Bundesregierung einigt sich auf Konzept zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Statt auf ausländische Kräfte setzt sie auf Frauen.

Berlin. Die Bundesregierung setzt bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels zunächst auf deutsche Arbeitnehmer. Das größte Potenzial schlummere bei den rund sechs Millionen nichterwerbstätigen Frauen, die gerne wieder arbeiten würden, sagte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch nach dem Kabinettsbeschluss zum Fachkräftekonzept in Berlin. 6,3 Millionen Frauen im erwerbsfähigen Alter sind nicht berufstätig, 45 Prozent der berufstätigen Frauen arbeiten in Teilzeitjobs, durchschnittlich 18 Stunden in der Woche. Die Bundesregierung will daher die Erwerbstätigenquote unter den Frauen auf 73 Prozent steigern und die Kinderbetreuung verbessern, damit mehr Mütter ihre Arbeitszeit erhöhen können – was dem Wunsch jeder dritten berufstätigen Frau entgegenkäme. Allein durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Kindern könnten 1,2 Millionen häufig gut qualifizierte Frauen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden; weitere 500.000 kämen dazu, so die Berechnungen, wenn es eine Nachmittagsbetreuung für Schulkinder gäbe.

„Die Nutzung und Förderung inländischer Potenziale hat Vorrang in der Fachkräftesicherungspolitik, wird aber mit Blick auf die Folgen des demografischen Wandels nicht ausreichen. Wir müssen und werden deshalb auch verstärkt auf qualifizierte Zuwanderung setzen“, heißt es in einem von der Bundesregierung vorgelegten Konzept.

Auch Ältere und Jüngere sollten bessere Chancen erhalten. Für ausländische Elektroingenieure, Ärzte, Maschinen- und Fahrzeugbauer soll die Vorrangprüfung ausgesetzt werden, ergänzte von der Leyen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre sichert eine Million ältere Arbeitskräfte, eine weitere Million käme hinzu, wenn es gelänge, die Erwerbstätigenquote der über 55-Jährigen von heute 56 auf 70 Prozent anzuheben, so das Konzept. Das EU-Ziel und das selbstgesteckte Ziel der Bundesregierung liegen allerdings nur bei 60 Prozent.

Zudem wolle man noch über Gehaltsgrenzen verhandeln. Auf EU-Ebene werde das anderthalbfache des Durchschnittsverdienst diskutiert. „Das läge in Deutschland in etwa bei 40.000 Euro.“ Nicht korrigiert werden die hohen Einkommensanforderungen an hoch qualifizierte Zuwanderer, die in Deutschland arbeiten wollen: Sie müssen 66.000 Euro im Jahr verdienen, um eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Die Opposition und die FDP fordern eine Absenkung der Schwelle. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, das Einstiegsgehalt von Hochschulabsolventen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich liege bei 40.000 Euro. „Eine Richtschnur könnte das Anderthalbfache des durchschnittlichen Bruttojahreseinkommens in Deutschland sein“, so Lindner.

Die Regierung will verstärkt in den osteuropäischen Ländern um Fachkräfte werben. Arbeitnehmer aus den Ost-EU-Ländern können seit Mai uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Das Fachkräftekonzept beinhaltet außerdem die ohnehin geplante gesetzliche Regelung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Absicht, es ausländischen Absolventen deutscher Hochschulen zu erleichtern, im Anschluss in Deutschland zu arbeiten.

Gleichzeitig legt das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), pünktlich zu den Koalitionsberatungen am Mittwoch einen Entwurf für die Reglung von Zuwanderung vor. Das Modell sieht vor, die bedarfsgerechte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland gezielt zu steuern. Ziel des Konzepts, ist eine qualitative Lenkung der Zuwanderung mit einem transparenten Auswahlsystem. Dafür ist eine Kombination von Punkte- und Quotensystem angedacht. Das Kernstück des Konzeptes ist ein „Drei-Säulen-Modell“, das auf den gesteuerten Zuzug von Hochqualifizierten, Fachkräften in Mangelberufen sowie die zeitlich begrenzte Zuwanderung von Arbeitsimmigranten zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs abzielt.

Der Rahmen wird durch eine Festlegung von Zuwanderungsquoten bestimmt. So schlagen die Autoren der Studie für Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte eine Gesamtquote von rund 100.000 vor. Kurzzeitig einreisende Arbeitskräfte sollen durch die Quote eher begrenzt werden. Für sie ist zunächst ein Kontingent mit 10.000 bis 20.0000 vorgesehen. Um die geeigneten Zuwanderer zu bestimmen, soll ein Auswahlverfahren herhalten. Für die Erfüllung konkreter Kriterien bekommen die Bewerber Punkte. Maximal können 100 erreicht werden, bei mindestens 60 Punkten wird er für das Verfahren zur Einreise zugelassen. Bei mindestens 80 Punkten, erhält der Bewerber sofort ein dauerndes Aufenthaltsrecht. Kriterien bei dem Auswahlverfahren sind die Berufsqualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und besondere Integrationsvorteile.

Ein solches Punktesystem ist bereits gängige Praxis in Einwanderungsländern wie Kanada und Australien. Auch die FDP wirbt für ein solches Verfahren. Bei der temporären Zuwanderung zur Deckung des kurzfristigen Arbeitskräftebedarfs soll das Punktesystem allerdings nicht greifen. Hier ist die Zuwanderung auf maximal drei Jahre beschränkt und an ein konkrete Arbeitsplatzangebot gebunden. (abendblatt.de/epd/Reuters)