Sie eine Bismarck, er ein fränkischer Adeliger: Karl-Theodor zu Guttenbergs Rücktritt killt den Glamourfaktor des Berliner Politikbetriebs.
Berlin/Hamburg. Ein Abgang und ein halber: Der Rücktritt des Verteidigungsministers ist auch der vorzeitige Rückzug des titelseitenträchtigen Power-Paares Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg. Sie ist eine geborene Bismarck, er ein Adeliger aus dem Fränkischen, dessen Vorfahren Hitler Widerstand leisteten und mit Fleiß und Geschick ein Familienimperium aufbauten. Was kaum jemand weiß: Karl-Theodor und sein Bruder Philipp wurden im Wesentlichen von Vater Enoch großgezogen, einem hervorragenden Musiker und Dirigenten. Denn die Eltern trennten sich, als die Brüder noch klein waren. Die Parteikarriere verlief für den CSU-Mann wie im Film: Abgeordneter, außenpolitischer Experte, kurze Zeit Generalsekretär, Wirtschaftsminister, Verteidigungsminister.
Guttenbergs Familie hat in Berlin ein neues Zuhause gefunden, im noblen Westend. Dort residiert das Paar mit den beiden Töchtern Anna und Mathilda. Und von dort startete Stephanie zu Guttenberg ihren Feldzug gegen Kinderschänder, der sie ins Fernsehen und ihn in die Bredouille brachte. Ihre Sendung löste heftige öffentliche Kritik aus – obwohl das Ansinnen ein ehrenwertes ist. Beide ließen sich oft auf Charity-Veranstaltungen sehen und liebten den roten Teppich. Hat das jetzt ein Ende? Führt seine Demission jetzt auch zu ihrem Rückzug aus der Öffentlichkeit?
Den Kritikern – auch im politischen Betrieb – waren die populären Guttenbergs unheimlich. Guttenbergs Image lebte auch davon, dass ihm Otto Normalverbraucher abnahm: Er braucht die Politik nicht, lebt nicht von ihr, sondern offensichtlich für sie. Diese Makellosigkeit ist einer Skepsis in der Plagiatsaffäre um den erschlichenen Doktortitel gewichen. Erst leugnete Guttenberg die Vorwürfe, er habe seine juristische Dissertation an der Universität in großen Teilen abgeschrieben. „Abstrus“ nannte er die Vorwürfe. Schließlich verzichtete er vorläufig, dann ganz auf die Auszeichnung. Am Ende wurde ihm der Doktorgrad – so die korrekte Bezeichnung – entzogen. Nach anschwellender Empörung über den „Schummel-Doktor“ wuchs sich die Affäre zu einem handfesten Skandal aus, in den auch noch die Staatsanwaltschaft eingreifen könnte. Zuletzt waren auch Parteifreunde von Guttenberg abgerückt, die seine politischen Verdienste um die Bundeswehr jedoch loben.
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Einen Nachfolger konnte die CSU noch nicht benennen. Parteichef Horst Seehofer nannte Guttenbergs Schritt „sehr, sehr traurig“ und schloss ein Comeback des in Umfragen außerordentlich beliebten CSU-Politikers nicht aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zollte Guttenberg Respekt und Dank für seine Arbeit. Noch am Montagnachmittag hatte der Minister nach Seehofers Angaben Durchhaltewillen signalisiert. Doch schon am Dienstagvormittag erklärte er den Rücktritt von allen politischen Ämtern. „Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens“, sagte Guttenberg. Sofort begannen Spekulationen über einen Nachfolger, der die Abschaffung der Wehrpflicht und den Umbau der Bundeswehr vollenden müsste. Seehofer sagte, am Freitagnachmittag werde das CSU-Präsidium möglicherweise Entscheidungen treffen.
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lehnte einen Wechsel in das Amt des Verteidigungsministers bereits ab. Im Gespräch ist laut „Leipziger Volkszeitung“ der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, der die Reformkommission zur Bundeswehr geleitet hatte. Genannt wurde in Unions-Kreisen zudem CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Der frühere brandenburgische Innenminister und Bundeswehrgeneral Jörg Schönbohm (CDU) warb im „Handelsblatt“ für Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) als Nachfolger.
FDP-Chef Guido Westerwelle nannte Guttenbergs Rücktritt eine „Entscheidung der Konsequenz“ und dankte seinem Kabinettskollegen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betonte, die schwarz-gelbe Koalition gerate dadurch nicht ins Trudeln. Die Opposition äußerte Genugtuung. Der Rücktritt sei überfällig, meinte der SPD-Politiker Thomas Oppermann. Die ganze Angelegenheit sei „eine Riesenblamage für die Kanzlerin“, erklärten die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin.