Das Gesundheitsministerium meldete am Sonntag 470 Fälle und Verdachtsfälle, zwölf mehr als am Sonnabend. Cuxhaven ist weiter Schwerpunkt der Epidemie.

Hannover. Auch am Wochenende ist die Zahl der EHEC-Infizierten in Niedersachsen weiter gestiegen. Das Gesundheitsministerium meldete am Sonntag 470 Fälle und Verdachtsfälle, zwölf mehr als am Sonnabend. Dabei gab es zuletzt 355 Labornachweise der Erkrankung und weitere 93 Patienten litten unter der besonders schweren Verlaufsform, dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Zur EHEC-Infektionswelle gibt es in der kommenden Woche ein Spitzentreffen der Gesundheits- und Verbraucherministerien von Bund und Ländern. Das bestätigte am Sonntag ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) der Nachrichtenagentur dpa. Termin und Ort würden noch gesucht. Zur genauen Agenda machte der Sprecher keine Angaben. Federführend seien die Länder Hessen und Bremen. Die "Bild am Sonntag“ berichtete, das Treffen solle am Mittwoch stattfinden, vermutlich in Berlin.

+++Auf der Spur des unheimlichen EHEC-Erregers+++

Am Freitag war die Zahl der EHEC-Infektionen und Verdachtsfälle in Niedersachsen nur um vier auf 418 Fälle gestiegen und damit langsamer als in den Tagen zuvor. Leider könne man aber noch nicht davon ausgehen, dass der Scheitelpunkt bei den Infektionen erreicht sei, sagte Ministeriumssprecher Thomas Spieker. Die Hoffnungen richteten sich jetzt darauf, dass das Robert-Koch-Institut in der kommenden Woche nähere Aussagen über die Ursache der Erkrankung machen könne. Die Kliniken in Niedersachsen seien weiter gut gerüstet und miteinander vernetzt, sagte Spieker. Die Kapazitätsgrenzen seien noch nicht erreicht.

Cuxhaven bleibt in Niedersachsen weiterhin Schwerpunkt der Epidemie. Die Zahl der bestätigten Erkrankungen stieg am Wochenende auf 62 und es gibt 24 HUS-Kranke. (dpa)

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Lübecker Gastronom: "Ob sie alle Salat gegessen haben, weiß ich nicht"

Bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Erregers führt eine Spur offenbar zu einer Gaststätte in Lübeck Bei dem Restaurant handelt es sich um den "Kartoffelkeller" in der Lübecker Altstadt. "Wir hatten am 13. Mai eine Gruppe von 37 Damen zu Gast", bestätigte Restaurant-Betreiber Joachim Berger gegenüber abendblatt.de. Die Frauen trafen sich nach Angaben der "Lübecker Nachrichten" im Rahmen einer Versammlung einer Gewerkschaft. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, sagte: "Bislang wissen wir von acht, teilweise sehr schweren Fällen. Eine Teilnehmerin aus Nordrhein-Westfalen ist verstorben."

+++Vorsicht bei rohen Lebensmitteln+++

"Sie haben alle unterschiedliche Bestellungen aufgegeben." Zudem seien die Gäste mehrere Tage in Lübeck gewesen "und haben somit nicht nur bei uns gegessen", betonte Berger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Bei uns waren sie am letzten Abend. Sie waren im Hotel und haben Frühstücksbüffet gemacht, sie haben eben überall etwas zu sich genommen." Bei ihm sei unter anderem Fleisch und Salat serviert worden. "Ob sie nun alle Salat gegessen haben, das weiß ich nicht", sagte Berger.Deshalb ist auch unklar, was genau zu den EHEC-Erkrankungen geführt hat. Anfang dieser Woche habe das Gewerbeaufsichtsamt Berger über die Infektionen informiert und darüber, dass diese offenbar von seinen Rohkost-Speisen stammen könnten. "Auch für uns waren die Tage nicht sehr schön." Es seien Proben von Salat, Tomaten und Gurken genommen worden. "Kartoffelkeller"-Chef Berger gab an, dass er sein Gemüse von einem Unternehmen aus Mölln beziehe, welches wiederum beim Hamburger Großmarkt einkaufe. Er könne zudem nachweisen, das er Vorschriften, etwa das Aufrechterhalten der Kühlkette, eingehalten habe. "Wir bieten vorerst keinen Salat mehr an, bis wir wirklich wissen, was genau die EHEC-Erkrankungen hervorruft", sagte Berger.

Anfang der Woche seien bereits Hygiene- und Reinigungspläne sowie Lieferwege kontrolliert worden, berichtete Bergers Küchenchef Frank Michel der dpa. Nach Bergers Worten stehen die Ergebnisse von Stuhlproben noch aus, die alle Mitarbeiter hätten abgeben müssen. Die Ergebnisse sollen Montag vorliegen. Michel betonte, die Belegschaft werde mit demselben Essen versorgt wie die Gäste, und niemand sei erkrankt. Beide schließen nicht aus, eine verseuchte Lieferung bekommen zu haben. Die Ware komme über Zwischenhändler vom Großhandel in Hamburg, berichtete Berger. "Wir sind als Restaurant selbst Endverbraucher und von unseren Lieferanten abhängig", sagte Michel.

EU-Experten warten nun auf Testergebnisse aus dem "Kartoffelkeller" in Lübeck. Bundesweit gibt es inzwischen rund 2.500 Menschen, bei denen der Durchfallerreger EHEC vermutet wird oder bereits nachgewiesen wurde.

Insgesamt 17 Patienten hätten sich möglicherweise in dem "Kartoffelkeller" infiziert, berichteten die "Lübecker Nachrichten“ (Sonnabend) unter Berufung auf das Kieler Verbraucherschutzministerium. Am Sonnabend ruderte das Ministerium jedoch wieder zurück und bezeichnete den Bericht als überzogen. "Wir haben keine heiße Spur“, sagte Ministeriumssprecher Christian Seyfert der Nachrichtenagentur dpa. Untersuchungsergebnisse des zuständigen Robert Koch-Instituts (RKI) lägen bislang nicht vor. Eine RKI-Sprecherin bestätigte, dass ein Team zu Kontrollen in Lübeck war.

Selbst mehrere Wochen nach einer EHEC-Infektion könne der gefährliche Darmkeim an einer Quelle noch nachgewiesen werden, erklärte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller. Solange die Umgebung das Wachstum eines Erregers begünstige, sei er nachweisbar. Die in Verdacht geratenen Räumlichkeiten würden nun komplett untersucht. "Hier wird wirklich akribisch, detektivisch jede Schublade, jede Gabel, jedes Lebensmittel einmal umgedreht."

Vermutungen, nach denen Großveranstaltungen wie der Hamburger Hafengeburtstag als Ausbreitungsort für die EHEC-Welle infrage kommen, wiesen die Behörden am Samstag zurück. Die Hamburger Gesundheitsbehörde berichtete auf Nachfrage, RKI-Experten hätten bereits vor zehn Tagen das Hafenfest als Auslöser der EHEC-Welle ausgeschlossen. Auch das RKI betonte, "Pressemeldungen, wonach EHEC-Infektionen mit Großveranstaltungen in Verbindung gebracht werden, decken sich nicht mit den Erkenntnissen des RKI und stehen im Widerspruch zu dem epidemiologischen Profil des Ausbruchs".

Die EU-Kommission will Deutschland bei der Suche nach dem EHEC-Ausbruchsort helfen und künftig stärker zusammenarbeiten. EU-Gesundheitskommissar John Dalli bot an, EU-Experten zu schicken. Außerdem soll eine eigene EHEC-Internetplattform bis Montag auf die Beine gestellt werden, über die Behörden gezielt Informationen austauschen können. Unter anderem sollen zudem Hinweise auf Behandlungsformen vom RKI ins Englische übersetzt und den EU-Staaten bereitgestellt werden. Der Ausbruch soll am Montag auch eines der Themen beim Treffen der EU-Gesundheitsminister in Luxemburg werden.