Mit den Rücktritten von ihren politischen Ämtern hat das Aushängeschild der FDP eine Kontroverse über ihr Mandat im EU-Parlament ausgelöst.
Straßburg. Nach dem Rücktritt der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin ist ein Streit darüber entbrannt, ob sie auch ihr Abgeordnetenmandat niederlegen soll. Der CDU-Europaparlamentarier und Vorsitzende der CDU-CSU-Gruppe Werner Langen (Rheinland-Pfalz) sagte am Donnerstag in Straßburg, sollten sich die Plagiatsvorwürfe erhärten, sollte sie auch ihr Abgeordneten-Mandat zur Disposition stellen. Falls Koch-Mehrin der Doktortitel aberkannt werde, sollte sie sich an dem Verhalten des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg orientieren.
Die FDP-Politikerin war am Mittwoch wegen der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit von ihren Spitzenämtern zurückgetreten. Sie war Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin der Volksvertretung. Ihr Abgeordnetenmandat will sie jedoch – anders als seinerzeit Guttenberg – behalten.
Die FDP im Europaparlament sieht keinen Grund, dass Koch-Mehrin ihr Abgeordneten-Mandat niederlegt. „Das ist aus der Sicht der FDP im Europaparlament eine unsinnige und unanständige Forderung“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff der Nachrichtenagentur dpa in Brüssel. Er ist zusammen mit Alexander Alvaro Kandidat für die Nachfolge Koch-Mehrins als Vorsitzender der 12-köpfigen FDP-Gruppe im Parlament.
"Ein Vergleich mit dem Fall Guttenberg verbietet sich“, sagte Lambsdorff. Koch-Mehrin habe sich "aus freien Stücken“ zum Rückzug von ihren politischen Ämtern entschieden, obwohl noch keine Ergebnisse aus der Prüfung ihrer Doktorarbeit an der Universität Heidelberg vorliegen. Das sei ein "honoriges Verhalten“.
Die Sozialdemokraten äußerten sich zurückhaltend. "Ob sie ihr Mandat niederlegen soll, hängt vom Verlauf der Angelegenheit ab“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz. "Sie hat jetzt erst einmal einen schweren Schlag erlitten. Den muss sie erst einmal verkraften.“
Der Vorsitzende der Linken im Europaparlament, Lothar Bisky, sprach von einem schweren Schlag für die FDP. "Ich habe sie (Koch-Mehrin) als kluge Europapolitikerin kennen und schätzen gelernt“, sagte Bisky der Nachrichtenagentur dpa. Ihr Rückzug sei in der gegenwärtigen Situation für die FDP außerordentlich schwer, weil die Partei auch mit anderem Spitzenpersonal erhebliche Probleme habe, so Bisky. "Sie war für mich eine offene und intelligente Kollegin“, sagte er.
Über das frei gewordene Amt des Vizepräsidenten soll das EU-Parlament auf seiner Sitzung im Juni entscheiden. Ob den Liberalen dort überhaupt noch ein Posten zusteht, muss nach komplizierten Berechnungen erst noch geklärt werden. Insgesamt hat das Parlament 14 Vizepräsidenten. Ihre Hauptaufgabe ist es, die Sitzungen zu leiten.
Die Erklärung von Silvana Koch-Mehrin im Wortlaut:
"Mit sofortiger Wirkung lege ich mein Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament nieder. In Folge dessen bin ich auch ab sofort nicht mehr Mitglied des Präsidiums der FDP. Ich hoffe, dadurch meiner Partei den Neuanfang mit einem neuen Führungsteam zu erleichtern.
Mit sofortiger Wirkung trete ich auch von dem Amt der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments zurück, um nicht in führender Position ein Ziel für Angriffe auf die einzige demokratisch legitimierte Institution der Europäischen Union zu bieten.
Ich möchte mit diesem Schritt auch verhindern, dass meine gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet wird.
Was meine Dissertation betrifft: an der Universität Heidelberg habe ich die Arbeit 1999 eingereicht, und dort wird sie jetzt überprüft. Ich möchte, dass diese Prüfung nun vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt und nicht dadurch belastet wird, dass ich herausgehobene Ämter innehabe.“
(rtr/dapd/dpa/abendblatt.de)