Nach dem Nein der Hamburger zur Einführung sechsjähriger Primarschulen bleibt in Niedersachsen und Schleswig-Holstein alles beim Alten.

Hannover/Kiel. Für Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) ist das Hamburger Votum gegen die Schulreform ein „deutliches Signal gegen ideologischen Reformübereifer“. „Hier wurden klare Grenzen gesetzt“, erklärte er am Montag in Lüneburg. „Die Eltern erwarten Verlässlichkeit und nicht ständig neue Reformen“, betonte Althusmann. „Kinder sind keine Versuchskaninchen.“ Er selbst fühle sich durch die Entscheidung in seinem Bildungskurs „ohne großartige Experimente“ bestätigt.

Darüber hinaus ist sich der Minister sicher: Egal wie der Volksentscheid in Hamburg ausgegangen wäre, für ein Flächenland wie Niedersachsen hätte es keine Auswirkungen gehabt. „Es hätte keinen Automatismus gegeben, aber sicherlich wäre deutschlandweit eine andere Signalwirkung von dem Volksentscheid ausgegangen, wenn die Wähler anders gestimmt hätten“, betonte Althusmann. Das Ergebnis müsse jetzt sachlich und ruhig ausgewertet werden. Auch dürfe es nicht überbewertet werden.

“Zudem sollte bundesweit auf bildungspolitischer Ebene mal intensiv darüber nachgedacht werden, dass wir nicht ständig neue Reformen auf den Weg bringen, sondern lieber das bestehende System behutsam fortentwickeln und an aktuelle Entwicklungen anpassen“, fordert der CDU-Minister. Dazu müsse die frühkindliche Bildung stärker in den Blick genommen werden. Schon vor der Einschulung würden die Grundlagen für die deutsche Sprache gelegt. Daher müsse bereits vor der Grundschule mit der Bildung begonnen werden, anstatt Versäumnisse in der Schule zu reparieren.

In Hamburg hatten am Sonntag beim ersten verbindlichen Volksentscheid der Hansestadt 276 304 Bürger für den Erhalt der vierjährigen Grundschulen und gegen die Einführung sechsjähriger Primarschulen gestimmt. Für die von allen Parlamentsparteien beschlossenen Reformpläne von CDU und Grünen sprachen sich 218 065 Bürger aus.

Grüne und Linke im niedersächsischen Landtag zeigten sich sehr enttäuscht. „Hamburg vergibt damit eine große Chance, als Tor zur Welt in der Schulpolitik Vorreiterfunktion zu übernehmen“, sagte Ina Korter, schulpolitische Sprecherin der Grünen. Ihr Kollegin von der Linken, Christa Reichwaldt, betonte: „Alle wissenschaftlichen Untersuchung zeigen, dass das Leistungsniveau in heterogenen Lerngruppen im Durchschnitt höher liegt.“ Beide erklärten die deutliche Ablehnung mit der niedrigen Wahlbeteiligung und der fehlenden Mobilisierung von Eltern aus bildungsfernen Schichten.

Aus der Sicht von SPD-Fraktionschef Stefan Schostok zeigt das Abstimmungsergebnis, dass Schulstrukturreformen ohne Einbeziehung der Betroffenen von Anfang an auf extrem große Akzeptanzprobleme stoßen. „Nur wenn die Politik die Bürger frühzeitig beteiligt und deren Bedenken und Einwände von Anfang an berücksichtigt, lässt sich Akzeptanz herstellen“, sagte Schostok.

Auch Kieler Koalition gegen längere Grundschule

Mit dem klaren Nein der Hamburger zur Einführung sechsjähriger Primarschulen sieht sich auch die schwarz-gelbe Koalition in Kiel in ihrem Kurs bestätigt . „Der Ausgang des Volksentscheids in Hamburg zeigt, dass die schleswig-holsteinische Entscheidung, an der vierjährigen Grundschule festzuhalten, richtig war und ist“, sagte am Montag Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP). Eine Verlängerung der Grundschulzeit sei für die Koalition im Norden kein Thema. Eine Ausweitung auf sechs Jahre wäre mit erheblichem organisatorischem Aufwand, gewaltigen Kosten und einer massiven Schwächung der Gymnasien verbunden, argumentierte Klug. Ein vermeintlicher Nutzen sei höchst zweifelhaft. Für die CDU-Bildungspolitikerin Heike Franzen zeigt die Hamburger Entscheidung, dass Reformen Zeit brauchen.