Sondergesandter Kofi Annan hat sich um Frieden in Syrien bemüht. Nun gibt er auf und kritisiert internationale Gemeinschaft und UN-Sicherheitsrat.
New York/Genf/Damaskus. Nach gut fünf Monaten vergeblicher Vermittlungsbemühungen gibt der Syrien-Sonderbeauftragte Kofi Annan sein Amt Ende August resigniert auf. Der frühere UN-Generalsekretär begründete seinen Rückzug am Donnerstag mit mangelnder Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der fehlenden Einigkeit im UN-Sicherheitsrat. Russland und China hatten dort eine schärfere Gangart gegen das Regime in Damaskus blockiert. Die USA gaben beiden Ländern eine Mitschuld an Annans Rückzug. Wer ihm als Vermittler von Vereinten Nationen und Arabischer Liga folgen soll, ist unklar.
"Ohne ernsten, entschlossenen und vereinten internationalen Druck, auch von den Mächten der Region, ist es mir wie auch jedem anderen unmöglich, an erster Stelle die syrische Regierung – und auch die Opposition – zu zwingen, mit den nötigen Schritten für einen politischen Prozess zu beginnen“, sagte der 74-jährige Annan am Donnerstag in Genf. "Während das syrische Volk verzweifelt nach Taten verlangt, gehen die gegenseitigen Schuldzuweisungen im Sicherheitsrat weiter“, kritisierte Annan.
Nach UN-Angaben wurden seit Beginn des Aufstands gegen Assad im März 2011 mindestens 16.000 Menschen getötet. Die Zivilbevölkerung leidet immer mehr. Hunderttausende sind auf der Flucht.
Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin bedauerte den Rückzug Annans. Sein Land hoffe, "dass Kofi Annan im verbleibenden Monat trotz schwerer Bedingungen noch Erfolge erzielen kann“.
Die USA gaben Russland und auch China eine Mitschuld am Rückzug des Sondergesandten. Die Entscheidung verdeutliche das Versagen beider Länder, bedeutende Resolutionen gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu unterstützen, die den Verstoß gegen Annans Sechs-Punkte-Plan geahndet hätten, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney. Auch die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, kritisierte die Rolle Russlands und Chinas scharf. "Die Mitglieder, die das Handeln im Sicherheitsrat blockiert haben, haben den Einsatz von Annan unmöglich gemacht.“
Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte, es sei "höchste Zeit“, dass Russland und China dem Assad-Regime ihre schützende Hand entzögen. Nur wenn die internationale Gemeinschaft geschlossen agiere, werde Annans Nachfolger eine Chance haben.
Die Regierung in Damaskus reagierte ebenfalls mit "Bedauern“ auf Annans Rückzug. Zugleich warf die syrische Führung ihren Kritikern im Sicherheitsrat vor, sie wollten die Stabilität Syriens erschüttern. Mit der Unterstützung und Bewaffnung „terroristischer Gruppen“ hätten diese Staaten dazu beigetragen, dass die Gewalt im Land anhalte.
Auch ein Vertreter des oppositionellen Syrischen Nationalrates bedauerte den Rücktritt Annans. "Er wusste, dass all seine Bemühungen vergeblich waren, und deshalb trat er zurück“, sagte Nadschi Tajjara, ein Mitglied des Exil-Dachverbands syrischer Oppositioneller. Die Lage in Syrien sei in eine kritische Phase getreten, fügte er hinzu.
Annans Nachfolger an der UN-Spitze, Ban Ki Moon, sagte, er sei Annan zu höchstem Dank verpflichtet für den selbstlosen Einsatz, sein herausragendes diplomatisches Geschick und das Ansehen, das er in das "schwierigste und wahrscheinlich undankbarste aller Ämter“ mitgebracht habe. Die Suche nach einem Nachfolger, der Annans Bemühen um einen Frieden in Syrien fortsetzen soll, habe im Einvernehmen mit der Arabischen Liga bereits begonnen.
Der britische Premierminister David Cameron, der am Donnerstag in London den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen hatte, forderte den Sicherheitsrat auf, den Druck auf Syrien zu erhöhen.
Die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wollen an diesem Freitag in der Vollversammlung über einen Text abstimmen, der Assads Blutbad am eigenen Volk scharf verurteilt. Im Sicherheitsrat, dem einflussreichsten Gremium der Vereinten Nationen, waren entsprechende Resolutionen stets am Widerstand der Russen und Chinesen gescheitert.
Unterdessen wurde bekannt, dass die USA die syrischen Rebellen in ihrem Kampf gegen das Assad-Regime stärker unterstützen als bislang bekannt. US-Präsident Barack Obama soll nach Angaben des Senders CNN einen Erlass unterzeichnet haben, der die heimliche Unterstützung der Aufständischen durch den Geheimdienst CIA erlaubt. Nach eigenen Angaben unterstützt Washington die Rebellen mit rund 25 Millionen Dollar (rund 20 Millionen Euro). Das Geld ist laut US-Regierung aber nicht für Waffen, sondern für Ausrüstung wie Kommunikationstechnik bestimmt. Zudem stockte Washington seine humanitäre Hilfe auf 76 Millionen Dollar auf, wie das Weiße Haus in Washington mitteilte.
In Syrien wurde weiter erbittert gekämpft. Syrische Rebellen griffen am Donnerstag einen Militärflughafen des Regimes in der Nähe von Aleppo an. Dabei setzten sie auch einen Panzer ein, den sie von Regimetruppen erbeutet hatten, teilten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mit. Die Kämpfe um Aleppo, die wichtigste Geschäftsmetropole des Landes, dauern nun fast zwei Wochen an. Eine von den Regierungstruppen am vorigen Wochenende gestartete Großoffensive in Aleppo blieb bislang erfolglos.
In der Hauptstadt Damaskus gingen die Regimetruppen gegen Widerstandsnester der Freien Syrischen Armee (FSA) vor. Das Stadtviertel Al-Tadamun wurde stundenlang von Helikoptern aus und mit Granaten beschossen, berichteten Aktivisten. Nach einem mutmaßlichen Massaker der Regimekräfte im Vorort Artus wurden bis zum Donnerstag die Leichen von 43 Menschen gefunden, die meisten von ihnen Zivilisten. Sie sollen am Vortag erschossen worden sein. Solche Informationen lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen. (abendblatt.de/dpa)