Die EHEC-Zahlen schnellen wieder in die Höhe. Allein Niedersachsen und Hamburg haben zusammen rund 200 Erkrankte und Verdachtsfälle mehr als am Vortag. Gesundheitsexperten rufen zu Blutspenden auf.

Hamburg/Hannover/Berlin. Die Zahl der EHEC-Erkrankungsfälle im Norden steigen wieder rapide an. Zugleich tappen die EHEC-Experten auf der Suche nach der Quelle des gefährlichen Erregers völlig im Dunkeln. Der Verbraucherausschuss im Bundestag wollte am Mittwochmittag eine Sondersitzung einlegen.

In Niedersachsen lag die Zahl der bestätigten Erkrankungen und der Verdachtsfälle am Mittwoch bei 344. Das sind 80 Menschen mehr als am Vortag. Bei 250 Fällen gebe es schon eine definitive Bestätigung durch Laboruntersuchungen, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Thomas Spieker, in Hannover. Auch die Zahl der Menschen, die an HUS, dem lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf des Durchfallerregers erkrankt sind, ist von 47 auf 68 Patienten gestiegen.

„Wir verzeichnen wieder einen deutlichen Anstieg der Erkrankungsfälle durch EHEC und HUS“, sagte auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Dort gebe es 668 EHEC-Fälle oder Verdachtsfälle, 119 mehr als am Vortag.

Experten suchen unterdessen weiter fieberhaft nach der Quelle der Erreger: „Man kann derzeit gar nichts ausschließen“, erklärte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) im ZDF-Morgenmagazin. Die Lieferwege müssten zurückverfolgt, Lieferlisten ausgewertet werden.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei sehr unwahrscheinlich, wenn man normale Hygieneregeln einhalte, erläuterte Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks. „Sehr viel wahrscheinlicher ist wirklich die Primärinfektion über ein Lebensmittel, das man zu sich nimmt.“

Auch im Ausland breitet sich der Keim weiter aus: In Tschechien gibt es einen ersten nachgewiesenen EHEC-Fall. Eine amerikanische Touristin sei definitiv an dem Erregertyp O104 erkrankt, teilte das nationale Referenzlabor in Prag mit. Die EU-Kommission nannte zudem folgende EHEC-Zahlen: Schweden 41 (davon 15 HUS), Dänemark 14 (davon 6 HUS), Frankreich 6 EHEC-Fälle, Großbritannien 3 Fälle (davon 2 HUS), Niederlande 7 (davon 3 HUS) und Österreich 2 EHEC-Fälle. In den meisten Fällen handele es sich um Menschen, die kurz zuvor in Deutschland gewesen seien.

Verbraucherministerin Aigner nahm die Hamburger Gesundheitsbehörden erneut gegen ausländische Kritik am Krisenmanagement während der EHEC-Epidemie in Schutz. „Es wurden ja EHEC-Erreger auch auf spanischen Gurken gefunden. Und deshalb musste nach den europäischen Regularien dazu auch eine Schnellwarnung abgesetzt werden“, sagte die CSU-Politikerin. Die Hamburger Kollegen hätten sich „wirklich gut verhalten“. Die EHEC-Erreger auf den spanischen Gurken stammten von einem anderen Bakterien-Typ als die des aktuellen Ausbruchs in Deutschland.

Die EU-Staaten erwarten bei der Suche nach dem Grund für die Infektionen rasche Aufklärung aus Deutschland. Dies geht aus einer Erklärung von Gesundheitsexperten aller 27 EU-Regierungen hervor, die am Dienstagabend nach einem Treffen in Brüssel veröffentlicht wurde. Darin heißt es: „Die EU-Staaten nehmen auch zur Kenntnis, dass der Ausbruch geografisch mit einer Gegend um die Stadt Hamburg verbunden ist."

Angesichts des hohen Bedarfs an Blutkonserven und Blutplasma wegen der zahlreichen schweren EHEC-Erkrankungen haben Experten zum Blutspenden aufgerufen. „Wir haben zwar eine gut organisierte, länderübergreifende Versorgung mit Blutkonserven, aber wir sollten nicht vergessen, dass die Urlaubssaison unmittelbar bevorsteht, in der erfahrungsgemäß durch ein erhöhtes Unfallgeschehen auch wieder mehr Blutkonserven benötigt werden“, erklärte der Sprecher des Landesverbandes der Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern, Bernd Grübler.

Verläuft die EHEC-Erkrankung schwer, muss Blutwäsche eingesetzt werden. Auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks riefen zum Blutspenden auf – und spendeten gleich selbst.