Die SPD will ihn aus der Partei ausschließen. Die Bundesbank distanziert sich von Sarrazin. Proteste gab es bei seiner Buchpräsentation.
Frankfurt am Main. Selbst sein Arbeitgeber, die Bundesbank, ist verärgert über ihn - trotzdem hält Thilo Sarrazin an den umstrittenen Thesen zur Integration fest. „Ich lade alle ein, Unstimmigkeiten in meiner Analyse zu finden“, sagte der Bundesbank-Vorstand am Montag bei der Vorstellung seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ in Berlin. Das werde aber nicht einfach sein.
Sarrazin wirft muslimischen Einwanderern vor, sich nicht zu integrieren, und fordert höhere Hürden für die Zuwanderung. Die SPD bereitet seinen Ausschluss vor - das Präsidium beschloss dafür ein Parteiordnungsverfahren. Die Bundesbank distanzierte sich von ihrem Vorstandsmitglied - unverzüglich werde ein Gespräch zwischen dem Vorstand und Sarrazin stattfinden. Die Kritik aus Parteien und Migrantenverbänden riss nicht ab.
Die Äußerungen Sarrazins hätten dem Ansehen der Notenbank Schaden zugefügt, stellte der Bundesbank-Vorstand am Nachmittag in Frankfurt am Main fest. Sarrazin missachte „fortlaufend und in zunehmend schwerwiegendem Maße“ seine Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber.
Zuletzt hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Bundesbank eine Diskussion über die Personalie nahegelegt. Auch im Amt von Bundespräsident Christian Wulff wird der Wirbel um Sarrazin aufmerksam verfolgt. Offizielle Stellungnahmen gab es aber am Montag nicht. „Der Bundespräsident äußert sich zu Vorgängen, die er im Rahmen seiner Amtsführung möglicherweise noch juristisch bewerten muss, grundsätzlich nicht“, hieß es dazu auf Anfrage. Sollte Sarrazin als Bundesbank-Vorstand entlassen werden, müsste der Bundespräsident das vollziehen.
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Über ein SPD-Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel, den 65-Jährigen auszuschließen, muss noch der Parteivorstand entscheiden. Aus Sicht der Bundesregierung beschädigt Sarrazin das Ansehen der Bundesbank. „Die Bundesbank muss sich da natürlich jetzt Gedanken machen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Politiker von Linkspartei und Grünen forderten Sarrazins Abberufung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: „Das, was er macht, füllt vielleicht sein privates Portemonnaie, hilft uns aber in Integrationsfragen null weiter.“
Sarrazin selbst will Posten und Parteibuch behalten. „Ich bin in einer Volkspartei und werde in einer Volkspartei bleiben, weil ich meine, dass diese Themen in eine Volkspartei gehören“, sagte er. Im März war ein vom Berliner SPD-Landesverband angestrengtes Ausschlussverfahren gegen Sarrazin gescheitert.
Er gehe auch davon aus, dass er noch in einem Jahr im Bundesbank-Vorstand sitzen werde, sagte Sarrazin. Für das Jahr 2009 erhielt er für diesen Job ab Mai insgesamt eine Vergütung von rund 155 000 Euro. In diesem Jahr wird es nach Angaben der Bundesbank auf etwa 230 000 Euro hinauslaufen - die genauen Zahlen veröffentlicht die Notenbank in ihrem Geschäftsbericht.
Zahlreiche Journalisten aus dem In- und Ausland waren zu Sarrazins Buchvorstellung gekommen, darunter Kamerateams aus der Türkei und arabischen Ländern. Bislang war das Buch im Ausland nur ein Randthema gewesen. In Berlin demonstrierten vor der Tür der Bundespressekonferenz etwa 150 Menschen. Sarrazin bekräftige seine Warnung, dass die Deutschen wegen der niedrigen Geburtenrate zu „Fremden im eigenen Land“ würden. Kritik der Kanzlerin wies er indirekt zurück. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Merkel das Zeitbudget hat, dass sie schon meine 464 Seiten gelesen hat.“
Der Ökonom wiederholte auch Aussagen über das Erbgut von Juden und Basken. „Neue Untersuchungen offenbaren die gemeinsamen genetischen Wurzeln der heute lebenden Juden. Das ist ein Faktum.“ Daraus ergäben sich weder negative noch positive Zuschreibungen. Am Nachmittag bedauerte er per Pressemitteilung, dass seine Äußerung zu „Irritationen und Missverständnissen“ geführt hätten.
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Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Ayyub Axel Köhler, nannte Sarrazin den „Inbegriff des hässlichen Deutschen“. „Er hat dem Ruf unseres Landes mit seinen rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen schweren und nachhaltigen Schaden zugefügt“, sagte Köhler. Der Islamrat kritisierte, Sarrazins Thesen beförderten in Deutschland eine „Südenbock-Diskussion“ in einer Zeit von Unsicherheit und Umbrüchen. Die türkischstämmige Sozialwissenschaftlerin Neclß Kelek, die das Buch vorstellte, nahm Sarrazin dagegen in Schutz.