Es war beschlossen: Das marode, aber denkmalgeschützte Gebäude wird abgerissen. Doch jetzt bahnt sich eine Kehrtwende an.

Hannover. Auf den ersten Blick passt das Bauprojekt perfekt in die Zeit. Der Plenarsaal des niedersächsischen Landtags ist marode, in der feuchten Bibliothek schimmeln die Bücher, die große gläserne Eingangshalle des Leineschlosses droht in sich zusammenzufallen. 45 Millionen Euro sind für den Neubau des Plenarsaals und weitere Sanierungsarbeiten vorgesehen, und das wäre ein guter Beitrag für ein Konjunkturprogramm.

Derzeit aber bröckelt im Leineschloss in Hannover nicht nur der Putz von den Wänden, sondern auch die ursprüngliche Zustimmung einer breiten Koalition für den ehrgeizigen Plan von Landtagspräsident Hermann Dinkla (CDU), endlich einen großen Wurf zu wagen. Ursprünglich hatten sich nur die Grünen gegen den Abriss des alten Plenarsaals gestellt, während sich außer CDU, SPD und FDP sogar die Linksfraktion einreihte in die Koalition der Bauherren, weil doch auch Energiesparmaßnahmen vorgesehen waren. Dann aber ging ein Proteststurm übers Land.

Den Kritikern geht es dabei einerseits ums Geld, andererseits um die Frage, ob es nicht doch vordringlichere Aufgaben gibt, als den 152 Volksvertretern für gerade mal zehn Tagungsperioden von jeweils drei Tagen jährlich den Herzenswunsch nach einem Plenarsaal mit Tageslicht und mehr Komfort zu erfüllen.

Für Unmut aber sorgte auch das Verfahren: Die von Landtagspräsident Dinkla berufene Baukommission setzte sich vor allem aus Parlamentariern zusammen und entschied hinter verschlossenen Türen für den Abriss und den Neubau. Der Ablauf erinnerte an eine Verschwörung nach dem Motto: Augen zu und durch. Die Meinung der Bürger und Steuerzahler war nicht gefragt. Die Architekten, die im Jahr 2002 den damals ausgeschriebenen Wettbewerb für den später verworfenen Umbau gewonnen hatten, fühlten sich durch Dinklas Vorgehen ebenso übergangen wie Historiker und der Heimatbund Niedersachsen. Der Anfang der 60er-Jahre fertiggestellte alte Plenarsaal gilt den Fachleuten nicht nur als architektonisch gelungen, sondern auch als das Symbol schlechthin für die erst nach dem Zweiten Weltkrieg endlich erreichte staatliche Einheit Niedersachsens, gebildet aus den alten Provinzen Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe.

Die Landtagsgrünen, die als Einzige von Anfang an gegen den Neubau waren, machten zudem noch vor Weihnachten ironisch-gekonnt Stimmung gegen die große Lösung. "Stille Nacht - Bagger kracht" reimten sie und verschenkten an alle Parlamentskollegen einen Bastelbogen mit Transparentpapier, darauf ein großer Bagger vor dem Bild des alten Plenarsaals.

Fatal aber ist nicht nur der Eindruck, in eigener Sache lasse es der Landtag an der gebotenen Sparsamkeit fehlen. Der Heimatbund geht auch deshalb auf die Barrikaden, weil er sich seit vielen Jahren für den Denkmalschutz engagiert und dabei in Kauf nimmt, dass frustrierte Hausbesitzer sich empören, wenn ihre Immobilien geschützt, damit entwertet und Reparaturen teurer werden. Und raus aus dem Denkmalschutz kommt kein Hausbesitzer. Beim Plenarsaal aber ist das anders: Das Land kann sich mit einem Federstrich aus dem Denkmalschutz verabschieden.

Lange hat Dinkla versucht, die Proteste auszusitzen. Kritik müsse man aushalten, lautete seine Devise: "Es gibt nie einen idealen Zeitpunkt." Jetzt aber ist sein wichtigster Bündnispartner, der Fraktionschef der großen Oppositionspartei SPD, Wolfgang Jüttner, ein Stück weit in die Knie gegangen. Jüttner schlägt vor, dass man noch einmal ergebnisoffen über die Alternativen Neubau oder Sanierung nachdenken soll. Das wiederum hat Dinkla die Sprache verschlagen: Er mochte mit dem Abendblatt nicht mehr über das Thema sprechen, sondern vertröstete auf Mitte Januar. Dann werde er zu diesem Thema etwas sagen. Insider tippen bereits auf einen Rückzug in Raten von den Bauplänen.