Der Berliner SPD-Chef Müller fordert Sarrazin zum Parteiaustritt auf. Grünen-Abgeordnete wollen bei seiner Buchvorstellung protestieren.
Hamburg. Die SPD will ihr Mitglied, den Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin zum Parteiaustritt bewegen. Sarrazin ist wegen seiner Thesen zur angeblich mangelnden Integrationswilligkeit von Migranten umstritten. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD, Michael Müller, hielt dem früheren Berliner Finanzsenator in einem Schreiben vor, sich mit seinen Positionen von sozialdemokratischer Politik immer mehr zu entfernen. „Da Du aber diesen Weg offenbar weitergehen willst, fordere ich Dich auf, gehe ihn ohne die SPD und tritt aus der Partei aus“, schrieb Müller in dem am Freitag veröffentlichten Brief. Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte Sarrazin bereits den Parteiaustritt nahegelegt . Die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert und mehrere Parlamentarier der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus riefen für Montag zu einer Protestkundgebung des Berliner Bündnisses „Rechtspopulismus stoppen“ vor dem Haus der Bundespressekonferenz in der Hauptstadt auf. Dort wollen der Bundesbanker und sein Verlag das Buch vorstellen, an dem sich die aktuelle Kritik entzündet. Anschließend wollen in der Hauptstadt mehrere islamische Organisationen auf einer Pressekonferenz zu Sarrazins Werk Stellung beziehen, darunter der Islamrat.
Bisher ist das 464 Seiten starke Buch mit dem Titel „Deutschland schafft sich ab“ nur in einzelnen Presseauszügen bekannt. Darin warnt der Bundesbanker davor, dass die Deutschen zu „Fremden im eigenen Land“ werden könnten.
Müllers Brief datiert vom 25. August. „Seit unserer Gründung bis heute ist es Kern unserer Politik, jene in die Gesellschaft zu integrieren, die drohen aus ihr herauszufallen – waren das in früheren Zeiten die einfachen Arbeiter, später die Generation der Gastarbeiter oder heute sozial Benachteiligte – ob mit oder ohne Migrationshintergrund“, schrieb der SPD-Landesvorsitzende an Sarrazin. „Dabei verfolgt die Sozialdemokratie seit jeher eine emanzipatorische Zielsetzung. Die Sprengung „einengender Fesseln“, egal ob aufgrund religiöser, kultureller oder sozialer Herkunft und das Recht auf individuelle Selbstbestimmung sind unser Ziel.“ Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, ging mit Sarrazin scharf ins Gericht. Sie hielt ihm vor, in seinen sieben Jahren als Berliner Finanzsenator nichts getan zu haben, um die schlechten Bildungsergebnisse in der Hauptstadt zu verbessern. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, sagte die Staatsministerin am Freitag im rbb-inforadio. Sie plädierte außerdem erneut für die Einrichtung eines Integrationsministeriums mit eigenem Budget.
Die frühere langjährige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth warf Sarrazin im Gespräch mit „Focus Online“ vor, mit seinen Integrationsthesen Vorurteile gegen Muslime zu schüren. Nach Ansicht des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin liegen wesentliche Forderungen des früheren Senators zur Integrationspolitik jenseits des unveränderlichen Kerns des Grundgesetzes.