Am Freitag wird der Verteidigungsminister zu dem Luftangriff in Afghanistan Stellung beziehen. Vorher wird krädftig spekuliert.
Berlin. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird an diesem Freitag erstmals öffentlich zum geheimen NATO-Bericht über den von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff in Afghanistan mit vielen Toten Stellung beziehen. Am Donnerstag dementierte das Ministerium einen Zeitungsbericht, wonach der Minister sich dabei von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan distanzieren werde. Der Vier-Sterne-General hatte in der vergangenen Woche erklärt, er sehe die Bundeswehr durch den NATO-Bericht entlastet und hinzugefügt, er habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass Oberst Georg Klein militärisch angemessen gehandelt habe. Die Opposition hält diese Bewertung nach Einsicht in den Bericht für unzulässig.
Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wird am Freitag ebenfalls die Entscheidung fallen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Klein wegen des „Anfangsverdachts einer Straftat“ eingeleitet wird. Klein hatte die Bombardierung zweier Tanklastwagen am 4. September im deutschen Verantwortungsbereich im nordafghanischen Kundus angeordnet. Dabei wurden nach NATO-Angaben 17 bis 142 Menschen getötet und verletzt. Guttenberg will am Freitagmittag den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen seine Bewertung der 75-seitigen NATO-Expertise darlegen, die dem Ministerium just zu seiner Amtsübernahme am 28. Oktober übermittelt worden war. Im Anschluss daran wird er die Öffentlichkeit informieren, teilte das Ministerium mit.
„Die Erwartungshaltung, Verteidigungsminister Guttenberg werde sich bei seiner Einschätzung zu den Festellungen des NATO- Untersuchungsberichts von der ersten Bewertung des Generalinspekteurs distanzieren, wird sich nicht bestätigen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag. Die „Leipziger Volkszeitung“ (Donnerstag) hatte hingegen berichtet, die politische Spitze des Verteidigungsministeriums wolle auf Distanz zu Schneiderhan gehen.
Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Wolfgang Klein, sagte dem Radiosender NDR Info, der NATO-Bericht liege der Behörde seit dem 30. Oktober vor. Er sei eine gute Grundlage, über die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden. „Wir werden eine Entscheidung bekanntgeben“, sagte der Sprecher. Seine Behörde ist zuständig, weil die Heimatkaserne von Georg Klein in Leipzig ist. Der Kommandeur ist inzwischen wieder bei seinem Heimatverband in Sachsen.
Es gehe auch um die Rechtsgrundlage, sagte Wolfgang Klein dem NDR. „Die Frage, ob in Afghanistan Krieg oder kriegsähnliche Zustände geherrscht haben, oder ob es ein bloßer Unterstützungseinsatz war, spielt auch eine gewisse Rolle“, sagte er. Je nach Bewertung würde entweder deutsches Strafrecht oder Völkerstrafrecht gelten - letzteres könne eine mildere Beurteilung bedeuten, hieß es.
Guttenberg hatte erst am Dienstag von „kriegsähnlichen Zuständen“ in Afghanistan gesprochen – und sich damit von seinem Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) distanziert, der stets von einem Stabilisierungseinsatz gesprochen hatte. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“, der Verband stehe weiter „ohne Wenn und Aber“ zu Klein. „Unsere Frauen und Männer werden sagen, wenn wir in den Einsatz gehen, dann haben wir den Staatsanwalt mit im Gepäck. Das wäre fatal.“ Klein habe „militärisch das Richtige getan“.
US-Kampfjets hatten am 4. September auf Anforderung von Klein in der nordafghanischen Region Kundus zwei Tanklastzüge bombardiert, die von Taliban gekapert worden und in einem Flussbett steckengeblieben waren. Die genaue Zahl der Opfer des Luftschlags sei nicht zu ermitteln, hatte Schneiderhan unter Berufung auf den NATO-Bericht erklärt. Die Zahl der Toten und Verletzten liege zwischen 17 und 142, darunter 30 bis 40 Zivilisten.