Das Fachkräftepotenzial von 1,5 Millionen Müttern liege brach. Doch schon wenige Maßnahmen könnten mehr Frauen in Jobs bringen,.
Bonn/Hamburg. Die Wirtschaft klagt über fehlende Fachkräfte. Mit neuen Anreizen sollen ausländische Arbeitnehmer angelockt werden. Dabei liegt das Potenzial von 1,5 Millionen arbeitsfähigen und –willigen Menschen hierzulande brach: das von gut qualifizierten Frauen. Doch Webfehler im Steuerrecht wie das Ehegatten-Splitting sowie die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf hindern diese Mütter daran, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder ihre Arbeitszeit auszuweiten. Das ist das Ergebnis einer Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Das Bundesarbeitsministerium hatte die Expertise in Auftrag gegeben.
Mit dieser Erkenntnis steht Deutschland in der EU schlecht da. Nur jede sechste deutsche Mutter mit Kindern bis zum Alter von 16 Jahren ist in Vollzeit erwerbstätig. Über die Hälfte der Mütter arbeitet gar nicht oder nur in geringfügiger Teilzeit. Ihr Anteil, so die Studie, sinke auch mit steigendem Alter des jüngsten Kindes nur unerheblich. Unter Akademikerinnen liege die Vollzeitquote bei lediglich 23 Prozent. Viele von ihnen seien in der „Teilzeitfalle“ gefangen. Sie würden weit unter ihrem Ausbildungsniveau und mit geringen beruflichen Perspektiven arbeiten. Die IZA-Forscher schlagen vor: Die Minijobs und das Ehegattensplitting sollen abgeschafft werden, weil sie geringfügige Teilzeitarbeit und Nichterwerbstätigkeit fördern. Damit würden der berufliche Aufstieg und längere Arbeitszeiten von Müttern unattraktiv gemacht.
Außerdem sollten verlässliche ganztägige Betreuungsstrukturen für alle Altersgruppen von Kindern ab dem zweiten Lebensjahr aufgebaut werden. Die Unternehmen sollten zudem eine familienfreundlichere Personalpolitik betreiben. Das bedeute flexible Arbeitszeitmodelle, Telearbeit und betriebliche Unterstützung bei familienbezogenen Dienstleistungen. Dadurch ließe sich die Erwerbstätigkeit von Müttern um rund 1,5 Millionen Vollzeitäquivalente steigern, darunter zu 80 Prozent Mütter mit Berufsausbildung oder Hochschulstudium.
Der IZA-Experte Werner Eichhorst sagte: „Gerade bei beruflich qualifizierten Frauen und Müttern besteht ein bei weitem nicht ausgeschöpftes Arbeitsangebot, das durchaus als arbeitsmarktnah bezeichnet werden kann. Allein durch Maßnahmen auf betrieblicher Ebene ließe sich ein Großteil dieses Potenzials auch ohne wesentliche politische Reformen kurzfristig mobilisieren.“ Das Institut glaubt: Die Abschaffung von Ehegattensplitting und Minijobs würde sogar die öffentlichen Haushalte um 22,6 Milliarden Euro jährlich entlasten. (abendblatt.de/ryb)