Die Parteispitze geht eher nachsichtig mit dem gefallenen Polit-Star aus Brüssel um und ärgert sich, dass im Internet vor allem FDP-Leute am Pranger stehen.

Berlin. Das Thema Koch-Mehrin und ihr aberkannter Doktortitel war auf einer Pressekonferenz der FDP unerwünscht. Generalsekretär Christian Lindner wollte nach der morgendlichen Runde des FDP-Präsidiums viel zu Steuersenkungen, Fachkräftemangel und Griechenland sagen - aber eben wenig zu seiner umstrittenen Parteifreundin Silvana Koch-Mehrin. „Wir können jetzt hier in ein Kolloquium eintreten“, rief Lindner vom Pult aus, als die Journalisten im Saal anfingen, die Plagiatsaffäre Koch-Mehrin untereinander zu analysieren.

Die FDP scheinet nun zwischen Mitleid, Selbstmitleid und Ratlosigkeit zu schwanken. Schließlich hatte die blonde frühere Vorzeigefrau der Ära Westerwelle Anfang Mai relativ zügig ihre Spitzenämter in Brüssel niedergelegt. Damit ersparte sie der neuen FDP-Spitze auf dem Rostocker Parteitag eine quälende Debatte über Moral und Führung.

Einige LIberale wünschen sich ein Machtwort des neuen Vorsitzenden Philipp Rösler. Er solle Koch-Mehrin den Verzicht auf das Europa-Mandat nahelegen, um die Affäre endgültig vom Tisch zu haben.

Davon wollte der Rösler-Vertraute Lindner nichts wissen. Koch-Mehrin sei freigewählte Europa-Abgeordnete und nur ihrem Gewissen verpflichtet. Die mediale Debatte – „wo es ja auch um eine Persönlichkeit und ihre Integrität geht“ – empfinde er als „unschicklich“.

Kein Wort davon, dass sich die 40-Jährige mit ihrer teils abgeschriebenen Promotion mit dem Titel „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: Die Lateinische Münzunion 1865-1927“ selbst in die Bredouille gebracht hat.

Es wächst nun der Eindruck, dass die FDP sich von der teils anonymen Schar der „VroniPlag“-Plagiatsjäger im Internet verfolgt fühlt. Aus der FDP-Führung heißt es, wenn die Online-Aktivisten auch mal bei anderen Parteien nachguckten, würden sie bestimmt fündig.

„VroniPlag“ hatte nicht nur Koch-Mehrin, sondern auch den Europa-Politiker Jorgo Chatzimarkakis an den Pranger gestellt, dessen Dissertation gerade von der Uni Bonn geprüft wird. Auch bei dem FDP-Bundestagsabgeordneten Bijan Djir-Sarai gibt es Zweifel an der sauberen Erlangung des Doktorgrades.

Chatzimarkakis erinnerte sich nun an seine altgriechischen Wurzeln und schimpfte in einem Interview, dass das Gebaren der anonymen Plagiatsfahnder ihn an die „Tyrannis“ erinnere: „Hier werden Politiker bestimmter Couleur willkürlich gejagt.“

Auch im hohen Norden wurde der Lautsprecher eingeschaltet. Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki fauchte im Radio: „Der moralische Rigorismus, mit dem man jetzt über Personen herfällt, die geschummelt haben, das ist das, was mir langsam auf den Senkel geht.“ Koch-Mehrin sei ja keine Straftäterin. Mit einer Entschuldigung könne sie weiter die Liberalen im Europa-Parlament vertreten. (dpa/abendblatt.de)

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