Vorboten der Staatspleite: Athen sucht 1,7 Milliarden, um Löhne und Renten zu zahlen. Merkel droht vor Besuch des Griechen-Premiers Papandreou.
Athen/Berlin. Die Regierung in Athen gerät immer mehr in Bedrängnis. Nach übereinstimmenden Medienberichten vom Dienstag wird das Geld langsam knapp. Weil die sechste Tranche der Hilfe der EU und des Internationalen Währungsfonds möglicherweise nicht rechtzeitig komme, habe Athen bereits viele Zahlungen ausgesetzt. Darunter seien etwa die Rückerstattung der Mehrwertsteuer an Exportunternehmen und die Zahlungen an einige Pharmaunternehmen. Eine Bestätigung seitens des Finanzministeriums gab es zunächst nicht. Wie die Athener Sonntagszeitung „To Vima“ auf ihrer Internetseite am Dienstag berichtete, hat Athen noch Geld um die Löhne und Gehälter der Staatsbediensteten und die Renten und Pensionen bis inklusive Oktober auszuzahlen.
Mit der Aussetzung der Zahlungen versuche Athen jetzt etwa 1,7 Milliarden Euro zu finden, damit auch die Löhne und Renten im November bezahlt werden können, berichtete die „To Vima“. Die Experten der sogenannten Troika der EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) fordern von der Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou Beweise und Versicherungen, dass ein neues hartes Sparprogramm wirklich in die Tat umgesetzt wird, damit Athen weitere sieben Milliarden Euro spart. Anderenfalls sind die Geldgeber nicht bereit Griechenland mit Finanzspritzen unter die Arme zu greifen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für weitreichende Eingriffsrechte der EU in die nationalen Haushalte von Euro-Staaten ausgesprochen, die sich nicht an die Vorgaben des EU-Wachstums- und Stabilitätspakts halten. Sie werde dafür kämpfen, dass es künftig die Möglichkeit gebe, in solchen Fällen gegen notorische Defizitsünder vorgehen zu können. Nötig sei, „dass da Durchgriffsrechte bestehen, die diese Haushalte für null und nichtig erklären.“
Auf einer CDU-Regionalkonferenz in Karlsruhe erklärte Merkel: „Sonst kommen wir aus dieser Situation nicht heraus.“ In den vergangenen Tagen hatte Merkel bereits mehrfach EU-Vertragsänderungen gefordert, um notfalls zu hohe nationale Haushaltsdefizite sanktionieren zu können, auch wenn damit in die nationale Budgethoheit eingegriffen werde. Allerdings hatte die Kanzlerin dies noch nicht in dieser Schärfe angesprochen.
Die Bundesregierung sieht dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou an diesem Dienstag (20 Uhr) im Kanzleramt erwartungsvoll entgegen. Man sei gespannt darauf, wie Papandreou die Umsetzung der beschlossenen Schritte, den bereits gegangenen Weg und den noch zu gehenden Weg darstellt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Papandreou nimmt wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am „Tag der Deutschen Industrie“ teil, bei dem auch Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und Grünen-Chef Cem Özdemir sprechen werden.
Vor den Gesprächen von Papandreou in Berlin hält in Athen die Kritik an internationalen Forderungen nach einem Schuldenschnitt an. Der griechische Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Die andauernde Debatte über verschiedene Szenarien erschwert nicht nur die Bemühungen unseres Landes, sondern sie erschüttert auch das Vertrauen in den Euro und in das vereinigte Europa.“ Petsalnikos gehört der regierenden sozialistischen Partei Pasok von Ministerpräsident Papandreou an.
Für Wirbel in der deutschen Regierungskoalition sorgten am Montag Hinweise, dass der Rettungsschirm EFSF in der Praxis bald massiv ausgeweitet werden könnte. Die britische BBC berichtete, es gebe einen Plan der Europäer, in fünf bis sechs Wochen den auf 440 Milliarden Euro ausgelegten Fonds indirekt auf bis zu zwei Billionen Euro zu erweitern. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte , ein solcher Schritt sei nicht geplant. „Wir haben nicht die Absicht ihn aufzustocken“, sagte er im Sender n-tv. (dpa/rtr/dapd)