Aus Washington verlautete, dass der Präsident mit keiner der ihm vorgelegten vier Optionen zu Afghanistan einverstanden sei.
Hamburg/Washington. Der amerikanische Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, ist ein Mann, dessen Meinung zum Afghanistan-Krieg in Washington in hohem Ansehen steht. Der frühere Generalleutnant diente zweimal am Hindukusch, zuletzt bis 2007 als US-Oberkommandeur. Nun richtete der Diplomat einige Schreiben an die Regierung in Washington, die dort wie eine Bombe einschlugen.
Noch während US-Präsident Barack Obama verschiedene Optionen für eine Truppenverstärkung in Afghanistan prüft, während die Welt seit Wochen auf die längst überfällige Entscheidung wartet, warnte Eikenberry den Präsidenten eindringlich davor, noch mehr Soldaten zu entsenden - wie dies der gegenwärtige US-Oberkommandeur Stanley McChrystal geradezu ultimativ gefordert hat.
In undiplomatisch direkter Weise bringt Eikenberry in seinen Depeschen zum Ausdruck, dass er von einer Truppenaufstockung dringend abrät, da die Regierung von Präsident Hamid Karsai korrupt und unzuverlässig sei. Zudem werde eine weitere Verstärkung der amerikanischen Truppen die Abhängigkeit der Regierung Karsai von den ausländischen Soldaten nur noch verstärken und das Engagement der USA auf unabsehbare Zeit verlängern. Bei einer Konferenz von Obama mit seinen Top-Beratern war Eikenberry per Video-Link zugeschaltet. Eine ähnliche Position wie Eikenberry nehmen auch der einflussreiche Senator John Kerry sowie Vizepräsident Joe Biden ein.
Aus Washington verlautete indessen, dass der Präsident mit keiner der ihm vorgelegten vier Optionen zu Afghanistan einverstanden sei. Diese Optionen sehen in Abstufungen eine Aufstockung der US-Truppen vor - zwischen 10 000 bis 15 000 und fast 40 000 Soldaten. Letzteres hatte McChrystal für unerlässlich gehalten, um den Krieg zu gewinnen. Die Option mit 10 000 Mann käme einer De-facto-Ablehnung seiner Strategie gleich.
Es wird erwartet, dass der Präsident noch während seiner heute beginnenden Asien-Reise eine Entscheidung fällen wird, die er nach seiner Rückkehr am 19. November verkünden dürfte.
Obama besucht zunächst Japan, traditionell der wichtigste Verbündete im Pazifik. Doch der neue japanische Regierungschef Yukio Hatoyama, ein selbst- und nationalbewusster Mann, will Japans Rolle in der Region stärken und den bei den Einwohnern höchst umstrittenen US-Militärstützpunkt auf Okinawa möglichst schließen lassen. Obama wiederum will nach Angaben seines Redenschreibers Ben Rhodes den "Führungsanspruch der USA im Pazifik" unterstreichen. Konfliktpotenzial gibt es dann auch in China, dem größten Kreditgeber der USA und aufgehende Supermacht. Obama will dort unter anderem die heikle Menschenrechtsfrage ansprechen und klarmachen, dass er den chinesischen Yuan für massiv unterbewertet hält - was der US-Wirtschaft schadet. Eine "Obamania"-Welle der Sympathie wie in Europa wird in Asien wohl kaum über dem US-Präsidenten zusammenschlagen.