Panzer und Kampfhubschrauber beschießen Aleppo. Rebellen entführen eine Gruppe iranischer Pilger. Iran warnt Ausland vor Intervention.
Aleppo. Syrische Regierungstruppen und Rebellen kämpfen ungeachtet des wachsenden Leids der Bevölkerung erbittert um die Kontrolle über die größte Stadt des arabischen Landes. Kampfhubschrauber und Panzer nahmen am Sonntag Stellungen der Aufständischen in der Millionenmetropole Aleppo unter Beschuss, deren dauerhafte Einnahme im Kampf um die Vorherrschaft im Bürgerkrieg als entscheidend gilt. In der Hauptstadt Damaskus verschleppten Rebellen knapp 50 Iraner. Nach iranischen Angaben handelte es sich bei der Gruppe um Pilger. Die Aufständischen verdächtigen dagegen die Regierung in Teheran, Kämpfer einzuschleusen, um Präsident Baschar al-Assad an der Macht zu halten.
Panzer feuerten in der lange vom Krieg verschonten Stadt Aleppo auf Aufständische, die in den Gassen des Viertels Salaheddine Schutz suchten. Der einst lebendige Einkaufs- und Restaurantbezirk hat sich in eine Landschaft aus Staub und Geröll verwandelt, wie ein Reuters-Reporter vor Ort berichtete. In den einstigen Familienwohnungen harren Scharfschützen der Rebellen aus. Vereinzelt wagten sich Bewohner zurück ins Kampfgebiet, um Wertsachen zu bergen. Doch der monatelange Bürgerkrieg hat bei den Zivilisten deutliche Spuren hinterlassen.
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Mitten in einem Gefecht lief am Sonnabendabend ein älterer Mann zwischen Rebellen und Soldaten, bis er von einem Kämpfer am Kragen gepackt und in Deckung gezogen wurde. „Ich wollte doch nur Brombeersaft kaufen“, stammelte der Mann. An einer Kreuzung stand, zitternd vor Angst, ein Paar. „Nur weil er (Assad) an der Macht bleiben will, zerstört er unsere Straßen und Häuser, ermordet unsere Söhne“, weinte Fausia Um Ahmed. „Ich erkenne diese Straßen nicht mehr wieder.“ Im staatlichen Fernsehen hieß es, die Armee „reinige das Land vom terroristischen Schmutz“. Für die kommenden Tagen erwarteten die Rebellen eine Großoffensive der Armee. In Damaskus bombardierten Kampfjets nach Darstellung eines Bewohners das letzte noch von Aufständischen gehaltene Viertel.
Iran warnte als Schutzmacht der syrischen Führung vor einer Intervention des Auslands. Parlamentspräsident Ali Laridschani warf den USA und regionalen Mächten vor, die Rebellen militärisch zu unterstützen. „Was erlaubt es diesen Ländern, sich in interne syrische Angelegenheiten einzumischen?“, fragte der als moderat geltende konservative Politiker. Nach seiner Darstellung werde sich der Konflikt auch auf Israel ausweiten. Ein Militäreinsatz des Auslands gilt derzeit aber als ausgeschlossen. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere unterstrich in der „Welt am Sonntag“ seine Skepsis, was eine Intervention angeht.
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Nach der Aufgabe des Sondervermittlers Kofi Annan sind die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung weiter geschrumpft. Als neuen Anlauf, den internationalen Bemühungen wieder Leben einzuhauchen, versuchten die USA einen Vorstoß in Richtung Türkei. Außenministerin Hillary Clinton will sich mit dem Nachbarland Syriens enger abstimmen und kündigte für Ende kommender Woche einen Besuch in Istanbul an.
Ein hochrangiger Oppositioneller erklärte sich derweil prinzipiell zu Gesprächen mit Regierungsvertretern bereit, nannte aber Bedingungen. So dürften seine Verhandlungspartner „kein Blut an den Händen“ haben, sagte der Vorsitzende des syrischen Nationalrates, Abdelbasset Seida, der Zeitung „Aschark al-Awsat“. Vorraussetzung für Gespräche wäre außerdem ein Rücktritt Assads und seiner Getreuen. Es gibt jedoch keinerlei Anzeichen, dass der syrische Machthaber dazu bereit sein könnte.
Der Konflikt entwickelt unterdessen immer gewaltsamere Züge und lockt offenbar auch zunehmend Extremisten an. Eine radikale Islamistengruppe bekannte sich nach Darstellung von Experten dazu, einen Moderator des Staatsfernsehen entführt und exekutiert zu haben. Die Gruppe Al-Nusra erklärte demnach auf ihrer Internetseite, die Tat sei als Warnung an alle Unterstützer des Präsidenten zu verstehen.
Mit Material von Reuters