Was macht den EHEC-Keim so aggressiv? Forscher erwarten in den kommenden Tagen konkrete Hinweise. Unklar ist immer noch, woher der Erreger kommt.

Hamburg. Das Darmbakterium EHEC versetzt Deutschland in Angst und Schrecken. Auf der Suche nach Therapie und Schutz dagegen erwarten Forscher in der kommenden Woche konkrete Ergebnisse. "Wir erhoffen uns im Laufe der nächsten Woche Hinweise zur Verhinderung weiterer Infektionen", sagte Professor Dag Harmsen vom Universitätsklinikum Münster in hr-Info.

Zunächst müsse geklärt werden, was den EHEC-Keim so aggressiv mache. Dazu liefen derzeit verschiedene Untersuchungen. "Wir rechnen damit, dass wir bald genügend Daten haben, um Hinweise auf die Ursache der Aggressivität dieses Klons geben zu können", sagte Harmsen. Mit den bisherigen Erkenntnissen könne Patienten noch nicht geholfen werden. Woher der EHEC-Erreger genau komme, sei noch nicht geklärt. Die genauere Kenntnis des mutierten Bakteriums und Vergleichsuntersuchungen an anderen Keimen werden aber Hinweise auf den Ursprung zulassen. (dapd)

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Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) ist gemeinsam mit einem Labor in China ein wichtiger Durchbruch bei der Bekämpfung des gefährlichen EHEC-Erregers gelungen. In der Nacht zu Himmelfahrt entschlüsselten sie gemeinsam die Erbsubstanz des EHEC-Stammes O104, der für die in ungewöhnlich vielen Fällen sehr schweren Komplikationen bei der Darmkrankheit verantwortlich ist.

"Wir hoffen mit dieser Information nun auf neue Therapieformen", sagte der UKE-Bakteriologe Holger Rohde gestern bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse. Bei der entschlüsselten EHEC-Unterart handele es sich um eine neue Kombination von zwei Bakterienstämmen, die bisher noch nicht wissenschaftlich beschrieben wurde, so Rohde. Der derzeitige Erreger gehöre aber zum EHEC-Typ O104. "Wir können nun viele Veränderungen des O104 besser erklären", sagte Rohde.

Im UKE ist jetzt eine 81-jährige Patientin an den Folgen des durch EHEC ausgelösten Hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) gestorben. Damit sind in Hamburg jetzt drei Menschen der Krankheit erlegen: Zuvor waren eine weitere ältere Frau sowie ein 38-jähriger Unternehmensberater gestorben. Bundesweit erhöhte sich die Zahl der EHEC-Todesfälle bis gestern Abend auf 17. Bis zum Mittwochabend war die Zahl der EHEC-Fälle in Deutschland innerhalb eines Tages von 1500 auf 2000 hochgeschnellt.

Schwerpunkt sind weiterhin Norddeutschland und Hamburg. In der Hansestadt waren am Mittwochabend 668 Fälle offiziell registriert - 101 mehr als noch am Tag zuvor. 124 Patienten in Hamburger Kliniken litten an HUS. Auch in Schleswig-Holstein erhöhte sich die Zahl der Patienten sprunghaft: Das Gesundheitsministerium meldete zuletzt 458 Infektionen - annähernd 100 mehr als einen Tag zuvor, 130 Patienten hatten HUS. Gestern sagte ein Ministeriumssprecher: "Wir gehen davon aus, dass die Zahlen weiter steigen."

Die Suche nach dem gefährlichen Erreger geht unterdessen weiter. Die Bakterien bilden sich im Darm von Rindern, Schafen oder Ziegen, ohne dass die Tiere krank werden. Erst im Darm von Menschen sind sie gefährlich, weil sie für den Menschen giftige Stoffe abgeben. Bei HUS (in 20 bis 30 Prozent der EHEC-Infektionen) kann das zu Nierenversagen oder neurologischen Störungen wie epileptischen Anfällen führen. Wie der Keim in den menschlichen Körper gelangt, ist immer noch unklar. Zunächst waren Gurken aus Spanien unter Verdacht, weil an ihnen EHEC-Keime gefunden worden waren. Nach genauen Laboruntersuchungen steht jedoch seit gestern fest, dass auf keiner der vier mit EHEC-Keimen belasteten Gurken der besonders aggressive O104-Stamm nachgewiesen wurde.

Weil die Hamburger Gesundheitsbehörde aber schon vorher die Namen der spanischen Erzeuger genannt hatte, fordert Spanien nun Schadenersatz. "Die Regierung hat die Absicht, eine Wiedergutmachung zu verlangen", sagte Ministerpräsident José Zapatero. In einem Telefongespräch mit Spaniens Regierungschef hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern Abend das Vorgehen der deutschen Behörden verteidigt, sie äußerte aber Verständnis für die wirtschaftliche Notlage des spanischen Gemüsesektors. Beide vereinbarten, sich auf europäischer Ebene um Hilfen für die betroffenen Bauern zu bemühen. Die zwei südspanischen Agrarbetriebe, aus denen die verdächtigen Gurken stammten, kündigten Klagen in Deutschland an. Nach eigenen Angaben belaufen sich die Verluste inzwischen auf rund 200 Millionen Euro. (at/dpa)