Die Thesen des SPD-Chefs zur Integrationspolitik seien populistisch und völlig verfehlt, sagte sie im Interview mit dem Hamburger Abendblatt.
Berlin. In der Integrationsdebatte hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ungewöhnlich scharf angegriffen. "Die populistischen Forderungen von Herrn Gabriel sind völlig verfehlt. Sie ähneln in Aspekten den Thesen von Herrn Sarrazin , den die SPD ausschließen will", sagte die Ministerin im Abendblatt-Interview. "So kann man mit dem Thema nicht umgehen."
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Gabriel hatte ein konsequentes Durchgreifen gegen Integrationsverweigerer gefordert. "Wer auf Dauer alle Integrationsangebote ablehnt, der kann ebenso wenig in Deutschland bleiben wie vom Ausland bezahlte Hassprediger in Moscheen", sagte der SPD-Chef. Zugleich verteidigte er das Parteiausschlussverfahren gegen den SPD-Politiker und scheidenden Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, der mit umstrittenen Positionen zur Integrationsbereitschaft von Muslimen eine große Diskussion in Deutschland ausgelöst hatte. "Seine Thesen sind ein Gebräu aus der Tradition der Rassenhygiene der 20er-Jahre", so Gabriel.
Leutheusser-Schnarrenberger wies auch die Forderung des bayerischen Gesundheitsministers Markus Söder (CSU) zurück, wie in Frankreich das Tragen von Ganzkörperschleiern zu verbieten. In Deutschland seien Frauen mit Burka äußerst selten zu sehen. "Solche Vorschläge gehören in die Schublade. Sie bringen uns in der Integrationsdebatte überhaupt nicht weiter."
Die Justizministerin hält die bestehenden Gesetze für ausreichend, beklagt allerdings mangelnden Vollzug. Es gebe ein engmaschiges System von Ausweisung und Abschiebung. "Im Aufenthaltsgesetz und im Sozialgesetzbuch haben wir bereits teilweise drastische Sanktionen für integrationsunwillige Zuwanderer", sagte sie. "Wir müssen darauf achten, dass sie auch angewandt werden. In manchen Regionen gibt es Defizite im Vollzug solcher Gesetze." Die Ministerin sprach sich zugleich für islamischen Religionsunterricht in deutschen Schulen aus. Er solle in deutscher Sprache von Lehrern gehalten werden, die an deutschen Hochschulen ausgebildet wurden.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), forderte die Ausländerämter auf, den Besuch von Integrationskursen durch Migranten strenger zu kontrollieren. "Die meisten Ausländerämter informieren nur, fassen aber nicht nach, ob die Teilnahmeverpflichtung an einem Integrationskurs auch tatsächlich erfüllt wird", sagte Böhmer dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Es würden allenfalls Ermahnungen ausgesprochen. "Das kann ja nicht der Weg sein."
Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich in dem Interview auch dafür aus, auf manche Gesetze zur Terrorabwehr zu verzichten. "Wir werden die Terrorismusbekämpfungsgesetze in dieser Wahlperiode grundlegend überprüfen", kündigte sie an. "Einige dieser Gesetze sind befristet. Wir dürfen sie nicht automatisch verlängern, sondern müssen schauen, welche Vorschriften wir auslaufen lassen können." Das FDP-Präsidiumsmitglied forderte: "Wir brauchen eine ehrliche, an Tatsachen orientierte Evaluierung: Welche Maßnahme zur Terrorabwehr hat überhaupt etwas gebracht und was hat man nur im Gesetz stehen?"