Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft der Regierung in der Debatte um die Oberschule fehlenden Reformwillen vor.

Hannover. Wahlkampf-Taktik oder Schulreform: Die oppositionsnahe Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft der schwarz-gelben Landesregierung in der laufenden Debatte um die Oberschule fehlenden Reformwillen vor. „Die Koalition muss sich entscheiden: Will sie mit dem Türschild Oberschule einen Wahlkampf-Bluff organisieren oder eine ernsthafte Schulreform, die den Erwartungen der Eltern und Schulträger gerecht wird“, sagte GEW-Landeschef Eberhard Brandt am Freitag im Kultusausschuss in Hannover.

Unter dem Etikett Oberschule verberge sich die bereits bestehende verbundene Haupt- und Realschule, die allerdings pädagogisch schlechtere Handlungsmöglichkeiten habe als die bis 2004 bestehende integrative Sekundarschule, die die SPD eingeführt hatte. Im Rahmen der von Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) initiierten Schulreform hatte der von dem SPD-Abgeordneten Claus-Peter Poppe geleitete Ausschuss mehr als 30 Vertretern von Schulträgern, Gewerkschaften, Lehrern, Schülern, Eltern, Kommunen, Wirtschaft und Kirchen die Gelegenheit gegeben, sich zu den Plänen zu äußern. Dabei wurde klar, dass viele Verbände den von Althusmann erklärten dringenden Reformbedarf teilen, im Detail gehen die Vorstellungen der Interessensgruppen jedoch noch immer weit auseinander. „Die Diskussionen waren zwei Tage überwiegend sachlich“, sagte Poppe der Nachrichtenagentur dpa.

Nur in wenigen Einzelfällen habe er die Ausschussmitglieder ermahnen müssen. So etwa, als Karl-Heinz Klare (CDU) am Freitag bei der gemeinsamen Anhörung von GEWund Verdi „Unsinn“ vorgeworfen hatte. Die Ergebnisse der Anhörung würden nun weiter beraten. Anschließend wird der Landtag über die Vorschläge für abstimmen. Hauptknackpunkt ist für viele Kritiker der Oberschule der Status der Integrierten Gesamtschulen (IGS). Der von allen Beteiligten sehnlichst herbeigewünschte Schulfrieden sei nur möglich, wenn die Landesregierung die hohen Zulassunghürden für neue IGS abschafft. Auch die gymnasiale Oberstufe, die Klassenstärken sowie die Frage, ob das Abitur nach acht oder neun Jahren erfolgen soll, spaltet die Geister. Während CDU und FDP die Oberschule nach der Anhörung auf dem richtigen Weg sehen, fühlten sich SPD, Grüne und Linke von den Kritikern in ihrer ablehnenden Haltung bestärkt.

Die Oberschule soll in erster Linie Haupt- und Realschulen zusammenführen, kann aber um einen Gymnasialzweig erweitert werden. Das Modell steht in Konkurrenz zu integrierten Gesamtschulen, deren Neugründung in Niedersachsen von der schwarz-gelben Landesregierung lange Zeit verboten war. Inzwischen sind Neugründungen zwar wieder erlaubt, Kommunen müssen dafür aber deutlich mehr Schüler nachweisen als für die Gründung einer Oberschule. Wesentlicher inhaltlicher Unterschied zwischen beiden Modellen ist, dass in Gesamtschulen Schüler unterschiedlicher Leistungsstärke deutlich länger gemeinsam unterrichtet werden als in den geplanten Oberschulen.