Geflohener letzter Regierungschef Gaddafis in Tunesien festgenommen. Milliardenschwerer Geldschatz des Diktators entdeckt.
Tunis/Tripolis. Der letzte Regierungschef des gestürzten libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi ist in Tunesien wegen illegalen Grenzübertritts zu sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das bestätigte eine ranghohe Quelle im tunesischen Innenministerium am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Al-Bagdadi Al-Mahmudi war am Vortag im Grenzgebiet zu Algerien nahe der Oasenstadt Tozeur festgenommen worden.
Unterdessen nahmen die Milizen des Übergangsrats nach dreitägigen Kämpfen die noch von Gaddafi-Truppen gehaltene südliche Wüstenoase Dschufra ein. Wie ein Sprecher des Rats am Donnerstag in Tripolis mitteilte, würden nun die dort gelegenen Städte Waddan, Hun und Sokna von ehemaligen Rebelleneinheiten kontrolliert. Den letzten Gaddafi-Getreuen, die in Sirte und Bani Walid noch heftigen Widerstand leisten, ist damit der Weg durch die libysche Sahara in ein Exil im westafrikanischen Ausland abgeschnitten.
Al-Mahmudi sei bei seiner Ergreifung mit zwei weiteren Personen in einem Geländefahrzeug unterwegs gewesen, hieß es in Tunis. Wenige Stunden nach der Festnahme sei er zu der Gefängnisstrafe verurteilt worden. Al-Mahmudi hatte Gaddafi seit März dieses Jahres bis zur Vertreibung des Despoten aus Tripolis Ende August als Regierungschef gedient. Nach Informationen des Senders Al-Arabija steht er auf der Fahndungsliste des Übergangsrats. Nach Beginn des Aufstandes gegen Gaddafi im Februar soll er die Tötung von Regimegegnern mit angeordnet haben.
Über einen unverhofften Geldsegen kann sich die neue Führung in Tripolis freuen. In den Tresoren der libyschen Nationalbank wurden nach Medienberichten umgerechnet 16,9 Milliarden Euro in libyschen Dinaren aus dem Besitz Gaddafis entdeckt. Das Geld, das nirgendwo verbucht gewesen sein soll, sei in Holzkisten gelagert gewesen. Mit den Milliarden könnten die Ausgaben in den kommenden sechs Monaten finanziert werden, zitierte die „Financial Times“ am Donnerstag den Finanzbeauftragten des Übergangsrates, Wafik Schater. Der Milliardenschatz sei typisch dafür, wie Gaddafi Einnahmen des ölreichen Landes für private Zwecke vereinnahmt habe.
Wie ein ranghoher Kommandeur der ehemaligen Rebellen am Donnerstag sagte, seien nach der Einnahme der Sahara-Stadt Sebha weitere Angehörige des Gaddafi-Regimes in das südliche Nachbarland Niger geflohen. Um wen es sich dabei handelte, teilte er nicht mit. Inzwischen sei die gesamte Stadt rund 750 Kilometer südlich von Tripolis unter Kontrolle des Übergangsrats. Die Nato forderte indes alle Soldaten Gaddafis auf, sich zu ergeben. Das nordatlantische Bündnis hatte am Vortag seinen Lufteinsatz in Libyen um weitere drei Monate bis zum Jahresende verlängert. Er sei zuversichtlich, dass die Luftschläge gegen die Gaddafi-Truppen bis dahin auch tatsächlich beendet werden könnten, sagte der Kommandeur des Nato-Militäreinsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, am Donnerstag in Neapel.
Die Gaddafi-Truppen stellten dort, wo sie noch Widerstand leisten, weiter eine Gefahr für die libysche Zivilbevölkerung dar, führte Bouchard weiter aus. In Sirte würden sie die zivilen Bewohner als „menschliche Schutzschilder“ missbrauchen. Familien würden sie gegen Wasser und Nahrungsmitteln eintauschen, um ihr eigenes Aufgeben hinauszuzögern. Über den Aufenthaltsort Gaddafis habe man keine Erkenntnisse. „Aber wir wissen, dass er noch Nachrichten verschickt und dass er Befehle zum Weitermachen gibt“, sagte Bouchard.