Die Militärallianz griff das Gelände Bab al Asisija an. Dabei wurde unter anderem die Bibliothek des libyschen Machthabers zerstört.
Tripolis. Bei Nato-Luftangriffen auf den Militärkomplex des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi bei Tripolis sind am Montag schwere Gebäudeschäden entstanden. Ein mehrstöckiges Gebäude auf dem Gelände Bab al Asisija wurde zerstört, an einer Empfangshalle entstanden schwere Schäden. Nach Angaben eines Sicherheitsbeamten wurden vier Menschen leicht verletzt. Der Aufenthaltsort Gaddafis zum Zeitpunkt des Angriffs war unklar.
Mindestens zwei Raketen trafen am Morgen den Militärkomplex. Das Geräusch der einschlagenden Flugkörper war noch Kilometer von dem Gelände entfernt zu hören. Von einem Gebäude, das Gaddafi nach Angaben von Wachleuten als Bibliothek und Büro nutzte, war nach dem Angriff nur noch ein Haufen aus verbogenem Metall und zerbrochenen Betonplatten übrig. Dutzende Gaddafi-Anhänger kletterten auf die Ruinen, hissten die grüne Nationalflagge Libyens und riefen Gaddafi ihre Unterstützung zu.
+++ Unesco-Mitarbeiter wollte Flugzeug nach Libyen entführen +++
Die Tür einer Empfangshalle auf dem Militärgelände wurde bei dem Angriff gesprengt. Der Boden war von Glasscherben übersät, Bilderrahmen fielen herunter.
Gaddafis Truppen hatten am Sonntag die Rebellenhochburg Misrata erneut unter schweren Beschuss genommen. Die Stadt wurde Augenzeugenberichten zufolge von Dutzenden Raketen der Regierungstruppen getroffen. Bei Kämpfen in Misrata kamen am Wochenende mindestens 32 Menschen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt.
Lesen Sie auch:
Gaddafi-Truppen feuern weiter auf Misrata
Misrata steht weiter unter Beschuss.Trotz des angekündigten Rückzugs der Soldaten des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi ist es am Sonntag wieder zu Gefechten gekommen. Bei den Kämpfen seien mindestens zwei Menschen durch Raketen der Regierungstruppen getötet worden, so ein Anwohner. Dennoch hätten die Rebellen weite Teile der Stadt unter ihre Kontrolle bringen können, einschließlich der zuletzt heftig umkämpften Tripolis Straße sowie eines Krankenhauses, in dem sich die Gaddafi-treuen Truppen verschanzt gehalten hätten.
Nach Angaben eines Kämpfers der Rebellen diente das eingenommene Krankenhausgelände bis zu 400 Soldaten der Regierungstruppen bis zuletzt als Stützpunkt. Die Männer versuchten nun, sich unauffällig unter die Bevölkerung zu mischen. "Sie ziehen ganz normale Sportbekleidung an“, sagte der Rebell, „sie geben vor, Zivilisten zu sein“.
Das libysche Regime hatte am Freitag angekündigt, sich aus Misrata zurückziehen zu wollen. Dennoch ist es seitdem immer wieder zu Gefechten gekommen. Nach Angaben des Arztes Chaled Abu Falgah, Leiter des medizinischen Komitees der Stadt, wurden am Sonnabend und am Sonntag insgesamt 28 Menschen getötet und 85 weitere verletzt.
Die USA und die umstrittenen Kampfdrohnen
Die USA haben am Sonnabend in Libyen einen ersten Militärschlag mit einer Kampfdrohne ausgeführt. Ein Pentagonsprecher bestätigte nach Medienangaben den Angriff am frühen Nachmittag (Ortszeit), nannte aber keine weiteren Einzelheiten.
US-Präsident Barack Obama hatte erst am Donnerstag grünes Licht für den Kampfeinsatz der ferngesteuerten unbemannten Flugzeuge vom Typ „Predator“ gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi gegeben. Damit wollen die USA zum Schutz der Zivilbevölkerung beitragen.
Zwar waren bereits in den vergangenen Wochen bewaffnete US-Drohnen in Libyen eingesetzt worden, aber sie absolvierten lediglich Aufklärungsflüge. Mit den Angriffen nehmen die USA nun wieder aktiv an Kampfhandlungen teil, nachdem sie im vergangenen Monat das Kommando über den Militäreinsatz an die Nato abgegeben und sich auf eine unterstützende Rolle beschränkt hatten.
Sarkozy will Bengasi besuchen
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy erwägt einen Besuch in Bengasi. Er habe dem dort ansässigen Übergangsrat seine prinzipielle Zustimmung für eine solche Visite gegeben, meldete die Nachrichtenagentur AFP am Freitag unter Berufung auf sein Amt.
Am Donnerstag zerstörten Kampfjets der internationalen Truppen bei 62 Einsätzen acht Munitionsbunker nahe Tripolis und mehrere Panzer nahe Adschabija und Al-Brega. Dies berichtete die Nato am Freitag in Brüssel. Zehn Schiffe seien dabei, humanitäre Hilfsgüter nach Libyen zu bringen. Der Korrespondent des US-Senders CNN meldete auch am Freitag schwere Explosionen und Triebwerkslärm von Kampfflugzeugen über der Hauptstadt Tripolis.
Ärzte berichteten dem Sender Al-Dschasira aus der seit fast acht Wochen von Gaddafi-Truppen belagerten Stadt Misurata von Kindern, die mit Splitter- und Schussverletzungen behandelt werden mussten. Außerdem nähmen Scharfschützen Zivilisten unter Beschuss, hieß es. Am Mittwoch waren in Misurata zwei Foto-Journalisten aus den USA und Großbritannien bei einer Granatenexplosion getötet worden.
Der britische Premierminister David Cameron bekräftigte, dass sein Land sich auf keinen Fall an einer Besetzung Libyens beteiligen würde. „Wir haben nicht die Erlaubnis, eine einfallende Armee oder eine besetzende Armee zu sein“, sagte Cameron am Freitag in einem Interview des britischen Senders BBC. Nachdem London vor wenigen Tagen Militärberater in die Konfliktregion geschickt hatte, äußerten britische Abgeordnete die Befürchtung, dies könnte ein erster Schritt für eine Neuausrichtung der Mission sein. „Das wollen wir nicht, das wollen die Libyer nicht, das will die Welt nicht“, sagte der Premier.
Clinton: Gaddafis Truppen setzten womöglich Streubomben ein
Angesichts der schweren Kämpfe in Misrata appellierte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon an Gaddafi, dem Töten Einhalt zu gebieten. „Ich fordere die libysche Führung auf, das Kämpfen und das Töten von Menschen zu beenden“, sagte Ban am Donnerstag in Moskau. Seit Beginn der Kämpfe vor sieben Wochen wurden nach Angaben von Ärzten 365 Menschen, darunter mindestens 85 Zivilisten getötet. Verletzt wurden 4000 Personen.
In der seit sieben Wochen umkämpften drittgrößten Stadt des Landes werden mittlerweile Lebensmittel und Medikamente knapp. Auch an den Tankstellen bildeten sich lange Schlangen, zur Stromversorgung sind die Einwohner auf Generatoren angewiesen.
US-Außenministerin Hillary Clinton warf Gaddafis Truppen brutale Angriffe vor. Möglicherweise hätten sie auch Streubomben eingesetzt. Diese Munition wirft unzählige kleine Bomben und Granaten aus. Da diese häufig nicht explodieren, stellen die Blindgänger noch Jahre nach Ende der Kämpfe eine Gefahr für die Bevölkerung dar. Der Einsatz von Streubomben ist weltweit geächtet, jedoch haben die USA ein entsprechendes Abkommen nicht unterzeichnet.
Mit Material von rtr/dpa/dapd