist ein ebenso schöner Ort, und man hat seine Ruhe.“
An diesem Morgen ist es wirklich auffällig ruhig. Als wir stehenbleiben, um einmal gezielt zu lauschen, stellen wir fest: nichts. Nicht einmal Vögel, die es hier durchaus gibt, lassen ein Zwitschern erklingen. Aber vor allem haben wir noch keine anderen Menschen in der Heide getroffen.
Wilseder Berg: Mit etwas Fantasie lässt sich am Horizont Hamburg erahnen
Das ändert sich auch nicht, als wir das bekannteste Etappenziel erreichen. Auf dem Wilseder Berg schweift der Blick ganz automatisch über das darunterliegende Tal, auch hier zeigt sich bereits die Heideblüte in ihrer vollen Pracht. Florian Wundert deutet auf den dahinterliegenden Wald, über dem sich der dunkelgraue Himmel erstreckt. „Mit ganz viel Fantasie kann man dahinten jetzt Hamburg erahnen.“ Eine solche Aussicht sei allerdings auch bei gutem Wetter nur mit Glück zu genießen.
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Der Regen ist jetzt nicht mehr zu ignorieren. Längst haben alle, die eine Regenjacke eingepackt hatten, diese übergezogen. Die vorausschauenden Wanderinnen teilen ihre ausladenden Regenschirme großzügig mit den anderen. Die Stimmung bleibt gut, wird man eben ein bisschen nass. Eine Abkürzung zurück zum Hotel lassen wir links liegen, weiter geht es entlang einer der Heideschleifen, die sich durch das Gebiet ziehen und kleine Abstecher erlauben.
Als wir das Heidetal erreichen und dem leisen Rauschen der Haverbeeke lauschen, hat der Regen schon wieder aufgehört. Und als an einem typischen Schnuckenstall das „Mähhh“ erklingt, lässt sich hinter den nun wieder hellgrauen Wolken sogar fast die Sonne erahnen.
Dichte Farne und ein Baum, in den man hineinklettern kann
Es ist halb neun, als wir zum ersten Mal auf andere Wanderer treffen, ein junges Pärchen in durchsichtigen Regencapes kommt uns entgegen. Kurz darauf folgen zwei Urlauberinnen mit Hund, die sich gegenseitig vor der Heidelandschaft fotografieren. Es bleiben die einzigen Begegnungen auf dieser besonderen Wanderung. Auch die Heidschnucke, die sich so deutlich bemerkbar gemacht hat, lässt sich nicht blicken.
Der Weg führt an diesem Morgen auch über eine 500 Jahre alte Steinbrücke, an dichten Farnen vorbei und an einem Baum, in den man hineinklettern kann. Auch dies ist eine der besonderen Ecken, die Florian Wunder Heidebesuchern empfiehlt, die vor allem die Ruhe der Natur genießen wollen.
Nach der Wanderung: Frühstücksbuffet mit Spezialitäten rundet den Morgen ab
Nach knapp drei Stunden und einer Wanderstrecke von rund neun Kilometern erreichen wir wieder den Stimbekhof in Oberhaverbeck. Auf die Hotelgäste wartet dort ein Frühstücksbuffet mit frischen Spezialitäten aus der Heide. Die Wanderung am frühen Morgen durch die Lüneburger Heide bietet nicht nur einen besonderen Start in den Tag, sie macht auch ordentlich Appetit.