Kultusministerium lässt Städten und Gemeinden Raum zur freien Gestaltung weiterführender Schulen
Lüneburg. Vielfalt prägt das niedersächsische Schulsystem. Speziell das Angebot an weiterführenden Grundschulen ist bunt. Neben Haupt- und Realschulen existieren Gymnasien, Kooperative und Integrierte Gesamtschulen, Förderschulen und Berufsbildende Schulen. Nun sollen nach dem Willen der Landesregierung ab dem kommenden Schuljahr Haupt- und Realschulen in neuen Oberschulen zusammengelegt werden können.
Die Vorteile der Neuerung erklärt der Staatssekretär im Niedersächsischen Kultusministerium, Dr. Stefan Porwol, der Rundschau so: "Mit der Reform schreibt nicht mehr das Ministerium vor, welche Schulen in den Kommunen vorzuhalten sind. Nun haben Städte und Gemeinden die Freiheit selbst zu entscheiden, wie sie neben den Gymnasien ihre weiterführenden Schulen organisieren wollen. Damit ist die Oberschule ein geeignetes Modell, Schwächen in der Fläche auszugleichen."
Martin Peters, Schulleiter der Haupt- und Realschule in Adendorf, gibt in einer ersten Einschätzung zu verstehen: "Der Weg zu mehr integrativem Lernen ist der richtige." Seit mehr als zehn Jahren würden Am Katzenberg Haupt- und Realschüler im Verbundsystem unterrichtet. "Der größte Teil unserer Hauptschüler macht hier den Realschulabschluss", so Peters.
Für die neue Oberschule gilt: Der Unterricht kann flexibel schulzweigübergreifend oder jahrgangsweise stattfinden. Auch kann die neue Schulform einen gymnasialen Zweig anbieten, der vielen Eltern wichtig ist. Peters vermutet, dass die Oberschule zu einer raschen Veränderung der Schullandschaft führen werden. Eltern würden sich schnell für diese Schulform entscheiden, weil der Name vielversprechend sei: "Die Schulwahl hat immer etwas mit Prestige zu tun."
Ebenfalls positiv blickt Schulleiter Andreas Franz den Veränderungen entgegen. Er favorisiert für die Elbmarsch eine Oberschule nach dem alten System der Kooperativen Gesamtschule mit zwei bis drei Realschulklassen und neuem gymnasialen Zweig. "Das Hauptschulsterben ist bei uns schon jetzt zu beobachten. Nur 14 Schüler besuchen die fünfte Hauptschulklasse", sagt der Leiter der Marschachter Haupt- und Realschule, in der Hauptschüler bereits integrativ in der Realschule unterrichtet werden.
Annegret Sloot kritisiert vor allem die IGS-feindliche Position der niedersächsischen Regierungskoalition aus CDU und FDP. "Ich habe großes Interesse an einem vollständigen und wohnungsnahen Bildungsangebot auf dem Lande", sagt die Vorsitzende des Bezirksverbands Lüneburg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Statt dessen fahre die Regierung ein Gesamtschulverhinderungsprogramm, obwohl die Integrierte Gesamtschule (IGS) auch als kleine Schule erfolgreich arbeiten könne.
Zunehmend mehr Eltern favorisieren das pädagogische Konzept der IGS. Es gibt dort zum Beispiel keine Zeugnisnoten in den Klassen fünf bis acht. Schüler werden grundsätzlich gemeinsam unterrichtet. Hingegen wird in den geplanten Oberschulen nach dem Modell der Kooperativen Gesamtschule (KGS) nach dem Leistungsvermögen differenziert.
Offensichtlich sei die Bevorzugung der neuen KGS in Form der Oberschule. "Diese Schulform wird mit nur drei Parallelklassen zugelassen, während die Landesregierung für die Gründung einer IGS die 5-Zügigkeit fordert", beanstandet Annegret Sloot aus Moisburg.
Über die parteiideologisch ausgerichtete Entscheidung gegen die IGS ärgert sich auch der Vorsitzende des Landeselternrats Niedersachsen, Pascal Zimmer. Gleiches Recht für alle fordert die Gewerkschaft, die Vier-Zügigkeit verlangt der Vertreter des Landeselternrats. Die Kritik scheint im Ministerium angekommen zu sein: Im Gespräch mit der Lüneburger Rundschau kündigte Staatssekretär Stefan Porwol Gespräche über die vierzügige Gesamtschule mit den kommunalen Schulträgern an.
Elternvertreter Zimmer aus Garlstorf im Landkreis Harburg nennt weitere Probleme der Reform. So lehnen die Eltern das Turbo-Abitur für die Oberschulen ab. Zudem äußern sie Zweifel an den zu erwartenden kleinen Klasseneinheiten in ländlich abgelegenen Oberschulen, die eine Unterrichtung der Gymnasiasten in Sekundarstufe II in Frage stellen. Letztendlich hofft Zimmer auf den Schulfrieden und weitergehenden Konsens beim nächsten Bildungsgipfel im November.