Aus Sicherheitsgründen kann die Lesereise nicht in Hildesheim starten. Die Bundesbank zitiert Thilo Sarrazin zu einem „Gespräch“.
Berlin/Frankfurt. Eine Lesung in Hildesheim wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Die Bundesbank bittet ihren umstrittenen Vorstand Thilo Sarrazin zu einem „Gespräch“ nach Frankfurt. Und die Kritik wird lauter und lauter. Diese nächste Eskalationsstufe in der Debatte um Sarrazins provokante Thesen könnte zu einer schnellen Entmachtung und möglicherweise zum Rückzug des Provokateurs führen.
Sarrazin wollte an diesem Donnerstag in Hildesheim eigentlich die Lesereise zu seinem neuen Buch beginnen. Michael Jens, Geschäftsführer der Buchhandlung Decius, die Sarrazin zu der Lesung eingeladen hatte, begründete die Absage mit Sicherheitsbedenken. Jens befürchtet Proteste am Rande der Veranstaltung. Das Hildesheimer Bündnis gegen Rechts hatte erwogen, eine offizielle Protestkundgebung gegen die Lesung anzumelden.
Die Bundesbank hat ihr Vorstandsmitglied am Dienstag zu einem Gespräch nach Frankfurt/Main zitiert. Über das Ergebnis der Anhörung werde er anschließend mit dem Bundesbankvorstand beraten, sagte der Ethik-Beauftragte der Notenbank, der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Uwe H. Schneider, der Nachrichtenagentur dpa. Der Beauftragte für Corporate Governance prüft, ob Vorstände gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank verstoßen. Die Bundesbank hatte sich am Montag von Sarrazin distanziert und angekündigt, unverzüglich ein Gespräch mit dem früheren Berliner SPD-Finanzsenator zu führen. Anschließend solle zeitnah über weitere Schritte entschieden werden.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich von seinem früheren Finanzsenator Sarrazin distanziert und unterstützt das Parteiverfahren gegen ihn. „Ich bedauere dies, dass wir dazu gezwungen werden“, sagte Wowereit im Bayerischen Rundfunk. „Aber bei einer Partei ist maßgeblich, dass dort Menschen zusammenkommen, die einen Grundkonsens haben.“
„Die Thesen von Thilo Sarrazin sind mit der sozialdemokratischen Grundidee, nämlich der sozialen Gerechtigkeit, nicht vereinbar“, erklärte der Bürgermeister. Sarrazin war sieben Jahre lang, von Januar 2002 bis April 2009, Berliner Finanzsenator unter Wowereit. Auch in dieser Zeit war er durch provokante Bemerkungen aufgefallen.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat der Bundesbank ein zu nachsichtiges Vorgehen gegen ihr Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin vorgeworfen. „Die Meinung von Herrn Sarrazin hat nichts mit der Bundesbank zu tun. Daher sollte die Bundesbank auch besser nichts mit Herrn Sarrazin zu tun haben“, sagte Vizepräsident Dieter Graumann zu „Handelsblatt Online“. Zu seiner Zeit als Mitarbeiter der Bundesbank wären solche Aussagen eines Vorstands undenkbar gewesen. „Sie sollten es auch heute sein.“