Syrische Aufständische haben 48 Pilger aus dem Iran verschleppt, weil sie Spionage befürchten. Westerwelle fordert mehr Rückhalt für neuen Vermittler.
Berlin/Damaskus/Teheran. Nach dem Rücktritt des Syrien-Vermittlers Kofi Annan fordert Bundesaußenminister Guido Westerwelle einen größeren Rückhalt des UN-Sicherheitsrates für dessen Nachfolger. "Der Nachfolger von Kofi Annan braucht ein starkes Mandat der Weltgemeinschaft und vor allem endlich den notwendigen Rückhalt vom Weltsicherheitsrat“, sagte Westerwelle der "Bild“-Zeitung (Montagausgabe) laut Vorabbericht.
Annans Friedensplan sei noch immer die beste Grundlage für ein Ende der Gewalt und den Einstieg in eine politische Lösung des Konflikts. Wo nötig, müsse auch über Anpassungen nachgedacht werden. Unverzichtbare Kernforderungen seien jedoch ein sofortiges Ende der Gewalt in dem seit 17 Monaten dauernden Aufstand und die Bildung einer Übergangsregierung ohne Staatschef Baschar al-Assad.
Annan hatte vor einigen Tagen frustriert aufgegeben und seinen Rücktritt für Ende August angekündigt. In einem ungewöhnlichen Schritt kritisierte die UN-Vollversammlung daraufhin am Freitag den UN-Sicherheitsrat und warf ihm mit Blick auf Syrien Untätigkeit vor. Rechtlich bindende Resolutionen des Sicherheitsrates waren in den vergangenen Monaten mehrfach am Veto Russlands und Chinas gescheitert. Die UN-Vollversammlung kann zwar auch Resolutionen verabschieden, sie haben jedoch keine bindende Wirkung.
De Maizière gegen militärische Intervention
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) plädiert auch nach dem Rücktritt Annans für militärische Zurückhaltung in Syrien. "Das Scheitern der Diplomatie darf nicht automatisch zum Beginn des Militärischen führen“, sagte de Maizière der "Welt am Sonntag“. Es sei "zweifellos bitter und frustrierend, auf dieses Morden schauen zu müssen, ohne direkt etwas dagegen unternehmen zu können“, erläuterte der Minister. Deutschland müsse weiter humanitär helfen und die demokratisch gesinnten Teile der Opposition logistisch unterstützen. "Aber mehr nicht“, sagte de Maizière.
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Um das Morden in Syrien zu beenden, wäre es mit einer Flugverbotszone nicht getan, glaubt der CDU-Politiker: "Es müssten Soldaten auf dem Boden eingesetzt werden, zu Zehntausenden, um die Gewalt zu unterbinden. Das ist derzeit weder machbar noch verantwortbar.“
Syrische Rebellen verschleppen Iraner – Spionagevorwurf
Derweil wird der blutige Konflikt in Syrien immer mehr zum Pulverfass für die gesamte Region. Eine islamistische Aufständischen-Gruppe entführte am Sonnabend in Damaskus 48 iranische Pilger, denen sie unterstellt, Agenten der Revolutionsgarden zu sein. Ein Video, das der saudische Nachrichtensender Al-Arabija am Sonntag ausstrahlte, zeigt einen Teil der Entführten in der Gewalt der sogenannten Al-Baraa-Märtyrerbrigade. Der Iran steht auf Seiten des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Die syrischen Rebellen werden vom iranischen Erzrivalen Saudi-Arabien mit Geld und Waffen gestützt.
In dem Video zeigt der Kommandeur der Einheit, Nasser al-Schumeir, ausweisartige Dokumente in die Kamera, die die Zugehörigkeit der Entführten zu den Revolutionsgarden beweisen sollen. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. „Wir observieren die Iraner seit Monaten, seitdem wir von ihnen Kenntnis erlangt haben“, sagte Al-Schumeir.
Der Sender Al-Arabija, der das Video zeigte, gehört einem saudischen Geschäftsmann mit enger Bindung an das saudische Herrscherhaus. Saudi-Arabien unterstützt in Syrien vor allem Rebellengruppen mit radikal-islamischer Agenda. Mit dem Iran rivalisiert das Königreich um die Vorherrschaft am Golf.
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Teheran hatte bereits am Sonnabend bestätigt, dass 48 Pilger auf dem Weg zum internationalen Flughafen von Damaskus entführt worden waren. Der Schrein der Sajjida Zeinab in der syrischen Hauptstadt ist ein beliebter Wallfahrtsort für Pilger aus dem schiitischen Gottesstaat. Nach Informationen der iranischen Botschaft in Damaskus wurden die Wallfahrer von einer „bewaffneten terroristischen Gruppe“ verschleppt. Das Schicksal der Entführten sei ungewiss. Syrische und iranische Stellen bemühten sich um Aufklärung, hieß es.
Die Al-Baraa-Brigade, benannt nach Al-Baraa ibn Malik (gest. 640), einem Gefährten des Propheten Mohammed, stammt aus Homs. Sie hatte sich im Februar dieses Jahres gegründet und damals angekündigt, Einrichtungen des Assad-Regimes mit Selbstmordanschlägen angreifen zu wollen.
In der nordsyrischen Metropole Aleppo bekämpften sich Regierungstruppen und Aufständische unterdessen weiter heftig. Das Regime ließ das Viertel Salaheddin massiv mit Artillerie beschießen. In dem Stadtteil habe es auch Gefechte gegeben, teilten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mit. Die Regierungstruppen versuchen seit zwei Wochen vergeblich, die Rebellen aus der zweitgrößten Stadt des Landes zu verdrängen. Diese konnten das von ihnen kontrollierte Gebiet sogar ausweiten.
Nach fast 17 Monaten Krieg gegen das eigene Volk gerät das Assad-Regime inzwischen auch wirtschaftlich in Bedrängnis. Wie russische Medien am Sonnabend berichteten, wurde eine Delegation aus Damaskus in Moskau vorstellig, um den Verbündeten Russland um finanzielle Hilfe zu bitten. Den Berichten zufolge gehen Syrien vor allem raffinierte Erdölprodukte wie Diesel aus. Die Delegation um Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe „eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken“, hieß es. Damaskus machte die westlichen Sanktionen für die wirtschaftliche Notlage verantwortlich.
Mit Material von dpa und rtr