Altkanzler Helmut Kohl rechnet mit Merkel-Regierung ab und warnt eindringlich davor, dass “Deutschland nicht mehr berechenbar“ sei.
Berlin. Altkanzler Helmut Kohl (CDU) geht mit der Politik seiner Nachfolger hart ins Gericht. "Deutschland ist schon seit einigen Jahren keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen", beklagte Kohl in einem Interview der Zeitschrift "Internationale Politik". "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen."
Kohl, der Deutschland von 1982 bis 1998 regiert hatte, bezog sich auf Entscheidungen wie die Ablehnung des Irak-Krieges unter Rot-Grün, aber auch auf die jüngste Enthaltung der Merkel-Regierung im Uno-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Libyen-Intervention. Vor allem aber die Politik in der Euro-Krise nahm der Altkanzler aufs Korn. Ohne tief greifende Reformen hätte Griechenland während der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) kein Mitglied der Euro-Zone werden dürfen. Auch hätte Deutschland unter seiner Führung "nicht gegen den Euro-Stabilitätspakt" verstoßen, sagte Kohl. Trotzdem mahnte er dringend zur Solidarität mit Griechenland und zur Rettung des Euro. "Wir haben keine Wahl, wenn wir Europa nicht auseinanderbrechen lassen wollen. Europa bleibt gerade auch für Deutschland ohne Alternative."
Auch Bundespräsident Christian Wulff rügte das Vorgehen europäischer Spitzenpolitiker und Währungshüter in der Euro-Krise in scharfer Form.
Vor Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau sagte er: "Ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für rechtlich bedenklich." Es stimme ihn "nachdenklich", wenn Regierungen erst im allerletzten Moment Bereitschaft zeigten, "Besitzstände und Privilegien aufzugeben und Reformen einzuleiten".
Wulff bemängelte, dass sich die Regierungen in der Banken- und Schuldenkrise von den globalen Finanzmärkten treiben ließen, anstatt "klare Leitplanken" zu setzen. "Immer öfter treffen sie eilig weitreichende Entscheidungen kurz vor Börsenöffnung, anstatt den Gang der Dinge längerfristig zu bestimmen. Dies trifft unsere Demokratien in ihrem Kern", warnte Wulff. Wer die Folgen geplatzter Spekulationsblasen allein mit Geld und Garantien zu mildern versuche, verschiebe die Lasten zur jungen Generation und erschwere deren Zukunft. "All diejenigen, die das propagieren, machen sich ,einen schlanken Fuß' und handeln nach dem Motto: ,Nach mir die Sintflut'."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die Versäumnisse und Fehler bei der Einführung des Euro in den ersten Jahren könnten nicht über Nacht korrigiert werden, sie müssten in einem Prozess behoben werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) unterstützte zum Teil die Kritik Kohls an der deutschen Europapolitik. Der Altkanzler habe "scharfkantige Kritik" an der Aufweichung des europäischen Stabilitätspakts geübt, sagte der Minister in Binz auf Rügen. Diese Kritik "teile ich ausdrücklich". Zu den Äußerungen Wulffs sagte er, wenn sich der Bundespräsident zu Wort melde, habe das immer Gewicht. Die EU müsse zu einer Stabilitätsunion werden. Es könne nicht sein, dass Schuldenmachen belohnt werde.
Der ehemalige Vorsitzende der US-Notenbank Fed sieht bereits das Ende der Gemeinschaftswährung. "Der Euro bricht zusammen", sagte Alan Greenspan laut "Handelsblatt" auf einem Symposium in Washington.