„Wenn sie nicht kommen, werden wir sterben.“ Gaddafi-Sohn Seif al-Islam sagt im TV-Interview, er glaube an einen Sieg der Regierungstruppen.
Tripolis/Brüssel. Sie sind verzweifelt, weil sie von den Truppen des Diktators Muammar al-Gaddafi eingekesselt werden, weil Scharfschützen selbst von Moscheen herab auf Frauen und Kinder schießen. Jetzt haben die Rebellen in der seit Wochen belagerten libyschen Küstenstadt Misrata um den Einsatz von ausländischen Bodentruppen regelrecht gefleht. Ein Rebellensprecher forderte die Entsendung britischer und französischer Soldaten nach Misrata. Seit dem Beginn der Kämpfe in Libyen starben nach Angaben der Aufständischen bereits 10.000 Menschen, bis zu 55.000 seien verletzt worden. Der Rebellensprecher Nuri Abdullah Abdullati sagte, die Aufständischen hätten formell um die Entsendung von Bodentruppen für den Schutz von Zivilisten gebeten. Britische und französische Soldaten sollten auf der Basis der „humanitären“ Prinzipien nach Misrata entsandt werden. „Wenn sie nicht kommen, werden wir sterben“, sagte Abdullati.
Die Bitte sei vergangene Woche in Form eines Briefes an den Nationalrat der Aufständischen in Bengasi übermittelt worden, da die Rebellen keinen direkten Kontakt zu den Koalitionstruppen haben. Bisher sei jedoch noch keine Antwort eingetroffen, sagte Abdullati. Zuvor hatte Frankreichs Außenminister Alain Juppé sich bereits entschieden gegen die Stationierung von Bodentruppen ausgesprochen, die in der Uno-Resolution nicht vorgesehen ist.
Sein britischer Kollege William Hague kündigte an, bis zu 20 Militärberater zum Übergangsrat der Rebellen nach Libyen schicken zu wollen. Sein Land werde die Rebellen aber nicht bewaffnen und sie auch nicht in den Kämpfen direkt unterstützen, so Hague. Großbritannien hat den Rebellen bereits 1000 Splitterschutzwesten und 100 Satelliten-Telefone zur Verfügung gestellt.
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In Misrata sind Essen, Wasser, Treibstoff, Medikamente und Strom knapp. Die Regierungstruppen setzen Grad-Raketen und Streubomben ein. Hilfsorganisationen befürchten eine Massenflucht aus der Stadt. Ein von Katar gechartertes griechisches Schiff stand bereit, um mehr als 1000 verletzte Libyer sowie ausländische Arbeiter, vor allem aus dem Niger und dem Tschad, abzuholen. Außerdem sollte das dritte Schiff der Internationalen Organisation für Migration in den kommenden Tagen in Misrata eintreffen, um weitere Gastarbeiter aus der Stadt zu holen.
Die Nato bombardierte nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis nach eigenen Angaben „Kommando- und Kontrollanlagen“ von Gaddafis Armee. Zugleich räumte die Militärallianz in Brüssel ein, dass Lufteinsätze den Schutz von Zivilisten nicht sicherstellen könnten, weil die Gaddafi-Truppen ihre Panzer mit Zivilisten als menschlichen Schutzschilden sicherten.
Einer der Söhne Gaddafis, Seif al-Islam, zeigte sich in einem Interview überzeugt vom Sieg der Regierungstruppen. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir siegen werden“, sagte er im Fernsehsender Allibya. „Die Lage entwickelt sich täglich mehr zu unseren Gunsten.“
Unterdessen sind nach einer Umfrage zwei Drittel der Libyer im Rebellengebiet nicht zufrieden mit den Militäraktionen der Nato zum Schutz der Zivilbevölkerung. Bei einer Befragung in den von Aufständischen kontrollierten Städten im Osten des Landes erklärten 65 Prozent, die Aktionen der Nato zur Umsetzung der Uno-Resolution 1973 seien nicht ausreichend. 28 Prozent der Befragten äußerten sich zufrieden.
Die Umfrage der libyschen Garjunis-Universität, an der sich in den vergangenen Tagen nach Angaben der Forscher 1758 Libyer beteiligten, wurde in der Rebellenhochburg Bengasi vorgestellt. Der Dozent Fathi Ali sagte: „Dies ist die erste echte Meinungsumfrage in Libyen seit Jahrzehnten.“ Die Forscher fragten auch, ob das Terrornetzwerk al-Qaida bisher eine Rolle beim Aufstand in Libyen gespielt habe. Diese Frage beantworteten nur zwei Prozent der Menschen im Osten Libyens mit „Ja“, ebenfalls zwei Prozent erklärten, sie könnten sich eine „politische Rolle“ für al-Qaida im „neuen Libyen“ vorstellen. (abendblatt.de/dpa/AFP/rtr)