Momentan werden fünf Opfer des Libyenkriegs im Westklinikum Hamburg-Rissen behandelt. Morgen werden weitere Opfer zur Behandlung erwartet.
Hamburg/Berlin. Nach dem Bürgerkrieg in Libyen läuft die medizinische Hilfe für Kriegsopfer jetzt auch in Deutschland an. Seit Montag werden fünf Schwerverletzte aus Libyen in Hamburg behandelt. Die Männer im Alter zwischen 23 und 30 Jahren waren am Sonntagabend auf dem Flughafen Fuhlsbüttel eingetroffen und direkt zum Asklepios Westklinikum in Hamburg-Rissen transportiert worden, wie das behandelnde Krankenhaus mitteilte.
Die Männer sind Aktivisten des libyschen Übergangsrates und wurden bereits vor zwei bis drei Monaten verwundet. Sieben weitere Patienten aus Libyen könnten schon am Dienstag hinzukommen. Insgesamt will Deutschland rund 150 Menschen behandeln. Nach Angaben des ärztlichen Direktors und Leiters der Chirurgie, Wolfgang Tigges, haben vier der fünf Männer, die bislang in Behandlung sind, schwere Verletzungen der Wirbelsäule erlitten. Bei allen besteht die Gefahr, dass sie nie wieder gehen werden können.
Auf dem Röntgenbild eines der Patienten war ein durch ein Geschoss zertrümmerter Wirbel zu sehen. Der fünfte Patient, ein 29-jähriger Mann, habe einen bleibenden Hirnschaden durch Sauerstoffmangel erlitten. Nicht nur mit Operationen werde den Männern in Deutschland geholfen, betonte Tigges. Sie würden auch an Reha-Programmen teilnehmen und bedürften zudem dringend psychiatrischer Hilfe.
In der Klinik kümmert sich ein Team aus Neurochirurgen, Unfallchirurgen, Urologen und weiteren Spezialisten um die Patienten. Diese werden unter strengsten Hygienevorschriften in einem separaten Bereich betreut. Zur Vermeidung von Infektionen nähern sich ihnen die Ärzte nur in steriler Schutzkleidung.
Für die Patienten sowie zwei Angehörige stellt die Klinik muttersprachliche Dolmetscher. Einer von Ihnen ist der Internist Abu Hashem, der ursprünglich aus Palästina stammt. Von der Behandlung in Deutschland erhofften sich die libyschen Patienten viel. „Es sind junge Menschen, die nach jedem Strohhalm greifen“, sagte Hashem.
Durch ihre Erlebnisse seien die Männer stark traumatisiert. Sie selbst sprächen kaum darüber, wie sie ihre schweren Verletzungen erlitten. Sicher sei jedoch, dass einer der Patienten in einem Krankenwagen Verwundeten half, als er selbst in dem Fahrzeug unter das Feuer Gaddafi-treuer Truppen geriet.
Der Geschäftsführer des Asklepios Westklinikums, Marco Walker, rechnet mit der Verlegung weiterer Patienten aus Libyen. Diese sollen schon im Verlauf der Woche nach Deutschland gebracht werden. „Momentan sind für Dienstag sieben Erwachsene avisiert“, sagte Walker. Es solle sich erneut um junge Männer handeln.
Den Lufttransport übernimmt der ADAC. Es war am Montagnachmittag jedoch nicht sicher, ob dieser Termin gehalten wird. Außerdem sollten drei Kinder in der Kinderchirurgie der Hamburger Asklepios Klinik Nord aufgenommen werden.
Vor etwa vier Wochen war mit dem zehnjährigen Suliman Salem aus Ajdabiya im Südwesten Libyens das erste Bürgerkriegsopfer in Bremen eingetroffen. Die Bundesregierung hatte vor einer Woche angekündigt, Kriegsopfer zur medizinischen Versorgung aus Libyen nach Deutschland zu holen. Die Hilfe solle schnell und unbürokratisch sein, sagte ein Außenamtssprecher. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte die Behandlung von 150 Verletzten angekündigt.
+++ Hamburger Chirurg in Libyen: "Doktor, wann darf ich wieder kämpfen?" +++
Libyer reißen Gaddafis Residenz in Tripolis ab
In Tripolis haben Libyer unterdessen damit begonnen, die Mauern rund um die Residenz des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi abzureißen. Die Truppen der Revolutionskräfte seien zunächst mit dem Krieg beschäftigt gewesen, nun sei es an der Zeit, "dieses Symbol der Tyrannei abzureißen“, sagte ein Kommandeur am Sonntag. Das Gelände solle nun in einen öffentlichen Park umgewandelt werden. Der festungsartige Militärkomplex Bab al Asisija war eines der Hauptziele der Nato-Luftangriffe, die Gaddafi Ende August zum Rückzug zwangen. (dpa/dapd)