Die Gehaltsschranken sollen weiter sinken.CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs fordert die Anwerbung unterschiedlicher Berufsgruppen.
Berlin. Zuerst sollen ausländische Ingenieure und Ärzte profitieren. Doch schon bald könnte auch die Anwerbung weiterer Berufsgruppen für den deutschen Arbeitsmarkt deutlich erleichtert werden. Darauf drängt die FDP, aber auch der Wirtschaftsflügel der Union sieht bald die nächsten Schranken fallen. "Wir haben Regionen in Deutschland, wo wir de facto so gut wie keine Arbeitslosigkeit haben. Die Vorrangprüfung muss daher auch bei anderen Berufsständen fallen", forderte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) im Abendblatt. "Uns werden womöglich bald die klassischen Facharbeiter wie Schweißer, Elektriker und Mechatroniker ausgehen."
Bei der noch geltenden Vorrangprüfung müssen deutsche Firmen nachweisen, dass sie im Inland keinen passenden Bewerber gefunden haben, bevor sie Fachkräfte aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) einstellen dürfen. Der Arbeitsmarkt für Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure, Elektroingenieure und Ärzte sei leer gefegt, begründete Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die erste Lockerung der Zuzugsregeln, die das Kabinett heute beschließen soll. "Es werden nicht viele kommen", versuchte die CDU-Politikerin schon im Vorwege mögliche Kritiker zu besänftigen. "Deutschland hat lange signalisiert, dass wir niemanden brauchen." Regierung, Gewerkschaften und Wirtschaft müssten gemeinsam im Ausland werben, "dass Menschen zu uns kommen und den Wohlstand hier voranbringen".
Über weitere Maßnahmen für eine leichtere Zuwanderung herrscht aber noch Uneinigkeit in der Koalition. Die FDP drängt darauf, die Mindesteinkommen zu senken, die Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten erzielen müssen, um von Anfang an für sich und ihre Familien ein Daueraufenthaltsrecht zu bekommen. Sie müssen derzeit mindestens 66 000 Euro im Jahr verdienen - nach Ansicht der Liberalen ein viel zu hoher Betrag.
"Spanien mit seiner hohen Jugendarbeitslosigkeit hat für unseren Arbeitsmarkt hohes Rekrutierungspotential", Michael Fuchs (CDU)
Deren Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle forderte im Abendblatt eine Korrektur. "Es ist illusorisch zu glauben, dass Fachkräfte gerade am Anfang ihrer Karriere diese Gehälter verdienen. Daher ist eine Absenkung auf 40 000 Euro geboten." 2010 hatten weniger als 700 Hochqualifizierte die bisherige Gehaltshürde genommen und waren in den deutschen Arbeitsmarkt gelangt. Auch die Arbeitsministerin will daher die Gehaltsschwelle senken. "Ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden", sagte sie.
Brüderle machte zugleich deutlich, dass die Bundesregierung trotz der Beschlüsse auch deutsche Arbeitnehmer weiter intensiv fördern will. "Wir haben trotz der guten Arbeitsmarktlage noch viele Arbeitsuchende, die durch verstärkte Bemühungen in den Arbeitsmarkt integriert werden können", räumte der Ex-Wirtschaftsminister ein. Hierfür schaffe die aktuelle Arbeitsmarktreform der Koalition die Grundlage. Der Fraktionschef zeigte sich optimistisch, dass man "durch erfolgreiche und passgenaue Qualifikation und gezielte Vermittlung vor Ort" den Fachkräftemangel etwas abschwächen könne. So stelle man beispielsweise die Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer erstmalig auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage. Allerdings sei eines sicher, so Brüderle: "Nur mit deutschen Arbeitnehmern werden wir unser Wohlstandsniveau nicht halten können, dafür wird die einheimische Bevölkerung in Zukunft zu stark schrumpfen."
Auch Unions-Mittelstandspolitiker Fuchs warnte davor, den deutschen und europäischen Arbeitnehmermarkt zu vernachlässigen. Man habe 25 Länder in Europa mit Freizügigkeit und somit einen "riesigen Markt für Fachkräfte in Deutschland", sagte der CDU-Politiker. Er schlug vor, dass Deutschland in der EU gezielt auf Fachkräftesuche gehen solle. "Spanien mit seiner extrem hohen Jugendarbeitslosigkeit hat für den deutschen Arbeitsmarkt hohes Rekrutierungspotenzial. Deutschland könnte gezielt junge Spanier mit Deutschkursen in Goethe-Instituten auf ein Berufsleben in Deutschland vorbereiten."
Doch darüber wird das Kabinett heute noch nicht beraten. Nach dem Kabinettsbeschluss wollen allerdings Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister mit den Spitzen der Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften zusammenkommen. Im Gästehaus der Regierung in Meseberg steht dann auch die Sicherung des Fachkräftenachwuchses auf der Tagesordnung. (abendblatt.de)