Die Schiedskommission urteilte im März: Sarrazin hat nur Bewährung in der SPD. Auch die Bundesbank kann den Provokateur nicht einfach entlassen.
Berlin/Hamburg. Die Berliner SPD erwägt ein neues Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin . Es werde jetzt geprüft, ob es vielleicht neue Anhaltspunkte für einen Parteiausschluss gibt, sagte der Berliner SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller dem RBB-Inforadio. Er verwies auf das Urteil der SPD-Schiedskommission vom März , wonach weiter geprüft werden müsse, wie sich Sarrazin in der Partei verhalte und eventuelle weitere Thesen formuliere.
Die Landesschiedskommission hatte wegen vorangegangener Äußerungen Sarrazins einen Parteiausschluss gegen den früheren Berliner SPD-Finanzsenator seinerzeit abgelehnt, zugleich aber betont, dies sei „kein Freifahrtschein für alle künftigen Provokationen“. Sarrazin vertritt in seinem auszugsweise vorab veröffentlichten Buch „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ die These, dass muslimische Einwandererfamilien überproportional von Sozialleistungen profitierten und keinen Beitrag zum Wohlstand leisteten.
Wegen der jüngsten Äußerungen haben SPD-Chef Sigmar Gabriel und im Hamburger Abendblatt Generalsekretärin Andrea Nahles Sarrazin den Rücktritt nahegelegt. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, sagte, Sarrazin lasse seit Monaten „rassistische Hasstiraden“ los, so Kramer im NDR. Die Art und Weise, wie Sarrazin mit dem Problem der Integration umgehe, sei „extrem gefährlich“.
Kramer forderte die Politiker zugleich auf, sich nicht so sehr über Sarrazin zu empören, sondern vielmehr ein vernünftiges Konzept zur Integration vorzulegen. Es gebe Defizite in der Einwanderungspolitik: Migranten müssten die Chance erhalten, sich auch tatsächlich integrieren zu können, so Kramer.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Thesen Sarrazins über eine angeblich mangelnde Integrationsbereitschaft von Ausländern scharf zurückgewiesen. „Es ist unerträglich, was Herr Sarrazin mit seinen wirren sozio-biologischen Annahmen über die Intelligenz von Migranten zum wiederholten Male der Öffentlichkeit zumutet“, sagte sie. Jeder wisse, dass der wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik von den zahlreichen Migranten mit geschaffen worden sei.
Als Bundesbank-Vorstand waren Sarrazins Kompetenzen im vergangenen Jahr nach umstrittenen Interviewäußerungen bereits beschnitten worden. Bundesbank-Vorständen können nur vom Bundespräsidenten entlassen werden. Den Antrag dazu muss der Bundesbankvorstand stellen. Allerdings gelten dafür strikte Regeln: Einerseits können Vorstände entlassen werden, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung ihres Amtes nicht mehr erfüllt sind, wenn sie also zum Beispiel schwer krank sind. Der zweite Grund sind „schwere Verfehlungen“, die nicht näher ausgeführt werden.
Daneben können Vorstandsmitglieder auch zurücktreten. Das ist in der Geschichte der Bundesbank aber erst zweimal geschehen: 2004 trat Bundesbank-Präsident Ernst Welteke nach einer Affäre um Reise- und Hoteleinladungen zurück. Karl Otto Pöhl hatte 1991 im Streit über die deutsch-deutsche Währungsunion mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl sein Amt aufgegeben.