Laut dem “Tagesspiegel“ will die Uni Heidelberg FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin den Doktortitel aberkennen, weil sie große Teile abgeschrieben hat.

Berlin/Heidelberg. Der FDP-Europa-Politikerin Silvana Koch-Mehrin droht nach Informationen des „Tagesspiegel“ der Verlust ihres Doktortitels. Die Universität Heidelberg wolle den Titel aberkennen, schrieb das Blatt (Mittwoch) unter Berufung auf Universitätskreise. Die Uni erklärte am Dienstag, sie prüfe nach wie vor die Vorwürfe. Zunächst werde Koch-Mehrin angehört, eine Entscheidung werde es nicht vor Ende Mai, Anfang Juni geben. „Die Anhörung ist völlig ergebnisoffen“, hieß es.

Der Internetseite "VroniPlag" zufolge soll die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments bei ihrer Doktorarbeit "in erheblichem Ausmaß" abgeschrieben haben, ohne die Quellen korrekt zu nennen. Bei "VroniPlag" untersuchen selbst ernannte Plagiatsjäger die Dissertation der 40-Jährigen zum Thema "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik". Einem Zwischenbericht zufolge wurden "auf 56 von 201 Textseiten Plagiatstellen nachgewiesen". Dokumentiert sind den Angaben der Internetseite zufolge "Textübernahmen aus insgesamt 15 verschiedenen Quellen". "Die zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate sowie die Tatsache, dass Plagiate über die gesamte Dissertation hinweg zu finden sind, lassen darauf schließen, dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden."

Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy hatte eine Erklärung Koch-Mehrins zu den Vorwürfen gefordert. Er sagte "Handelsblatt Online", Koch-Mehrin solle öffentlich zu den "gravierenden" Plagiatsvorwürfen Stellung beziehen. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes wisse "ohne Zweifel, dass ein ausbleibendes Dementi nur zu ihren Ungunsten bewertet werden kann". "Insofern verwundert ihr Verhalten beziehungsweise kommt einem Eingeständnis durch Schweigen gleich", fügte der SPD-Politiker hinzu. (HA)

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Kaum hat die FDP die Weichen für ihre personelle Erneuerung gestellt, da steht neues Ungemach ins Haus: Die europapolitische Vorzeigefrau Silvana Koch-Mehrin sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Staatsanwaltschaft und Universität Heidelberg überprüfen den Vorgang. Die Liberalen müssen eine Plagiatsaffäre wie die um den zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) fürchten. Immerhin gehört die 40-jährige Vertraute des scheidenden FDP-Chefs Guido Westerwelle zu den prominentesten Führungsfiguren der FDP. Für Negativ-Schlagzeilen sorgte die Vizepräsidentin des Europaparlaments aber schon häufiger.

Es war ein anonymer Anruf bei der Universität Heidelberg, der die Sache ins Rollen brachte. Und Plagiatsjäger im Netz stellen Textstellen aus der Doktorarbeit Koch-Mehrins zum Thema „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik“ zusammen, die angeblich vorschriftswidrig nicht als Fremdtexte gekennzeichnet wurden. Auf diese Weise gewann auch die Guttenberg-Affäre an Dramatik, die Anfang März zum Rücktritt des Ministers führte. Ob es so auch dem FDP-Präsidiumsmitglied Koch-Mehrin ergehen könnte, ist derzeit offen. Und die liberale Politikerin schweigt zu den Vorwürfen.

Immerhin hat Koch-Mehrin, die seit 2004 für die Liberalen im Europaparlament sitzt, schon so manchen Sturm überstanden. Einem breiten Publikum wurde die Wirtschaftswissenschaftlerin und Historikerin bekannt, als sie sich 2006 für den „Stern“ mit nacktem Baby-Bauch ablichten ließ. Seither trat die blonde Frau mit dem strahlenden Lächeln in zahlreichen Talkshows auf und posierte mit oder ohne Kinder für die Fotografen.

Für Ärger selbst in ihrer eigenen Fraktion sorgte die Politikerin 2008, als sie ihren Parlamentskollegen in einem Interview vorwarf, mit einem mehr als lockeren Lebenswandel während der Straßburger Plenartagungen massenhaft Prostituierte anzuziehen. Zwar ruderte Koch-Mehrin schon kurz danach zurück und entschuldigte sich in einem Brief an alle Abgeordneten für ihre Äußerungen. Doch beliebter wurde sie im Europaparlament dadurch nicht.

Zumal viele Parlamentarier der deutschen Liberalen mangelnden Arbeitseifer und häufiges Fehlen sowohl im Plenum als auch in den Ausschüssen vorwarfen. Koch-Mehrin glänze vor allem mit Fotos in Magazinen, nicht aber durch Mitarbeit im Parlament, wurde ihr vorgeworfen. Ein CDU-Europaabgeordneter rechnete vor, dass die Liberale im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments vier von fünf Sitzungen schwänze. Die Kritik hätte sie fast um den Posten der Vizepräsidentin im Europaparlament gebracht: Bei der Wahl im Juli 2009 schaffte sie mit einem mageren Ergebnis erst im dritten Wahlgang den Sprung in das Führungsgremium des Hauses.

Doch nicht zuletzt weil Koch-Mehrin den Liberalen zu den beiden EU-Wahlerfolgen von 2004 und 2009 verhalf, ließ die FDP sie nicht fallen. Schließlich verkörpert die ehemalige Geschäftsführerin einer Brüsseler Beratungsagentur das Bild einer jungen, hübschen und erfolgreichen Power-Frau, der es bestens gelingt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Sie vereinbare „in vorbildlicher Weise ihre Aufgabe als Mutter von drei kleinen Kindern mit ihrer Spitzenfunktion im Europäischen Parlament“, lobte Westerwelle seine Parteifreundin im Sommer 2009.

Als der Noch-FDP-Chef wegen schlechter Umfragewerte parteiintern selbst in Bedrängnis geriet, stand ihm wiederum Koch-Mehrin bei: „Personaldebatten vor den Landtagswahlen helfen der Partei überhaupt nicht“, konstatierte sie im Januar. Und auf dem Höhepunkt des Personalgerangels verkündete sie Anfang April trotzig: „Der Stil, in dem die Diskussion um den FDP-Vorsitzenden derzeit geführt wird, gefällt mir nicht.“ Jetzt wird Silvana Koch-Mehrin womöglich selbst wieder Unterstützung aus der FDP benötigen. (abendblatt.de, 13. April 2011)