Noch bestreitet das Weiße Haus entsprechende Meldungen. Präsident Barack Obama will Entscheidung erst nach Asienreise mitteilen.
Hamburg/Washington. "Berichte, dass Präsident Obama eine Entscheidung über Afghanistan gefällt hat, sind absolut falsch ..." Der ungewöhnliche Vorspann zu einer entsprechenden, aufsehenerregenden Nachrichtengeschichte des US-Senders CBS wurde vom Weißen Haus ausgegeben und stammte wohl aus der Feder von Obamas Nationalem Sicherheitsberater, General James Jones.
Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass der langjährige Pentagon-Korrespondent von CBS, David Martin, seine Geschichte über Obamas Entscheidung, auf die die Welt seit Wochen wartet, einfach erfunden hat. Vermutlich hat er seine Informationen sogar direkt aus dem Pentagon erhalten.
Der CBS-Mann hatte berichtet, dass Barack Obama nach langem Zögern entschieden habe, doch massive Truppenverstärkungen nach Afghanistan zu schicken - allerdings nicht ganz so viele, wie dies der dortige Oberkommandeur, US-General Stanley McChrystal, gefordert hatte.
Ursprünglich hatte McChrystal 47 000 zusätzliche Soldaten haben wollen. Er war dann aber angesichts der zunehmenden Skepsis in der Regierung bezüglich seiner Afghanistan-Strategie - unter anderem ist Vizepräsident Joe Biden strikt gegen die Aufstockung -, aber auch in der US-Bevölkerung bezüglich des ganzen Kriegseinsatzes auf 40 000 zurückgegangen. Der General hatte mit seiner Analyse, anderenfalls werde der Krieg in Afghanistan verloren gehen, den Präsidenten fast dazu genötigt, seinen Empfehlungen zu folgen - was ihm harsche Kritik eingetragen hat.
Wie CBS berichtete, wolle Obama nun vier Kampfbrigaden plus einer erheblichen Zahl von Unterstützungstruppen an den Hindukusch entsenden. Insgesamt bleibe deren Kopfstärke aber unter den geforderten 40 000 Mann. Eine US-Brigade hat rund 3500 Soldaten. Diese Lösung wird im Weißen Haus als "McChrystal light" etikettiert.
Damit würde die Zahl der in Afghanistan kämpfenden US-Truppen von 68 000 auf rund 100 000 steigen. Allerdings soll die erste Kampfbrigade - vermutlich aus Fort Drum im Bundesstaat New York, die eigentlich bald in den Irak verlegt werden sollte - erst frühestens Anfang 2010 vor Ort eintreffen. Die gesamte Verstärkung soll sich bis Ende des kommenden Jahres hinziehen. Im Irak waren 30 000 zusätzliche US-Soldaten noch binnen fünf Monaten im Einsatz gewesen.
Kritiker in Washington bemängelten daher bereits, eine derart langsame Aufstockung werde wohl keinen großen militärischen Effekt haben. So sagte Fred Kagan vom ultrakonservativen American Enterprise Institute: "Eine Verstärkung in Zeitlupe wird auch nur Resultate in Zeitlupe erbringen." Es wird erwartet, dass die 100 000 US-Soldaten rund vier Jahre in Afghanistan bleiben müssen - McChrystal hat diese Zeit veranschlagt, um die afghanische Armee und Polizei bis dahin in die Lage zu versetzen, das Land selber zu stabilisieren und die Taliban abzuwehren.
Zwei hochrangige Quellen in der US-Regierung sagten gegenüber dem Sender CNN, die CBS-Nachricht sei falsch und vom Pentagon gestreut worden, um einen derart hohen Erwartungsdruck auf Obama aufzubauen, dass er McChrystals Forderungen erfüllen müsse.
Der Pressechef des Weißen Hauses, Robert Gibbs, sagte derweil, es sei "zweifelhaft", dass Obama seine Entscheidung zu Afghanistan noch vor seiner am Donnerstag beginnenden Asienreise mitteilen werde. Sie wird den US-Präsidenten nach Japan, China, Singapur und Südkorea führen. Und es sei auch zweifelhaft, dass er sich während der Reise dazu äußern werde. Barack Obama kehrt am 20. November nach Washington zurück.
In Japan will der US-Präsident auch die 1945 von amerikanischen Atombomben zerstörten Städte Hiroshima und Nagasaki besuchen. Er wäre damit der erste US-Präsident, der dies tut. Durch die beiden Atombomben kamen 1945 mehr als 200 000 Menschen ums Leben. Abertausende weitere starben an den Nachwirkungen.
Obama erklärte zudem, dass er sich nach monatelangen Beratungen entschlossen habe, direkte Gespräche mit Nordkorea aufzunehmen. Er will dazu den Sondergesandten Stephen Bosworth nach Pjöngjang schicken.