Jetzt ist es beschlossene Sache: Der alte Plenarsaal wird abgerissen. Dafür soll bis 2012 ein neuer Glastempel in Hannover gebaut werden.

Hannover. Nach einer jahrelangen kontroversen Debatte steht fest: Niedersachsen bekommt ein neues Landtagsgebäude im Herzen der Innenstadt. Der denkmalgeschützte Plenarsaal aus der Nachkriegszeit wird abgerissen. Dafür soll an selber Stelle bis 2012 ein neues Parlament in Form eines Glastempels gebaut werden. Das haben die Abgeordneten entschieden.

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91 von 152 Abgeordneten stimmten für die Neubaupläne des Architekten Eun Young Yi aus Köln. 39 Politiker stimmten für einen anderen Entwurf. 12, vor allem aus den Reihen der Linken, votierten für die billigste Lösung: eine Sanierung der Baumängel. Zehn Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Umgesetzt wird der Entwurf des gebürtigen Koreaners Yi, der unter anderem den 75 Millionen Euro teuren Glaskubus für die Stuttgarter Bibliothek plante. In Hannover will Yi einen modernen Säulenbau an das klassizistische Leineschloss anbauen.

Die Kosten sollen nach Vorstellungen der Parlamentarier 45 Millionen Euro nicht überschreiten. Offen ist, ob der Abriss des alten Plenarsaals durch eine Klage der Witwe des früheren Architekten Dieter Oesterlen gestoppt werden könnte. Der Bau ihres Mannes wurde 1962 eingeweiht. Er ist inzwischen stark sanierungsbedürftig. Die Heizung ist defekt, die Belüftung schlecht, es fehlen Tageslicht und Platz für Besucher. Die Modernisierung des Gebäudes war 2003 wegen Finanzproblemen verschoben worden. Das letzte Wort hat in den kommenden Wochen nun die staatliche Baukommission, die auch das EU-Vergaberecht beachten muss.

Bei der Abstimmung wurde erstmals seit 16 Jahren der Fraktionszwang aufgehoben – jeder Abgeordnete konnte nach seinem eigenen Geschmack entscheiden. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU)votierte in dem gut zehnminütigen Abstimmungsmarathon zunächst für eine Sanierung des Plenargebäudes. Bei der Schlussabstimmung über den umzusetzenden Entwurf enthielt er sich. „Meine Position hat leider keine Mehrheit gefunden“, sagte Wulff anschließend. Nun sei es wichtig, für die Entscheidung des Parlamentes zu werben. Die Debatte war äußerst lebhaft. „Es geht um das bauliche Herzstück parlamentarischer Demokratie“, sagte Landtags-Präsident Hermann Dinkla. Er appellierte an die Abgeordneten, mutig zu entscheiden. Das Parlament dürfe sich nicht kleiner und ängstlicher machen als es seiner Bedeutung entspreche.

Umstritten waren die Kosten des Projektes, besonders aber der nun beschlossene Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes. Die Kritiker vor allem aus den Reihen der Grünen und der Linken monierten, das Parlament begehe damit Rechtsbruch und setze sich über das eigene Denkmalschutz-Gesetz hinweg. CDU-Chef McAllister betonte, die Neugestaltung des Plenarsaales dürfe nicht gegen andere ebenso notwendige Investitionen in die öffentliche Infrastruktur ausgespielt werden. „Demokratie und Parlamentarismus kosten Geld“, betonte er.

SPD-Fraktionschef Jüttner erinnerte an die Geschichte des Landtags. „Dieses Haus ist das einzige identitätsstiftende Haus der jungen Demokratie in unserem Bundesland.“ Scharfe Kritik übte Jüttner an Wulff. Sein Aufruf zur Bescheidenheit in dieser Debatte sei ein Versuch, sich auf Kosten des Parlamentes zu profilieren. Zwei Architektenwettbewerbe zur Zukunft des Gebäudes gab es, einen im Jahr 2002 und einen in den Jahren 2009/2010. Die Grünen und ein Teil der SPD-Abgeordneten favorisierten die Idee, den Siegerentwurf von 2002 mit den Plänen des zweitplatzierten Konzepts aus 2009/2010 zu kombinieren. Das marode Gebäude hätte in diesem Fall nicht abgerissen werden müssen. Ursula Helmhold von den Grünen warb für diese Variante: „Wir sind in diesem Plenarsaal vielleicht 40 Tage im Jahr, das lässt sich aushalten.“

FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte, es gehe um eine Frage des Geschmacks. „Mich haben wirtschaftliche Beweggründe dazu bewogen, mich für einen Neubau des Plenargebäudes auszusprechen“, betonte er. Hans-Werner Schwarz (FDP) sagte, die Vorbehalte gegen einen Abriss seien vor allem in der Region Hannover groß, im Rest des Landes werde die Debatte weitaus weniger emotional geführt. Die Linke hingegen sprach sich als einzige Fraktion klar für die billigste Lösung aus, die Sanierung der vorhandenen Baumängel. „Die rechtliche Situation ist immer verworrener geworden“, sagte Christa Reichwaldt. „Die Steuerzahler können froh sein, wenn keine Millionenkosten entstehen, bevor der erste Stein gelegt ist.“