Schneverdingen. Was tun bei Dauerregen auf dem Heidschnuckenweg? Auf Expedition ins Schneverdinger Pietzmoor gehen – Kreuzottern und Kraniche schauen.
Frühmorgendliches Prasseln dicker Regentropfen gegen die Fensterscheibe der eigenen Bude: Für die meisten Menschen ist das ein angenehmes Geräusch. Für Wanderer bedeutet es vor allem eines: nasse Kleidung, nasses Gepäck und nasse Füße für den anstehenden Tag.
Noch schöner wird’s nur, wenn die Regentropfen nicht gegen das Fenster trommeln, sondern mit voller Wucht direkt auf die dünnen Zeltwände. Wo bin ich nochmal? Richtig, irgendwo bei Undeloh in der Lüneburger Heide. Drei Etappen Heidschnuckenweg liegen bereits hinter mir. Also Augen auf, Wetter-App checken: Starkregen und Unwetterwarnung auf dem Display. Nach der gestrigen Regen-Etappe einen Tag Pause einlegen? Der Gedanke klingt verlockend.
Lüneburger Heide: Sieben Kilometer durch das Pietzmoor bei Schneverdingen
Geplant war an dieser Stelle eigentlich Etappe 4 von Undeloh nach Niederhaverbeck. Wer sich allerdings wie ich sowieso nahe der Lüneburger Heide oder auf dem Heidschnuckenweg befindet und so ein Pech mit dem Wetter hat, könnte auch einfach eine Expedition ins Pietzmoor bei Schneverdingen starten.
Der knapp sieben Kilometer lange Rundweg durch dieses jahrtausendealte Moor bietet besonders bei gutem Wetter ein spannendes Ausflugsziel. Aber sind wir mal ehrlich: Bei etwas nebelig-düsterer Wetterlage zeigt so ein mystisches Moorland doch erst so richtig seinen Charakter.
Und siehe da, die Wettergötter zeigen sich milde gestimmt, es regnet nur noch leicht. Trotz des recht rutschigen Holzplankenweges, der unter keinen Umständen zu verlassen ist – Kreuzottern-Gefahr! – ist die Sicht gut. Vorteil des Regens: Die Anzahl der Stechmücken ist für Moorverhältnisse erfreulich gering.
Ein Kranich landet keine 100 Meter vom Weg entfernt
Stattdessen zeigen sich andere Moorbewohner: Eine Vielzahl Libellen, Käfer und Vögel bieten sich den Augen der Betrachtenden dar. Schon nach kurzer Zeit kündigt sich ein Kranich mit bemerkenswerten Rufen an und landet keine 100 Meter vom Weg entfernt. Schon jetzt hat sich die heutige „Pause“ gelohnt.
Ähnliche Gedanken hatte heute wohl auch Horst Richter vom Verein Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP), der in gemächlichem Tempo sein Fahrrad über den Weg schiebt. Der Verein setzt sich unter anderem für den Erhalt und richtigen Umgang mit der Lüneburger Heide ein. Ranger sei das falsche Wort, aber die Jobbeschreibung passt: „Vor Ort sind wir acht Leute, und wir schauen vor allem in den Sommermonaten, dass sich alle an die Regeln halten. Wir geben den Touristen auch Auskunft, und man tut gleichzeitig etwas für die Gesundheit,“ erklärt der Rentner, der das Ehrenamt bereits im zehnten Jahr ausführt.
Klimaschutz und Moorschutz geht Hand in Hand
Auch das Pietzmoor lässt der Klimawandel nicht kalt: „Das Wollgras blüht normal Ende Mai, dieses Jahr ist es allerdings früher soweit gewesen, die Blüte war nicht so schön wie sonst.“ Stolz zeigt Richter ein Bild der letztjährigen Wollgrasblüte, für die das Pietzmoor im Landkreis bekannt ist.
„Generell werden es aber immer weniger Insekten, auch der Vogelbestand sinkt stetig,“ erklärt Richter, der den Wandel des Moores seit Jahren beobachtet. Gerade für viele Vögel und Insekten, aber auch eine Vielzahl an spezialisierten Pflanzen bieten Moore einen wertvollen und mittlerweile seltenen Lebensraum, der an Biodiversität kaum zu übertreffen ist.
Die meisten Menschen kennen vom Gärtner nur die Glockenheide
Kurzer Exkurs in Sachen Heide: Während in der Lüneburger Heide zum größten Teil Besenheide wächst, kennen die meisten Menschen vom Gärtner nur die bekanntere Glockenheide: „Die Glockenheide wächst eher in moorigen Gebieten, wie hier im Pietzmoor,“ sagt Richter. Wer also das auch als Moor-Glockenheide benannte Gewächs gern in den kommenden Jahren in der Natur sehen möchte, dem sei nahegelegt, beim nächsten Pflanzendünger-Kauf auf eine Mischung mit Torf zu verzichten.
Laut dem von der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichten Mooratlas 2023 binden Moore in ihren Torfschichten weltweit fast doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Waldflächen zusammen – und das, obwohl sie nur rund drei Prozent der Landfläche bedecken. Während viele Moorflächen aus wirtschaftlichen Gründen weichen müssen und mussten, bietet das jüngst vom EU-Parlament verabschiedete Renaturierungsgesetz einen Lichtblick für die lädierten Super-Klimaschützer.
Die Heideschleife Pietzmoor liegt auf einer Alternativroute des Heidschnuckenwegs
Im Kontext des Heidschnuckenwegs befindet sich das Pietzmoor auf der Heideschleife Schneverdingen. Ganz im Sinne von „Der Weg ist das Ziel“ lohnt es sich auch für Wanderinnen und Wanderer entlang des Wegs den einen oder anderen Extra-Tag einzulegen, um die Lüneburger Heide mit all ihren Facetten zu erkunden.
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Denn dies ist einer der Vorteile, wenn man nahe der Heimat wandert: Im Gegensatz zum spanischen Jakobsweg oder anderen Wegen im Ausland gibt es keine strikt einzuhaltenden zeitlichen Vorgaben, um rechtseitig zum Urlaubsende wieder daheim zu sein.
Wer den Weg nicht in einem Rutsch schafft, kann einfach wochenends wiederkommen, um dort weiterzumachen, wo er oder sie aufgehört hat.
Der Heidschnuckenweg kann in viele kleine Häppchen unterteilt werden, lädt zu Umwegen ein und bietet neue Blickwinkel auf die eigene Heimat und Herkunft an. Ob also in einem Stück oder auf einzelnen Tagesausflügen, als erfahrener Fernwanderer oder neugieriger Anfänger – jede und jeder kann hier im eigenen Rhythmus erkunden. Wieso also nicht mal an einem regnerischen Tag das Pietzmoor bei Schneverdingen erkunden?