Als Zeugen der Kämpfe um die Enklave Misurata verlieren zwei Kriegsreporter ihr Leben. Weitere Fotografen wurden verletzt.

Washington/Tripolis/Bengasi. Die USA wollen bewaffnete Drohnen über Libyen einsetzen. Dies sei ein Beitrag zum Schutz der Zivilisten in dem nordafrikanischen Land, sagte am Donnerstag Verteidigungsminister Robert Gates in Washington. Mit den Drohnen, die von den USA auch im Kampf gegen al-qaida und die Taliban in Pakistan eingesetzt werden, bekäme die den internationalen Einsatz führende NATO bessere Möglichkeiten. Allerdings werde sich der Charakter des Einsatzes für die USA nicht ändern, betonte Gates.

Die USA hatten den internationalen Einsatz in Libyen zunächst gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien militärisch angeführt. Nach der Übernahme der Einsatzführung durch die NATO am 4. April hatten sie ihre rund 50 Kampfflieger aus Libyen abgezogen, danach aber doch immer wieder Luftangriffe geflogen. Grundsätzlich will Washington nicht zu tief in den Konflikt hineingezogen werden. Erst am Mittwoch betonte Präsident Barack Obama, dass keine US-Soldaten ihren Fuß auf libyschen Boden setzten würden.

Aufständische haben Grenzübergang Wassin eingenommen

Aufständische haben in Libyen am Donnerstag den Grenzübergang Wassin zu Tunesien eingenommen. Dabei zwangen sie 13 Soldaten des Machthabers Muammar al-Gaddafi, unter ihnen zwei Generäle, zur Flucht ins Nachbarland, meldete die staatliche tunesische Nachrichtenagentur TAP. Der Filmemacher Tim Hetherington und der Fotograf Chris Hondros, zwei erfahrene Kriegsreporter, wurden am Vortag in der heftig umkämpften Küstenstadt Misurata getötet.

Die beiden Reporter traf eine Panzerabwehrgranate, als sie Gefechte zwischen den Verteidigern der Stadt und angreifenden Gaddafi-Truppen dokumentierten, berichteten Augenzeugen und Kollegen. Der Brite Hetherington (41) war für seine Afghanistan-Dokumentation „Restrepo“ (2010) für den Oscar nominiert und arbeitete zuletzt als Fotograf für das US-Magazin „Vanity Fair“. Der US-Amerikaner Hondros (41) war für die Fotoagentur Getty Images im Einsatz.

Beide Reporter verbanden ihren gefährlichen journalistischen Einsatz auch mit dem Engagement für Menschenrechte und für die Dokumentierung des Leids von Zivilisten in Kriegen. Bei dem selben Angriff am Mittwoch wurde auch der britische Fotograf Guy Martin von der Agentur Panos schwer verletzt. Er befand sich am Donnerstag außer Lebensgefahr.

Misurata, 210 Kilometer östlich von Tripolis, wird seit fast acht Wochen von Gaddafis Truppen belagert. Die Kämpfe dauerten auch am Donnerstag unvermindert an. Allein am Tag zuvor seien zehn libysche Zivilisten getötet und rund 100 weitere verletzt worden, teilten Oppositionskreise am Donnerstag in ihrer Hochburg Bengasi mit. Auch drei Aufständische kamen in Misurata ums Leben. Hilfslieferungen der UN erreichten die Stadt auf dem Seeweg, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira.

Die USA wollen die libysche Opposition jetzt erstmals direkt unterstützen. Wie Außenministerin Hillary Clinton am Mittwoch (Ortszeit) mitteilte, sollen die Regimegegner medizinische Artikel, Uniformen, Schutzausrüstung, Radios und Nahrungsmittel im Wert von

25 Millionen Dollar (17,2 Millionen Euro) erhalten. Vorausgegangen seien wochenlange Beratungen mit dem Übergangsrat in Bengasi über die am dringendsten benötigten Güter. Die provisorische Regierung der Gaddafi-Gegner bat auch um Waffenhilfe, doch Washington konnte sich bislang zu keiner Entscheidung durchringen.

Die libyschen Aufständischen hoffen deshalb auf schnelle Waffenhilfe aus Europa. Durch zusätzliche Waffen und ausländische Militärexperten werde sich das Blatt bald wenden, sagte Abdelhafizh Ghoga, ein führendes Mitglied des Übergangsrates, in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa in Bengasi. Anfangs habe es noch Diskussionen darüber gegeben, ob Waffenlieferungen an die Rebellen durch die UN-Resolution zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung gedeckt seien. „Doch mit Italien haben wir inzwischen eine Einigung erzielt und auch mit Großbritannien“, sagte Ghoga.

Die am Dienstag angekündigten britischen Militärberater seien aber noch nicht in Libyen eingetroffen. Ghoga sprach sich auch für den Einsatz ausländischer Truppen zum Schutz der Zivilisten in Misurata aus. „Wenn dies nötig ist, um humanitäre Hilfe zu leisten oder sichere Zonen für Zivilisten zu schaffen, so wäre dies auch durch die UN-Resolution 1973 gedeckt“, sagte er. Die Rebellen wollten aber nicht, dass diese Truppen mit ihnen an der Front gegen die Soldaten Gaddafis kämpfen.

Porträt von Tim Hetherington

Für Tim Hetherington war Kriegsfotografie ein humanitärer Einsatz, ein Weg, den unschuldigen Opfern blutiger Konflikte zu helfen. So jedenfalls beschreibt sein Freund James Brabazon den 41 Jahre alten Fotografen und Filmemacher, der im libyschen Misurata an der Front sein Leben verlor. Tim habe sich auf die Not der Menschen in Misurata konzentriert, sagte Brabazon dem britischen Sender BBC. „Darum war er da, um deren Geschichte zu erzählen.“

Die Folgen von Kriegen für die Menschen zu dokumentieren - dafür war Hetherington seit Jahren im Einsatz. Geboren wurde er 1970 im englischen Liverpool. Er studierte Englische Literatur an der Universität in Oxford und schloss einen Aufbaustudiengang in Foto-Journalismus ab. Er hatte sowohl eine britische als auch eine US-Staatsbürgerschaft und lebte zuletzt in New York, wo er etwa für das US-Magazin „Vanity Fair“ arbeitete.

Unterwegs war er unter anderem in Liberia. Dort dokumentierte erden blutigen Machtkampf zwischen dem liberianischen Präsidenten Charles Taylor und den Rebellen. Außerdem machte er einen Film über den Genozid im Sudan.

Seinen Durchbruch als Filmemacher hatte er 2010 mit der Dokumentation „Restrepo“, einem Film über US-Soldaten auf einer maroden Armeebasis in Afghanistan. Der Film wurde für einen Oscar nominiert und beim berühmten Sundance-Filmfestival ausgezeichnet. Für eine Aufnahme von einem US-Soldaten in Afghanistan bekam Hetherington 2007 den renommierten „World Press Photo of the Year Award“.


Hetherington habe geplant, demnächst mit einer somalischen Frau eine Familie zu gründen, berichtete sein Freund Peter Bouckaert von der Organisation „Human Rights Watch“.

Porträt von Chris Hondros

Seine Bilder bewegten die Welt, denn sie kamen meistens mitten aus dem Zentrum des Leids: Chris Hondros berichtete seit Ende der 1990er Jahre als Fotograf von fast allen großen Konflikten. Er war im Kosovokrieg, in Angola, in Sierra Leone, im Libanon, in Afghanistan, Kaschmir, im Irak und in Liberia.

Seine Fotos waren für die Titelseiten renommierter Zeitungen und Zeitschriften wie der „New York Times“, der „Washington Post“, „Newsweek“ oder „The Economist“. Sie brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem eine Nominierung für den begehrten Pulitzer-Preis.

Hondros wurde am 14. März 1970 in New York City geboren. Seine Eltern stammten aus Deutschland und Griechenland und waren beide Überlebende des Zweiten Weltkrieges, wie der Fotograf selber auf seiner Internetseite berichtete. Hondros studierte Englische Literatur, bevor er sich der visuellen Kommunikation und dem Fotojournalismus zuwandte. Zuletzt arbeitete er als fester Fotograf bei der Agentur Getty Images und lebte in New York.

Doch Hondros verarbeitete seine Erlebnisse in den Krisengebieten der Welt nicht nur fotografisch. Auch in Essays und Vorlesungen berichtete er von dem, was er sah.

„Er wollte der Welt zeigen, was los war“, schrieb der „New York Times“-Fotograf Tyler Hicks auf der Internetseite der Zeitung im Gedenken an Hondros. Dafür sei er bereit gewesen, hohe persönliche Risiken einzugehen und Opfer zu bringen. Hicks: „Er glaubte an seine Arbeit.“ Hondros sei verlobt gewesen und habe eine Leidenschaft für klassische Musik und Schach gehabt.

(afp/dpa/abendlatt.de)