Der Regierende Bürgermeister sollte die Abgeordnetenhauswahl gewinnen. Doch im Wahlkampf-Endspurt hadert er mit den Grünen.
Berlin. Der Wahlkampf hat es gezeigt: Nach einem schleppenden Start und durch frischen Wind der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast hat sich für die Berliner SPD und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit das Blatt wieder gewendet. Wowereit gilt schon kurz vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus an diesem Sonntag als großer Gewinner. Dabei hat es auf den letzten Metern des Wahlkampfes noch einmal mächtig Zoff mit den Grünen gegeben. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann hat Äußerungen von Wowereit scharf kritisiert, wonach sich die Grünen „im Sinkflug“ befinden. In der letzten Umfrage vor der Wahl „erreicht die SPD kaum ihr Wahlergebnis von 2006“, sagte Ratzmann der Nachrichtenagentur dapd. Die Grünen lägen dagegen immer noch fast fünf Prozent über ihrem Resultat vor fünf Jahren.
Laut der Umfrage der Info GmbH kommt die SPD auf 31 Prozent (2006: 30,8 Prozent) sowie die Grünen auf 18 Prozent (2006: 13,1), die im Herbst 2010 noch bei 30 Prozent gesehen wurden. „Die SPD schafft keine Zuwächse, das ist die Wahrheit“, betonte Ratzmann. Sie versuche nur, „von ihrer eigenen Schwäche abzulenken“. Das Duell zwischen Wowereit und seiner Herausforderin Künast ist offenbar entschieden. Die SPD liegt quasi uneinholbar vor den Grünen. Alles deutet darauf hin, dass Wowereit mit einem leicht besseren SPD-Ergebnis als 2006 zum dritten Mal Bürgermeister wird. Seit 2002 regiert er die Hauptstadt zusammen mit der Linkspartei, aber den Umfragen zufolge wird es diesmal für ein rot-rotes Bündnis nicht reichen. Aller Voraussicht nach wird es daher zu einer rot-grünen Koalition kommen.
Künast steht dem nicht im Wege, denn die Vorsitzende der Bundestagsfraktion wird sich wohl wieder der Bundespolitik widmen. In den Reihen der Berliner SPD wird zudem mit den Grünen geliebäugelt, berichten Genossen im vertraulichen Kreis. Und bei den Grünen ist die SPD sowieso der bevorzugte Koalitionspartner. Ein Bündnis mit der CDU hat Künast bereits ausgeschlossen. Den Bundesspitzen von SPD und Grünen wird diese Entwicklung zupass kommen, steuern beide doch bei der Bundestagswahl 2013 darauf ab, Schwarz-Gelb mit einer rot-grünen Mehrheit abzulösen. Dass die Berliner Wahl ein gewisses bundespolitisches Gewicht hat, sagt auch der Parteienforscher Jürgen Falter. Im Gegensatz zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Wochen gehe es in Berlin um die Bundeshauptstadt. „Da schaut man schon etwas mehr darauf, auch wenn es im Endeffekt eine Kommunalwahl ist“, sagte er Reuters.
Zudem hat Berlin mit knapp 2,5 Millionen Wahlberechtigten rund eine Million Wähler mehr als das nördlich gelegene Bundesland. Während für die SPD das Berliner Wahlergebnis ein weiterer Beleg für die Konsolidierung nach der katastrophalen Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 sein dürfte, ist das Votum für die Grünen mit einem großen Wermutstropfen verbunden. In Umfragen hatten sie zeitweise die SPD überflügelt, nach dem Wahlsieg in Baden-Württemberg im März schien nichts mehr unmöglich. Die politischen Gegner frohlocken denn auch, der Höhenflug der Grünen sei beendet, die Ökopaxe taugten eben doch nicht zur Volkspartei. Die Grünen wie der Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin halten dagegen, nach Umfragen sei mit rund 20 Prozent zu rechnen, was gemessen an den 13,1 Prozent bei der Landtagswahl 2006 ein gewaltiger Sprung sei.
Für die FDP scheint der Rauswurf aus dem Abgeordnetenhaus besiegelt. 2006 waren sie noch mit 7,6 Prozent gewählt worden, in letzten Umfragen ist sie auf Werte um die drei Prozent abgestürzt. Spannend bleibt die Frage, ob die Freidemokraten vom jüngsten bundespolitischen Trend profitieren können. Am Freitag hatte die Partei im Deutschlandtrend einen Satz von drei auf fünf Prozent gemacht. Dies wird unter anderem auf harten Kurs von Parteichef Philipp Rösler in der Schuldenkrise zurückgeführt.
Für die CDU dürfte die Wahl deutlich glimpflicher als für die FDP ausgehen. Sie liegt in Umfragen bei 22 Prozent auf dem Niveau von 2006 (21,3 Prozent). Und Spitzenkandidat Frank Henkel konnte mit kleinem Vorsprung die Grünen auf den dritten Platz verweisen. Zudem hat Henkel den lange zerstrittenen Landesverband befrieden können.
Bitter kann die Wahl für die Linkspartei werden. Die 13,4 Prozent von 2006 werden aller Voraussicht nach nicht zu halten sein. Wenn die Linkspartei aus der Regierung fliegt, könnte dies auch die Debatte um die umstrittenen Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst anheizen.
Einen ganz unmittelbaren Einfluss auf die Arbeit von Merkel hat die Wahl nicht. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, wo Schwarz-Gelb ohnehin in der Minderheit ist, können sich nicht wesentlich ändern. Gut möglich ist es auch, dass am Sonntag eine bundesweite Premiere geben wird. Die Piratenpartei hat gute Chancen, erstmals in ein Landesparlament gewählt zu werden. Die Partei, die ihre Ursprünge in der Gemeinschaft der Internet-Nutzer hat, sieht sich eher im linken Lager und würde eher nicht mit der CDU zusammenarbeiten. (abendblatt.de/dapd/rtr)