Bei einem neuen Massaker sind in Syrien nach Angaben von Aktivisten mehr als 200 Zivilisten von regierungstreuen Milizen getötet worden.
Beirut. Ungeachtet aller Appelle der Weltgemeinschaft zu Gewaltverzicht sollen regierungstreue Milizen nur wenige Wochen nach dem Massaker von Hula ein neues Blutbad in Syrien verübt haben. Aktivsten berichteten von mehr als 150 Toten in der und um die Ortschaft Tremse in der Provinz Hama. In einigen Medienberichten ist gar von mehr als 200 Opfern die Rede. Unterdessen warf die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den Regierungstruppen von Präsident Baschar Assad den Einsatz von Streubomben im Kampf gegen Regimegegner vor.
Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, sie habe Informationen vorliegen, wonach mehr als 150 Menschen beim Bombardement von Tremse ums Leben gekommen seien. Namentlich identifiziert seien bislang 30 der Opfer. Angaben über Todesopfer in Syrien lassen sich kaum unabhängig bestätigen, da die Regierung in Damaskus die Berichterstattung ausländischer Journalisten seit Beginn der Unruhen vor mehr als einem Jahr weitgehend unterbindet.
+++ Resolutionsentwurf setzt Assad Zehn-Tages-Frist +++
Einige Medien berichteten unter Berufung auf Aktivisten von mehr als 200 Toten. Regierungstruppen hätten die Ortschaft Tremse am Donnerstagmorgen zunächst umstellt und dann das Feuer mit Granaten und Artillerie eröffnet. Später sei die regierungstreue Miliz Schabiha in die Ortschaft eingefallen und habe Menschen wahllos getötet, darunter Frauen und Kinder. „Mehr als 200 Menschen starben heute in Tremse. Sie kamen beim Beschuss durch Panzer und Hubschrauber, Artilleriefeuer und Massenexekutionen ums Leben“, zitierte die britische Zeitung „Guardian“ eine Erklärung des Revolutionärsrats Hama.
Sollten sich die Berichte bestätigen, wäre es das bislang schlimmste Massaker seit Beginn der Proteste gegen Assad im März vergangenen Jahres. Ende Mai waren in der Ortschaft Hula mehr als 100 Menschen getötet worden. Damals hieß es auch, dass Regierungstruppen zunächst das Feuer eröffnet und später Schabiha-Milizionäre Männer, Frauen und Kinder getötet hätten.
+++ Krisengespräche in Russland bleiben ohne Ergebnis +++
Unterdessen warf die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) den syrischen Regierungstruppen den Einsatz von Streubomben vor. Die Bomben seien eindeutig auf einem Amateurvideo im Internet zu identifizieren, teilte die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation am Donnerstag mit. Die Munition steht in der Kritik, weil viele der kleinen Sprengkörper in ihrem Inneren beim Aufprall nicht explodieren, sondern ganze Landstriche in Minenfelder verwandeln.
Während das Blutvergießen in Syrien weitergeht, lehnt Russland eine Resolution der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der UN-Charta ab, wonach Schritte auch militärisch durchgesetzt werden können. „Wir sind definitiv gegen Kapitel VII“, sagte der stellvertretende russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Alexander Pankin, am Donnerstag. „Alles ist verhandelbar, aber darüber verhandeln wir nicht – das ist die rote Linie.“
In dem von Großbritannien eingebrachten Resolutionsentwurf hieß es, die syrischen Behörden müssten „sichtbar und verifizierbar“ ihre Versprechen erfüllen und Truppen sowie schwere Waffen aus Wohngebieten abziehen. Sollte die Regierung der Forderung nicht binnen zehn Tagen nachkommen, solle der Sicherheitsrat nichtmilitärische Sanktionen verhängen. Da sie aber unter Kapitel VII der UN-Charta laufen würden, wäre zu ihrer Umsetzung auch militärische Gewalt möglich.
Moskau selbst brachte einen weiteren Resolutionsentwurf zu Syrien in Umlauf, der eine Verlängerung der UN-Beobachtermission um drei Monate vorsieht und für eine politische Lösung des Konflikts plädiert. Annans Friedensplan solle „sofort und vollständig umgesetzt werden“, hieß es in dem Text. Der französische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gérard Araud, nannte den russischen Entwurf „zahnlos“.
Nach einem Treffen von Vertretern der 15 Weltsicherheitsratsmitglieder am Donnerstag sagte der deutsche Botschafter bei den UN, Peter Wittig: „Wir hatten eine gute, ruhige und zielorientierte Diskussion. Aber es gibt immer noch Differenzen, und die betreffen das Kapitel VII. Also machen wir im konstruktiven Sinne weiter.“
( dapd/abendblatt.de )