Wollte er in Frauenkleidern und verschleiert fliehen? Die Jagd nach dem untergetauchten Gaddafi und seinen wüsten Söhnen geht weiter.
Tripolis. Ist das der nächste Hinweis auf den Aufenthaltsort des untergetauchten Diktators Muammar al-Gaddafi? Sein langjähriger Sprecher Mussa Ibrahim, Propaganda-Sprachrohr Gaddafis noch nach dessen Flucht, wurde von Truppen des Übergangsrates in der schwer umkämpften Stadt Sirte gefangen genommen. Der Fernsehsender der Aufständischen von Misrata meldete, Ibrahim geschnappt worden, als er versucht habe, zusammen mit einer Gruppe von Zivilisten die Stadt zu verlassen. Ibrahim habe Frauenkleider getragen und sei verschleiert gewesen. Der Sender kündigte an, er wolle demnächst Bilder von der Gefangennahme zeigen.
Die Truppen der neuen Machthaber hatten bereits Mitte September fälschlich berichtet, Ibrahim sei bei einem Angriff östlich von Tripolis getötet worden. Kurz darauf hatten sie sich korrigiert und gemeldet, ein Bruder des Sprechers sei verwundet in ein Krankenhaus gebracht worden. Ibrahim meldete sich später mit einer Botschaft an die letzten Anhänger von Gaddafi, denen er versicherte, der „Bruder Führer“ sei bei bester Gesundheit.
Gaddafi wird in einem Wüstengebiet nahe der algerischen Grenze vermutet. Zwei seiner Söhne sollen sich in den noch umkämpften Städten Bani Walid und Sirte aufhalten. Doch das ist alles Spekulation.
Währenddessen haben mit dem Austausch neuer Botschafter Libyen und die Schweiz einen Schlussstrich unter eine mehrjährige diplomatische Krise gezogen. Auslöser des Streits war im Jahr 2008 die Festnahme eines Gaddafi-Sohnes in einem Genfer Hotel. Hannibal Gaddafi und seiner Frau wurde vorgeworfen, Bedienstete geschlagen zu haben. In Libyen wurden daraufhin wegen angeblicher Verstöße gegen Visa-Vorschriften zwei schweizerische Geschäftsmänner verhaftet. Nach dem Machtwechsel in Libyen will die Schweiz eigenen Angaben zufolge in Kürze wieder eine feste Botschaft in Tripolis eröffnen.
Die Truppen der Übergangsregierung haben den Flughafen der Gaddafi-Hochburg Sirte erobert. Sirte gilt neben Bani Walid als letzte verbliebene Hochburg der Anhänger Gaddafis. Um die verwundeten Soldaten aus Sirte zu evakuieren, fehlt es der Übergangsregierung an Treibstoff für Rettungsfahrzeuge. Nach Angaben eines Uno-Vertreters haben die Truppen deswegen am Donnerstag die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten. Die Staatengemeinschaft habe Lastwagen mit Trinkwasser für die Flüchtlinge aus Sirte losgeschickt, die sich täglich zu Tausenden entweder in Richtung Bengasi oder Misrata aufmachten. Die anhaltenden Kämpfe um Sirte und Bani Walid machten es derzeit noch unmöglich, Hilfskräfte in die Städte zu entsenden, erklärte der Vertreter weiter. „Wir würden die beiden Städte gern erreichen, aber bislang konnte niemand dorthin gelangen“, sagte er.
In Lyon stellte die internationale Polizeiorganisation Interpol im Namen Libyens einen Eilantrag auf Auslieferung des zweiten Gaddafi-Sohnes, Saadi Gaddafi. Er war vor drei Wochen nach Niger geflohen. Der Nationale Übergangsrat beschuldigt den Sohn des ehemaligen Machthabers, für Militärschläge gegen die Proteste verantwortlich zu sein. Interpol hat bereits sogenannte „red notices“, vergleichbar mit internationalen Haftbefehlen, gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und den ehemaligen Geheimdienstchef Abdulla al-Senussi verhängt. Deren Verbleib ist immer noch unklar.
Gaddafis früherer Ministerpräsident al-Baghdadi Ali al-Mahmudi bleibt derweil in Tunesien in Haft. Die tunesischen Behörden entsprachen damit einer Forderung des Übergangsrats, den Politiker auszuliefern. Der Generalstaatsanwalt habe entschieden, den Mann in Haft zu lassen, nachdem die Libyer seine Auslieferung beantragt hätten, erklärte sein Anwalt. Zuvor war er zu sechs Monaten Haft wegen illegaler Einreise verurteilt worden, dann aber von einem Berufungsgericht freigesprochen worden. Mahmudi trat seinem Anwalt zufolge nach der tunesischen Entscheidung in einen Hungerstreik. (dpa/dapd/rtr/abendblatt.de)