Die 45-minütige Livesendung war arm an hitzigen Diskussionen. Regieren Wowereit und Künast bald in einer Koalition gemeinsam?
Berlin. Aktualität ist das Brot des Journalisten. Dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat sie am Donnerstagabend die sorgsam ausgetüftelte Dramaturgie verhagelt. Beim TV-Duell von Berlins Regierendem Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit mit seiner Grünen-Herausforderin Renate Künast bestimmte kein lokales Thema die ersten Minuten, sondern der Kampf gegen den Terrorismus, nachdem kurz zuvor zwei Tatverdächtige festgenommen worden waren.
So kamen die Moderatoren – Programmdirektorin Claudia Nothelle und RBB-Chefredakteur Christoph Singelnstein – wohl nicht umhin, die Kontrahenten dazu zu befragen. Beide zeigten sich erleichtert und lobten die Arbeit der Sicherheitskräfte. Es sollte weitgehend das einzige Thema in der 45-minütigen Sendung bleiben, bei dem sich die Politiker einig waren.
Zur Sache ging es bei Verkehrsvorhaben. Mit Nachdruck verteidigte Wowereit seine Forderung nach der Verlängerung der Autobahn A 100 von Neukölln nach Treptow. Sie entlaste Bürger und schaffe Arbeitsplätze. „Da scheiden sich die Geister“, sagte der Sozialdemokrat, der das Projekt auch in seiner eigenen Partei gegen heftigen Widerstand durchgeboxt hatte.
Auf die Frage, ob die A 100 ein Koalitionshindernis für Rot-Grün wäre, sagte Künast weniger klar als bisher, sie „gehört zu den herausragenden Kriterien“. Bisher war ihre Sprachregelung: Die A 100 muss die SPD mit der CDU bauen. Wowereit, der es genau wissen wollte, erhielt keine eindeutige Antwort. Die Grünen-Politikerin schlug als Alternative unter anderem den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und vorhandener Straßen vor, blieb bei Letzterem aber konkrete Angaben schuldig.
Bei den umstrittenen Flugrouten warf Künast Wowereit, der zugleich Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft ist, vor, die Bürger „belogen“ zu haben. Man hätte ihnen früher ehrlich sagen müssen, dass die Flugrouten abknicken und Menschen belasten, die zuvor nicht betroffen waren. Wowereit antwortete, dass die Interessen der Betroffenen berücksichtigt und Alternativen ernsthaft geprüft werden müssten. Zugleich bekannte er sich zu einem „auf Expansion ausgelegten“ Flughafen in Schönefeld, auf dem aus wirtschaftlichen Gründen von 22.00 bis 6.00 Uhr Flüge möglich sein müssten.
Versäumnisse kreidete Künast Wowereit in der Wirtschaftspolitik an, die Chefsache werden müsse. Um Investoren sollte aktiv geworben werden, darunter für das Gelände des Flughafens Tegel nach dessen Schließung. So stünden auch die Chinesen in aller Welt bereit. Der Regierungschef konterte, nicht die Asiaten sollten in Tegel investieren, sondern Berliner Unternehmen.
Angesprochen auf die Proteste von Berlinern gegen steigende Mieten zeigte Wowereit Verständnis für Ängste, aber auch in Quartieren mit schwierigen Problemen müsse sich etwas ändern. Um die soziale Mischung zu erhalten, dürften Besserverdiener nicht ferngehalten werden. Künast warf ihm vor, auf Wohnungs- und Mietenpolitik verzichtet zu haben. Beide sprachen sich für den Wohnungsbau aus, um Menschen mit kleinem Geldbeutel preisgünstige Angebote unterbreiten zu können.
Eine Kontroverse entspann sich am Bildungsthema. Clever nutzte Wowereit eine ungeschickte Formulierung Künasts, die als Wiedereinführung der von Rot-Rot abgeschafften Kitagebühren interpretiert werden konnte. Er müsse sich schon wundern, dass seine Herausforderin die Kostenfreiheit aufgeben wolle.
Energisch verwahrte er sich zudem gegen Kritik aus dem grün-rot regierten Baden-Württemberg: Er lasse sich von dort wie von Bayern nicht vorschreiben, wie die Kitas gefördert werden sollten, polterte er zurück. Denn immerhin bilde Berlin für beide Länder die Studenten aus. Künast fand den Tonfall eines „Nehmerlandes“, das von den Südländern über den Länderfinanzausgleich viel Geld erhält, nicht angemessen.
Einer der spannendsten Fragen wenige Tage vor der Wahl wich Wowereit erneut aus. Trotz Drängens von Künast ließ er sich keine klare Aussage zugunsten von Rot-Grün nach dem 18. September entlocken. Infrage kämen Grüne und Linke, die CDU eher nicht. Die Kontrahentin kündigte dagegen an, sie werde den Grünen „nicht vorschlagen, eine Koalition mit der CDU einzugehen“. Das Liebste wäre ihr ein Bündnis mit der SPD, mit der sie die größte Schnittmenge sehe. Umfragen zufolge hat die SPD klar die Nase vorn vor CDU und Grünen.